Frage an Jörg Bode von Juliane K. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Bode,
auf Empfehlung von Herrn McAllister wende ich mich mit meiner Frage bezgl. Straßenbahnprojekt Linie 4 in Lilienthal an Sie. Der Einfachhalber verweise ich auf meine mail vom 27.1.11 an ihn ( http://www.abgeordnetenwatch.de/david_mcallister-462-40271--f276043.html#q276043 ).
Fakt ist, dass das die standartisierte Bewertung 1,18 ergab und zwar unter Zugrundelegung der Gesamtstrecke von Falkenberg nach Arsten. Mit anderen Worten, wenn man die 5.5 Km betrachtet, um die es hier in Lilienthal eigentlich geht, wird der erforderliche Wert von 1 nicht erreicht. Unter Berücksichtigung dieses Faktes plus der hohen Verschuldung unserer Gemeinde und des Landes Niedersachsen, ist das Projekt äußerst fragwürdig.
Warum wird von Ihrem Ministerium nicht eine genaue Überprüfung durchgeführt, die die ökonomischen und ökologischen Aspekte unter Berücksichtigung des exorbitanten Schuldenstandes unserer Gemeinde und des Landes Niedersachsen berücksichtigt, oder bauen Sie sich ein Haus, wenn Sie kein Geld dafür haben?
In der Hoffnung bei Ihnen Gehör zu finden, verbleibe ich mit besonders freundlichen Grüßen J. Kettler
Sehr geehrte Frau Kettler,
vielen Dank für Ihre Mail vom 03.02.2011, in der Sie die Straßenbahnverlängerung von Bremen-Borgfeld nach Lilienthal-Falkenberg thematisieren.
An der Finanzierung des Vorhabens beteiligen sich der Bund, die Länder Bremen und Niedersachsen, der Zweckverband Verkehrsverbund Bremen Niedersachsen (ZVBN) sowie die Gemeinde Lilienthal. Bevor die Mittel des Bundes und der Länder eingesetzt werden, erfolgen umfangreiche Prüfungen zu dem sinnvollen und wirtschaftlichen Einsatz der Fördermittel. Ebenso erfolgt eine kommunalrechtliche Prüfung vor der finanziellen Beteiligung der Gemeinde. Die Ergebnisse der Prüfungen gaben keinen Anlass für eine Versagung der Fördermittel und damit des Vorhabens.
Bekanntlich sind die Grundsatzentscheidungen für den Bau der Straßenbahnverlängerung auf kommunaler Ebene mehrheitlich getroffen worden. Ohne Zweifel ist bei diesen Entscheidungen die finanzielle Beteiligung des Bundes und der Länder Bremen und Niedersachsen von entsprechender Bedeutung. Dennoch haben weder der Bund noch die Länder eine unmittelbare Einflussnahme bei den Entscheidungen ausgeübt. Der nunmehr vorgesehene Einsatz von Fördermitteln des Bundes und der Länder führt auch nicht zu einer Verlagerung der Zuständigkeit für die auf kommunaler Ebene zu treffende Grundsatzentscheidung.
Bei der Finanzierung mit öffentlichen Mitteln von großen ÖPNV-Vorhaben ist insbesondere zum Zweck der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eine bundesweit gleichartige Standardisierte Bewertung vorgesehen. Diese Standardisierte Bewertung hat eine volkswirtschaftliche Kosten / Nutzen - Analyse zum Inhalt und ist Voraussetzung für eine Förderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz - GVFG -. Die bereits durchgeführte Standardisierte Bewertung hat ein positives Ergebnis. Dabei wurde die Stadtbahnverlängerung von Bremen/Borgfeld nach Lilienthal unabhängig von dem 1. Bauabschnitt nach Bremen/Borgfeld als eigenständige Maßnahme gesehen und bewertet. Die Standardisierte Bewertung umfasst auch eine Folgekostenrechnung, die eine Aussage über die Betriebskosten nach der Fertigstellung der Baumaßnahme zum Inhalt hat. Durch die vorgeschalteten Berechnungen und Prüfungen sowohl der Anträge auf Zuschüsse durch den Bund und die Länder wie auch nach Fertigstellung der Maßnahme durch die Niedersächsische Landesregierung ist eine wirtschaftliche und sparsame Verwendung von öffentlichen Mitteln sichergestellt.
Das Untersuchungsgebiet wurde nach den Vorgaben der Standardisierten Bewertung festgelegt. Nach den Verfahrensvorschriften ist ein ÖPNV-Investitionsvorhaben im Zusammenhang mit dem gesamten ÖPNV-Netz zu beurteilen. Als Untersuchungsgebiet ist daher in der Regel das Gebiet des betreffenden Verkehrsverbundes definiert.
Um die Nachfragewirkungen der Verlängerung der Linie 4 korrekt zu erfassen reicht es selbstverständlich nicht aus, nur die Relation auf der Neubaustrecke zwischen Lilienthal-Falkenberg und Bremen-Borgfeld zu betrachten. Das Investitionsvorhaben hat auch Auswirkungen auf Bereiche, die außerhalb des engeren Investitionsgebietes liegen.
Bei der für das Vorhaben durch geführte Standardisierten Bewertung ist das Untersuchungsgebiet grundsätzlich nach den Vorgaben der Standardisierten Bewertung korrekt abgegrenzt worden. Eine unzulässige Ausweitung des Untersuchungsgebiets ist nicht erfolgt.
Die finanzielle Lage der Gemeinde Lilienthal ist der Kommunalaufsicht des Landes bekannt. Vor der Entscheidung über den Bau der Straßenbahnverlängerung musste die Gemeinde die Sicherstellung des Finanzierungsanteils an den Infrastrukturkosten sowie die Finanzierung der Folgekosten nachweisen. Dieser Nachweis ist seitens des Landes auch kommunalaufsichtlich geprüft worden. Die Prüfungsmöglichkeiten des Landes geht dabei nicht soweit, dass die Realisierung eines bestimmten Vorhabens untersagen werden kann. Vielmehr hat die Gemeinde im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten eine Priorisierung der Vorhaben und ihrer Aufgaben vorzunehmen. Eine kommunalrechtliche Beanstandung hat es bei der erfolgten Überprüfung nicht gegeben.
Sie stimmen mit mir sicherlich darin überein, dass es bei derartigen Vorhaben nicht unüblich ist, wenn es sowohl bei den Bürgern und Bürgerinnen wie auch bei den verantwortlichen Stellen aufgrund ihrer jeweiligen Interessenlagen zu unterschiedlichen Auffassungen über die Realisierung kommt. Letztendlich ist eine Entscheidung zu treffen, auch wenn sie nicht von allen mitgetragen wird. Soweit diese Entscheidungen den rechtsstaatlichen Vorgaben entsprechen, können sie nur mit demokratischen Mitteln auf der kommunalen Ebene begleitet werden.
Ich bitte deshalb um Verständnis, dass das Land wegen des grundgesetzlich geschützten Rechts auf kommunale Selbstverwaltung keine weitergehenden Einflussmöglichkeiten hat.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg Bode
Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr