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Frage von Reinhard G. •

Frage an Joachim Schuster von Reinhard G. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Der Schuldenstand des Bundes und der EU wurde dieses Jahr erhöht und wird wegen der Corona-Maßnahmen noch weiter erhöht werden. Es gibt Stimmen, die in Zukunft ein „gutes“ (exponentielles) Wirtschaftswachstum fordern, um Schulden zu bezahlen. Das würde sich wohl negativ auf die Umwelt auswirken. Vielleicht wird bald auch gleichzeitig gefordert, dass die Bevölkerung „den Gürtel enger schnallen“ soll, was ein Widerspruch in sich wäre.

Was denken Sie? Könnten nicht die Gewinner der Krise, wie Amazon, Zoom oder die Inhaber bestimmter spekulativer Anlagen umgehend eine Abgabe zahlen? Und damit der Erhalt kleiner selbstständiger Unternehmen sowie der Gastronomie gesichert werden? Sollten die Staaten sich nicht mehr teuer über Privatbanken finanzieren, sondern nur direkt über eine Zentralbank? (Für die vielleicht neue Regeln festgelegt werden könnten?) Könnte so auch die Abhängigkeit von privaten Ratingagenturen und dem Finanzsektor vermieden werden? Sollen vielleicht die Kredite (zinslos) dauerhaft bestehen bleiben? Oder kann es in Zukunft einen Schuldenschnitt geben? Vielleicht verbunden mit einer Verminderung bestimmter Vermögen?

Das Weltwirtschaftsforum, bei dem sich Vertreter der größten Wirtschaftsunternehmen mit Politikern treffen, wird nächstes Jahr über einen globalen „Great Reset“ sprechen. Klaus Schwab, der Gründer des WEF, hat als Co-Autor dazu ein Buch veröffentlicht. Ich habe gehört, das er einige steile Thesen vertreten soll, wie zum Beispiel, dass es 2030 kein Privateigentum mehr geben wird.
Haben Sie sich über diese Pläne näher informiert und was halten sie davon? Für wie groß halten Sie den Einfluss des WEF? Sehen Sie eine Gefahr für die Demokratie? Könnten Unternehmen, die an einer Umweltzerstörung, Umverteilung und weltweit an vielen sozialen Problemen beteiligt sind, noch mehr an Einfluss gewinnen und unsere Zukunft bestimmen?

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Sehr geehrter Herr Großmann,

Ich halte es für richtig, dass die EU wie auch die Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der aktuellen wirtschaftlichen Krise in Folge der Corona-Pandemie in großem Umfang neue Schulden aufgenommen haben. Nun werfen sie Fragen auf, wie in Zukunft mit diesen Schulden bzw. dem Schuldendienst umgegangen werden soll. Dazu folgendes:

Solange die Schuldenaufnahme des Staates nicht in der Dimension aus dem Ruder läuft (und dies sehe ich in Europa zur Zeit nicht), ist sie volkswirtschaftlich kein besonderes Problem. Eine antizyklische Finanzpolitik erfordert es sogar, die Schuldenaufnahme in Krisenzeiten zu steigern, um die Wirtschaft zu stützen und die sozialen Folgen einer Krise abzufedern. Antizyklisch heißt aber auch, dass der Schuldenstand im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt in Zeiten guter Konjunktur wieder zurückgefahren wird.

Bezogen auf die aktuelle Situation gehe ich davon aus, dass dies zum einen durch zu erwartendes Wachstum erfolgen wird, wobei angesichts des Klimawandels es absolut erforderlich ist, dafür zu sorgen, dass es sich um nachhaltiges Wachstum handelt. Deswegen hat das Europäische Parlament beispielsweise bei den Anti-Krisenmaßnahmen der EU sichergestellt, dass mindestens 30% der verausgabten Gelder für Klimaschutzmaßnahmen aufgewandt werden müssen.

Zum anderen sollten zur Finanzierung der Schuldenlast Abgaben und ausgewählte Steuern erhoben bzw. erhöht werden. Das Europäische Parlament hat in den Haushaltsverhandlungen deswegen durchgesetzt, dass eine neue Plastikabgabe eingeführt werden soll, dass die Einnahmen durch das Emissionshandelssystem in den EU Haushalt fließen soll und dass eine Digitalsteuer wie eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden soll. Die Mitgliedstaaten sollten darüber hinaus erwägen, weitere Steuern und Abgaben auf hohe Vermögen oder hohe Einkommen zu erheben.

Von einer Staatsverschuldung direkt über die Zentralbank halte ich nichts.

Das von Ihnen angesprochene neue Buch und die darin vertretenen Thesen kenne ich nicht. Welche gesellschaftlichen Kräfte sich bei der Formulierung der künftigen Umwelt- und Klimaschutzpolitik durchsetzen, hängt stark vom Engagement der Bürgerinnen und Bürger in der Zivilgesellschaft ab. Und wenn sich die Bürgerinnen und Bürger weiter in großer Zahl einmischen, halte ich auch die Demokratie nicht für gefährdet.

 

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Schuster