Frage an Jörn Wunderlich von Rico F. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Wunderlich,
mich würde interessieren, warum die LINKE ein bedingungsloses Grundeinkommen fordert, aber dafür nur 8€ Mindestlohn. Bei der SK 1 bleiben nicht mal 1000€ netto.
Wie soll eigendlich ein Grundeinkommen finanziert werden, wenn die LINK E an die Macht kommen würde wären die Schulden aufgrund der Wirtschaftskrise zusätzlich noch da.
Und wie wollen Sie Anreize schaffen, daß Leute noch arbeiten um Das Grundeinkommen zu erwirtschaften?
Mit freundlichen Grüßen, Rico Franz.
Sehr geehrter Herr Franz,
vielen Dank für Ihre Anfrage an http://www.abgeordnetenwatch.de .
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass DIE LINKE eine noch recht „junge“ Partei ist, die sich sehr schnell und überzeugend einen festen Platz im politischen und parlamentarischen Parteiensystem erkämpft hat. Auf Grund ihrer Zusammensetzung und ihrer historischen Wurzeln und Erfahrungen diskutiert sie jedoch ihre Programmatik, ihre Ziele und Positionen sehr basisdemokratisch und pluralistisch.
Deshalb: nicht DIE LINKE hat ein bedingungsloses Grundeinkommen gefordert, sondern Teile der Linken.
Die Linksfraktion im Bundestag hat bereits im Januar 2009 einstimmig Vorschläge für eine bedarfsdeckende Mindestsicherung beschlossen, die u.a. nach folgenden Grundsätzen gestaltet wird:
– Einen Rechtsanspruch auf Mindestsicherung haben alle Menschen, die über kein ausreichendes Einkommen oder Vermögen verfügen, um ihren sozialen und kulturellen Mindestbedarf zu decken, und die rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland leben, einschließlich der Flüchtlinge.
– Die Mindestsicherung orientiert sich am Individualprinzip, d.h. jeder bedürftige Mensch hat unabhängig von seinem Familienstand einen eigenen Anspruch. Unterhalt nach dem BGB wird als Einkommen angerechnet. Nicht realisierte Unterhaltsansprüche werden auf den Träger der Mindestsicherung übergeleitet und von diesem zur Refinanzierung beigetrieben. Die Bedarfsgemeinschaft wird abgeschafft. Nichteheliche Lebensgemeinschaften haben keine wechselseitige Unterhaltsverpflichtung
– Eine Bedarfsbemessungskommission, in der auch die Betroffenen vertreten sind, ermittelt den Bedarf für das soziokulturelle Existenzminimum und legt auf dieser Grundlage die Regelsätze und Mehrbedarfe für bestimmte Personengruppen fest, die jährlich entsprechend der Preisentwicklung dynamisiert werden. Für Kinder und Jugendliche erfolgt eine Bedarfsermittlung für eine eigenständige Mindestsicherung.
– Der Eckregelsatz wird in korrekter Umsetzung der Regelsatzbemessung nach dem SGB II sofort auf 435 € für Alleinstehende (Wert 2008) erhöht. Als Sofortmaßnahme zur Bekämpfung von Kinderarmut wird die Höhe der Mindestsicherung für Kinder wie folgt angesetzt: Bis-zu-5-Jährige erhalten 276 €, 6-bis-11-Jährige 332 € und 12-bis-18-Jährige 358 €. Die Kindergelderhöhungen ab 2009 werden erst angerechnet, sobald die Höhe der Mindestsicherung für Kinder bedarfsdeckend bemessen ist.
– Wohnkosten werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen (Kaltmiete plus Heiz- und andere Nebenkosten) übernommen, solange die Miete den Mittelwert des örtlichen Mietspiegels für eine Wohnungsgröße des Haushalts nach Kriterien des sozialen Wohnungsbaus nicht um mehr als 10 Prozent übersteigt. Ein Umzug – frühestens nach einem Jahr Übergangsfrist – ist unzumutbar, wenn er eine soziale Härte darstellt oder wenn die Kommune keine angemessene Ersatzwohnung nachweisen kann.
– Die Fiktion eines „Ansparens“ von Mitteln aus den Regelleistungen zur Deckung von Sonderbedarfen wird aufgegeben. Die Mindestsicherung kann nicht auf alle individuellen Problemlagen und Wechselfälle des Lebens reagieren, so dass Sonderbedarfe zu finanzieren sind.
– Eigenes Einkommen und/oder Vermögen sind vorrangig einzusetzen. Um den Leistungsanspruch und seine Höhe festzustellen, ist eine Bedarfsprüfung unerlässlich. Diese wird auf ein bürgerrechtlich vertretbares, die Würde der Leistungsberechtigten achtendes Maß zurückgeführt. Wohnungsbesuche durch sog. Bedarfsermittlungsdienste werden abgeschafft. Sparguthaben oder ähnliches bleiben bis zu einer Höhe von 20.000,- Euro pro Person anrechnungsfrei. Das Schonvermögen für die Altersvorsorge wird in der Ansparphase auf 700,- Euro pro Lebensjahr angehoben.
– Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung („Ein-Euro-Jobs“) werden durch den Ausbau regulär-tariflicher öffentlicher Beschäftigung ersetzt. Leistungsberechtigte haben Zugang zu allen Angeboten der Arbeitsförderung nach dem SGB III. Die Teilnahme an Maßnahmen der Arbeitsförderung ist freiwillig. Die bisherige Pervertierung der Arbeits- und Integrationsförderung wird grundsätzlich revidiert. Das Sanktionsregime des Konzepts „Fördern und Fordern“ wird abgeschafft.
– Die Bestimmungen für die Zumutbarkeit von Arbeitsangeboten sind grundlegend zu reformieren. Arbeit gilt erst dann als zumutbar, wenn sie ein Existenz sicherndes Einkommen schafft (bzw. einem gesetzlichen Mindestlohn nach Einführung entspricht), die berufliche Qualifikation der Betroffenen in Wert stellt, die Ansprüche an die Flexibilität und die Fahrtzeiten senkt und die nicht gegen die politische und religiöse Gewissensfreiheit verstößt.
– Leistungsberechtigte sind grundsätzlich verpflichtet, sich um Existenzsicherung durch eine entsprechende Erwerbstätigkeit zu bemühen. Es liegt in der Verantwortung des Staates, Rahmenbedingungen für ausreichend Existenz sichernde Arbeitsplätze zu schaffen. Es liegt in der Verantwortung des Einzelnen, zumutbare Arbeit zur menschenwürdigen Gestaltung seines Lebens zu nutzen. Insofern strebt die Linke keine Wahlfreiheit zwischen der Aufnahme zumutbarer Arbeit und dem Bezug von Leistungen der Mindestsicherung an. Jede und jeder hat das Recht, mit aufschiebender Wirkung die Zumutbarkeit angebotener Arbeit bezogen auf Leistungen nach dem SGB III (Arbeitslosengeld) überprüfen zu lassen. Der Schutz der Menschenwürde und insbesondere des Kindeswohls verbieten die Kürzung von Leistungen der gesetzlichen Mindestsicherung.
Eine bedarfsdeckende soziale Mindestsicherung nach diesen Grundsätzen bricht mit Hartz IV und ist der entscheidende erste Schritt, um Armut in Deutschland wirksam und nachhaltig zu überwinden. Die Aufgabe, Armut zu vermeiden und soziale Teilhabe zu ermöglichen, kann allerdings nicht von einem Mindestsicherungssystem allein geleistet werden. Dafür braucht es insbesondere einen armutsfesten gesetzlichen Mindestlohn und die Fortentwicklung der Sozialversicherungen zu Bürger - bzw. Erwerbstätigenversicherungen, in denen das Solidarprinzip gestärkt wird und zu deren Finanzierung hohe und höchste Einkommen angemessen herangezogen werden.“ DIE LINKE. fordert stattdessen eine bedarfsorientierte soziale Grundsicherung für alle, die von Armut betroffen sind, also arbeitslos, krank oder erwerbsunfähig sind, sich in Ausbildung befinden, zuwenig Einkommen oder im Alter einfach zuwenig zum Leben haben. Die Grundsicherung soll Armut und Abhängigkeit überwinden und die Mindestbedingungen für ein selbst bestimmtes Leben aller garantieren. Um die steuerfinanzierten Systeme des ALG II, der Sozialhilfe und Grundsicherung im Alter sowie bei Erwerbsunfähigkeit zu einer wirklichen Grundsicherung zu entwickeln, müssen die Regelleistungen auf ein am Bedarf der Betroffenen orientiertes Niveau angehoben werden. Bedarfsorientiert heißt dabei armutsvermeidend und gesellschaftliche Teilhabe sichernd. Jeder und jede, jedes Paar, jede Familie mit Kindern dürfen nicht weniger im Monat zur Verfügung als zum Erreichen der Armutsrisikogrenze (60% des mittleren personengewichteten Haushaltseinkommens) notwendig ist. Für Alleinstehende hieße dies zwischen 860 und 940 Euro und für eine Familie mit zwei kleinen Kindern nicht weniger als 2000 Euro. Eine soziale Grundsicherung muss außerdem repressionsfrei und individuell gewährt werden, d.h. das Verwandte nicht untereinander für das Lebensnotwendige aufkommen müssen. Auch dürfen aufgebaute Altersicherungen nicht zerstört werden. Eine solche Grundsicherung ist keine Zukunftsmusik, sondern kann schrittweise auf Basis bestehender Regelungen entwickelt werden. Deshalb fordert DIE LINKE. die Anhebung der Regelsätze auf 435 Euro, höhere Freibeträge für Vermögen (insbesondere für die Alterssicherung), deutlich höhere Freibeträge bei der Anrechnung von Partnereinkommen und eine Neuregelung der Zumutbarkeit von Arbeit, die sich am Qualifikationsschutz sowie an Tarif- und Mindestlohnstandards orientiert, die Anforderungen ab Flexibilität und Mobilität entschärft und die politische und religiöse Gewissensfreiheit berücksichtigt. Dies sind erste Schritte zu einer sozialen Grundsicherung, die diesen Namen auch verdient.
Außerdem wird gegenwärtig ein Mindestlohn in Höhe von 8,71 € gefordert, welcher dynamisiert durchaus 10,- € erreichen kann. Über die konkrete Höhe muss man auf dem Parteitag im Juni entscheiden.
Weitergehende Informationen finden Sie selbstverständlich auch im Internet unter http://www.linksfraktion.de .
Mit freundlichen Grüßen
Jörn Wunderlich