Frage an Joachim Schuster von Micha M.

Sehr geehrte Frau M.,

man kann darüber streiten, ob die Erweiterung der EU richtig war oder nicht. Allerdings gab es immer gute Argumente für eine Erweiterung. Nach dem eigenen Anspruch ist die Europäische Union eine Gemeinschaft, der jeder europäische Staat beitreten kann, wenn er die dazu festgelegten Kriterien erfüllt und sich vor allem glaubwürdig zu den europäischen Werten bekennt. Nach dem Fall des eisernen Vorhangs wäre es durchaus politisch fragwürdig gewesen, dieses Recht den osteuropäischen Staaten zu verweigern. Damit ist übrigens keine überbordende Beamtenschaft in Brüssel entstanden. Die Zahl der Beamten in Brüssel ist geringer als die Zahl der öffentlichen Beschäftigten in den deutschen Großstädten mit mehr als einer Million Einwohner. Ähnlich sieht es mit der Zahl der europäischen Abgeordneten aus. Zur Zeit repräsentieren 751 Abgeordnete über 500 Millionen Einwohner, davon 96 deutsche Abgeordnete für rund 82 Millionen Deutsche. Jedes nationale Parlament hat im Verhältnis zu der repräsentierten Bevölkerungszahl eine höhere Anzahl von Parlamentariern. Ohne ein starkes Europäisches Parlament kann es übrigens kein demokratisches Europa geben.

Zudem ist es keineswegs so, dass Deutschland "ganz Europa bezahlt". Im Gegenteil: Wirtschaftlich und finanziell ist Deutschland einer der größten Nutznießer der EU, auch wenn Deutschland in den EU-Haushalt mehr einzahlt als es aus dem EU-Haushalt erhält.
Die aktuelle Null-Zins-Politik der EZB ist eine Folge der Finanzmarktcrashs in den Jahren 2008 und 2009, dessen Folgen immer noch nicht überwunden sind. Diese Politik ist leider erforderlich, um die Funktionsfähigkeit des Geldsystems aufrechtzuerhalten. Und diese Politik ist keine europäische Besonderheit. Auch die amerikanische Geldpolitik verhielt sich in den letzten Jahren sehr ähnlich wie die EZB.

Mit freundlichen Grüßen
Joachim Schuster