Frage an Jochen Proske von Thomas G. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Proske,
die Kündigung des Gastschulabkommens zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein zum 1.1.2010 bringt uns als Eltern an der Rudolf-Steiner-Schule HH-Bergstedt in große Schwierigkeiten. Ich bedauere es außerordentlich, dass die beiden Landesregierungen keine Einigung über ein neues Abkommen finden konnten und nun eine Ungewissheit besteht, wie es weiter gehen wird.
Durch die Uneinigkeit der Landesregierungen der beiden Nordbundesländer wird nicht nur die Existenz mehrerer Schulen angegriffen, sondern mehrere hundert Eltern, die ihre Kinder jetzt oder in den kommenden Jahren an einer Waldorfschule in Hamburg anmelden wollen, wären de facto der freien Schulwahl für ihre Kinder beraubt. Keine Waldorfschule in Hamburg kann Kinder aus Schleswig-Holstein aufnehmen, wenn die staatlichen Mittel für diesen Schulplatz nicht mehr gezahlt werden.
Die Entfernung zu den nächstgelegenen Waldorfschulen in Schleswig-Holstein in Kaltenkirchen, Elmshorn oder Lübeck beträgt zwischen 45-55 km und ist für meine Kinder unzumutbar, zumal wir kein Auto haben und die Schulen mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Wulfsdorf aus schwer zu erreichen sind. Um z.B. die Waldorfschule in Lübeck mit öffentlichen Verkehrsmitteln pünktlich um 8 Uhr zu erreichen, müssten unsere Söhne um 5.45 Uhr von zu Hause aus losfahren und außerdem noch 3 x umsteigen! Dagegen liegt die Rudolf-Steiner-Schule in HH-Bergstedt mit einer Entfernung von 5 km so nahe, dass sie mit dem Fahrrad bequem zu erreichen ist.
Es ist nicht einzusehen, dass in Zeiten der zunehmenden europäischen Einigung zwischen zwei Bundesländern solche Hürden aufgebaut werden.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass wir als Eltern die Quittung dafür bekommen, dass die HSH-Nordbank Milliardenverluste „erwirtschaftet“ hat und beide Bundesländer dafür u.a. bei der Bildung sparen wollen.
Als Ahrensburger Bürger und Wähler interessiert mich, welche Stellung Sie in dieser Frage beziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Grofer
Sehr geehrter Herr Grofer,
vielen Dank für Ihre Frage hinsichtlich des gekündigten Gastschülerabkommens zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein
Kurz zu den Fakten: Das gegenwärtig gültige Abkommen zum genzüberschreitenden Schulbesuch wurde im Januar 2004 abgeschlossen, Hamburg hat nunmehr das Abkommen zum 31.12.2009 gekündigt. Mit der Kündigung tritt auch das Gegenseitigkeitsabkommen von 1963 außer Kraft. Das Gegenseitigkeitsabkommen sieht eine Gleichbehandlung von Schülerinnen und Schülern bei der Beschulung im jeweils anderen Bundesland vor. Das zusätzliche Abkommen von 2004 regelt einen Kostenausgleich zwischen den beiden Ländern. Hamburg erhält gegenwärtig jährlich 8,5 Mio € für die Mehrbelastung, da deutlich mehr Schüler aus Schleswig-Holstein in Hamburg beschult werden als umgekehrt. Die Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen sind bisher nicht zum Abschluss gekommen, da es einige grundlegende Differenzen in der Bewertung der Schülerströme gibt. Hamburg sieht seit vielen Jahren den Ausgleichsbetrag, den Schleswig-Holstein für den grenzüberschreitenden Schulbesuch leistet als nicht ausreichend an.
Ich gebe Ihnen in Ihrer Einschätzung recht, dass in Zeiten der Europäischen Einigung diese Auseinandersetzung zwischen den beiden Bundesländern sehr kleinstaatlich ist. Und genauso wie Sie sehe ich in den Schleswig-Holsteinischen Waldorfschulen keine akzeptable Alternative für Ihre Kinder in Ahrensburg. Nach Rücksprache mit der SPD-Landtagsfraktion kann ich Ihnen zusichern, dass ich mich nach der Wahl vom 27.09. für eine schnelle Einigung in diesem Punkt einsetzen werde, auch und gerade, um die Verunsicherung im laufenden Anmeldeverfahren für das kommende Schuljahr 2010/2011 zu beenden. Und ich werde mich ebenso dafür einsetzen, dass bei der Bildung nicht gespart wird. Ganz im Gegenteil gilt es aus meiner Sicht, hier noch deutlich mehr Mittel bereit zu stellen, damit alle Kinder und Jugendlichen - gleich welcher Herkunft - eine echte Chance auf Bildung und Aufstieg haben.
Und zuletzt lassen Sie mich noch darauf hinweisen, dass die Probleme der an Hamburg angrenzenden Regionen Schleswig-Holsteins für manche in Kiel sehr weit weg sind. Gerne profitiert das Land von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Stormarns, aber bei anderen Fragen ist das Interesse mitunter gering. Hier kommt es darauf an, deutlich für die Interessen der Menschen in Stormarn einzutreten und auch dafür stehe ich bereit.
Mit freundlichen Grüßen
Jochen Proske