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Jörg Vogelsänger
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Frage von Oliver H. •

Frage an Jörg Vogelsänger von Oliver H. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Vogelsänger,

Derzeit wird über die Art der Nährwertkennzeichnung für Lebensmittel diskutiert. Die Bundesregierung (Herr Seehofer) propagiert eine mit prozentualen Angaben überfrachteten Kennzeichnung, welche
sich zu allem Überfluß auf eine variable Portionsgröße bezieht.

Meiner Meinung nach sollte die Information über gesundheitliche Risiken beim Lebensmittelkauf auf einen kurzen Blick hin ersichtlich sein. Die Ampelkennzeichung (wie in Großbritannien) ermöglicht genau dies.

Das Interesse, beim Einkauf auf gesunde Lebensmittel zu achten, wird durch langwierige Betrachtungen/Umrechnungen der für Deutschland geplanten Kennzeichung schnell verfliegen. Die Lebensmittel Konzerne werden Ihrer Kennzeichnungspflicht nachkommen können, ohne Änderungen des Kaufverhaltens befürchten zu müssen.

Uns interessiert Ihr Standpunkt zu diesem Thema. Teilen Sie unsere Einschätzung, dass mit der für Deutschland geplanten Kennzeichnung ein unnötig verwirrendes, intransparentes Modell verwirklicht werden soll ?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Härtel,

vielen Dank für Ihre E-Mail. Die Arbeitsgruppe Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz der SPD-Bundestagsfraktion

hat am 19. Februar 2008 eine Position zur Nährwertkennzeichnung beschlossen, die eine verpflichtende und ergänzte Ampelkennzeichnung nach britischem Vorbild fordert. Leider konnte die Arbeitsgruppe der Fraktion noch keinen Antragsentwurf vorlegen, weil sich die Abstimmung mit dem Koalitionspartner schwierig gestaltet.

Nährwertkennzeichnung

Übergewicht wird auch in Deutschland zu einem immer größeren Problem. Zu dessen Bekämpfung müssen Ernährung und Bewegung beeinflusst werden. Eine ausgewogene Ernährung können sich die Verbraucherinnen und Verbraucher nur zusammenstellen, wenn ihnen auch der Nährwert der Produkte bekannt ist. Viele Lebensmittel sind heute so stark verarbeitet oder aus so zahlreichen Komponenten zusammengesetzt, dass auch informierte Verbraucher den Nährwert nicht richtig einschätzen können. Der Kaloriengehalt, Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker, Salz und Ballaststoffe sollen deshalb auf dem Produkt angegeben werden.

Die Angabe nützt den Verbraucherinnen und Verbrauchern nur, wenn sie gut erkennbar, unmittelbar und leicht verständlich auf der Vorderseite der Verpackung ist. In wenigen Minuten Einkauf kann und will niemand die Lupe zücken, suchen, umrechnen und dann entscheiden. Die Angaben müssen Vergleichbarkeit herstellen. Nur wenn alle Produkte gekennzeichnet sind - also verpflichtend und auf dieselbe Weise mit denselben Bezugsgrößen - ist auf einen Blick zu erkennen, welche Pizza die fettärmere, welches Müsli das weniger gezuckerte und welche Chips die salzärmeren sind. Denn wer Lust auf Pizza hat, wird nicht Möhren kaufen, kann mit einer guten Kennzeichnung aber trotzdem eine gesündere Alternative wählen. Die Nährwertkennzeichnung muss auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und sich auf 100ml/100g beziehen, denn portionsbezogene Angaben sind häufig irreführend.

All dies gewährleistet aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion die modifizierte Ampelkennzeichnung.

Ampel

Das multicolour trafficlight labelling = Ampelkennzeichnung ist von der britischen Lebensmittelbehörde (Food Standard Agency, FSA) auf freiwilliger Basis eingeführt worden. Hier werden Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker und Salz gekennzeichnet. Die FSA legt nach wissenschaftlichen Kriterien fest, wann ein Lebensmittel einen hohen, mittleren oder niedrigen Gehalt der angegebenen Stoffe hat. Mit den Ampelfarben wird signalisiert, ob ein Lebensmittel häufig (grün), nicht so häufig (gelb) oder besser nur selten (rot) gegessen werden sollte. Es wird der prozentuale Anteil des Nährstoffs an 100g dieses Lebensmittels angegeben. Die Ampel unterscheidet also nicht zwischen „guten und schlechten“ oder „gesunden und ungesunden“ Lebensmitteln, sondern spricht Empfehlungen für die Verzehrmengen aus.

Die Ampelkennzeichnung wurde mit einer Informationskampagne eingeführt, die die Verbraucher über die Bedeutung der Ampel aufgeklärt und darauf hingewiesen hat, wie eine ausgewogene Ernährung aussieht und dass diese nicht mit dem Verzehr allein „grüner“ Lebensmittel erreicht werden kann.

Die Begleitforschung zeigt, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher die Ampelkennzeichnung richtig verstehen und oft für die gesündere Wahl nutzen. Das gilt auch für Kinder. Da es zu Umsatzverlagerungen z.B. von besonders fetten = roten Pizzen zu weniger fetten = gelben oder grünen Pizzen kam, haben einige Hersteller die Rezeptur ihrer Produkte geändert, sodass sie mehr gelbe und grüne Kennzeichen bekommen. Das nützt sogar den Konsumenten, die auf keine Kennzeichnung achten.

„Empfohlene Tageszufuhr“ = guided daily amount = GDA

Die Lebensmittelindustrie favorisiert eine freiwillige Kennzeichnung, die sie selbst auf europäischer Ebene entwickelt hat und z.T. auch schon anwendet (z.B. Coca Cola, Danone). Die Nährwertangaben werden in Tabellenform i.d.R. auf der Packungsrückseite gemacht. Angegeben wird der Prozentsatz z.B. an Fett der empfohlenen Tageszufuhr, der in einer Portion enthalten ist.

Dabei gibt es mehrere Probleme: Der Bezug sind immer 2000 kcal Tageszufuhr. Das ist aber nur für eine Frau bis 25 ohne Erkrankungen richtig. Für Kinder und ältere Menschen zuviel, für viele Männer zuwenig. Jede/r müsste also selbst wissen, welchen Nährwertbedarf er hat, und umrechnen. Die Portionsgrößen sind von der Industrie festgelegt und haben mit der Realität nichts zu tun. 1 Portion Cola ist nicht etwa die ganze 0,5l-Flasche, sondern ein Glas zu 250 ml. 1 Portion Pizza ist die Hälfte einer Tiefkühlpizza. Wer das nicht sieht, isst oder trinkt doppelt so viele Kalorien wie gedacht. Die empfohlenen Mengen sind nicht wissenschaftlich fundiert, sondern Empfehlungen der Industrie, die sich z.B. beim Zucker ganz erheblich von der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) unterscheiden. Die DGE hat deshalb die GDA in einem wissenschaftlichen Gutachten abgelehnt.

Keine Nährwertkennzeichnung für sich genommen führt zu ausgewogener Ernährung in der breiten Bevölkerung. Übergewicht kann nachhaltig nur bekämpft werden mit Ernährungsbildung, Ernährungsaufklärung und der Förderung von Bewegung in der Kita, der Schule und im sonstigen Alltag. Diese Politikfelder sind Ländersache. Da kann man von der Bundesebene nur appellieren, allenfalls Modellprojekte fördern. Die Nährwertkennzeichnung liegt in unserer Zuständigkeit. Mit der Ampelkennzeichnung schafft man die Transparenz, die die Verbraucherinnen und Verbraucher bei einer ausgewogenen Ernährung unterstützt. Diese Chance sollte genutzt werden, etwas zu tun, was den Menschen den Alltag erleichtert.

Ich hoffe Ihnen mit meinen Ausführungen geholfen zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

i.A. Pamela Eichmann (Mitarbeiterin)

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