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Jörg Vogelsänger
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Frage von Stefan H. •

Frage an Jörg Vogelsänger von Stefan H. bezüglich Wirtschaft

Sie haben im Bundestag für die Privatisierung der Bahn gestimmt. Ihr Parteigenosse Otmar Schreiner, der mit „Nein“ gestimmt har, schreibt u.a. in abgegeordnetenwatch dazu:
„Die wichtigsten Gründe gegen eine Privatisierung sind für mich, dass die Bahn ein wesentlicher Teil der vom Staat zu leistenden Daseinsvorsorge ist. Mobilität ist sowohl für die Menschen wie auch für die Wirtschaft von zentraler Bedeutung und sollte daher nicht in private, renditeorientierte Hände gegeben werden. Die Bahn ist auch wichtig, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen. Schließlich gibt es in keinem Land positive Erfahrungen mit der Privatisierung der Bahn -- weder für die Kunden der Bahn, noch für die Staatsfinanzen.“
Und auf www.bahn-fuer-alle.de: „Die Beispiele in Großbritannien und jüngst in Neuseeland zeigen in drastischer Weise, dass nach Privatisierungen heute die Staaten dort sowohl vor heruntergewirtschafteten Bahnen wie vor immensen Lasten für die öffentlichen Haushalte stehen.“
Die Bevölkerung teilt diese Meinung im Wesentlichen. Meinen Sie, dass die Bürger einen Verkauf ihres Volksvermögens trotz hoher Abschläge in Folge der weltweiten Finanzkrise begrüßen können?
Weshalb haben gerade Sie, da Sie aus einem Flächenland stammen, dass schon jetzt unter Streckenstilllegungen leidet, für eine Privatisierung gestimmt?

Stefan Hultsch

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hultsch,

die Ausgangssituation für die Bahnreform ist zum einen, dass die Deutsche Bahn AG im Wettbewerb mit anderen, auch ausländischen Anbietern steht. Die europäischen Märkte für Güterverkehr sind seit 2007 liberalisiert, der grenzüberschreitende Personennahverkehr folgt 2010. Die DB AG muss gut aufgestellt und technisch gut ausgerüstet sein, um sich auf dem erweiterten Markt behaupten zu können. Und zum anderen sind Investitionen in ein verlässliches, bezahlbares, kundenfreundliches und umweltfreundliches Verkehrangebot notwendig. Für diese Investitionen braucht die DB AG Geld, das nicht allein vom Staat und damit letztendlich vom Steuerzahler aufgebracht werden kann. Deswegen ist es gut, die Beteiligung privaten Kapitals zu ermöglichen. Von einer starken und zukunftsfähigen DB AG profitieren letztendlich alle, sowohl die Kunden wie die Beschäftigten. Das ist mit dem SPD-Strukturmodell, das maßgeblich in die Gesetzgebung zur Bahnreform eingeflossen ist, zukunftsfest gesichert. Zentraler Punkt ist und bleibt darin, dass die Investoren nicht die Oberhand über die Zukunft des Schienenverkehres bekommen.

Die Deutsche Bahn AG bleibt zu 100% im Eigentum des Bundes. Gleiches gilt für die Infrastruktur - also das Netz, die Stationen und der Service sowie die Energieversorgung: sie bleiben zu 100% beim Bund. Das ist bei dem von Ihnen angeführten negativen Beispiel so nicht der Fall.

Sämtliche Verkehrs- und Logistikaktivitäten werden unter dem Dach einer Tochter - der Verkehrs- und Logistik AG vereint. An dieser Tochter können sich private Investoren über Aktien beteiligen. Der Anteil an Aktien ist auf maximal 24,9 % beschränkt. Die maximale Beteiligung von 24,9 % ist aus dem Aktienrecht abgeleitet. Ein Anteil von unter 25 % garantiert, dass nur der Bund die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner benennen kann. Auf diese Weise wird ausgeschlossen, dass private Investoren Einfluss auf strategische Unternehmensfragen haben.

Insgesamt wird ein Erlös von mehreren Mrd. Euro erwartet. Ein Teil wird wie
beschrieben zur Erhöhung des Eigenkapitals der DB AG genutzt werden. Ein
Drittel der Gesamterlöse soll für ein umfangreiches Investitionsprogramm
„Zukunft der Bahn - Bahn der Zukunft" und damit zur direkten Verbesserung
der Ausstattung der Bahn genutzt werden, z. B. für Streckenausbau,
Lärmschutzprogramme und zur Modernisierung von Bahnhöfen. Der letzte Teil
wird dem Bundeshaushalt zugeführt.

Deshalb habe ich im Bundestag der Bahnreform zugestimmt. Allerdings verkennt die Debatte häufig, dass der Nahverkehr seit der Bahnreform 1993 von den Ländern bestellt wird. Die Länder schreiben die Strecken aus, die sie befahren sehen wollen. Der Bund stellt den Ländern dafür jährlich 6,7 Mrd. Euro sogenannter Regionalisierungsmittel zur Verfügung, die in den nächsten Jahren jeweils um 1,5 % weiter angehoben werden. Als zusätzliche Sicherung wird ein vernünftig getaktetes Angebot verbindlich per Vertrag festgeschrieben.

Mit freundlichen Grüßen
i. A. Knut Reuber-Tagesen

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