Frage an Joachim Schuster von Gerhard R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Schuster,
zu Ungarns Bildungsminister zur EU-Flüchtlingsquote "Was beschlossen ist, das ist unwirksam"
Ungarns Bildungsminister Zoltán Balog hält am Nein seiner Regierung zur Flüchtlingsquote fest. Der EU warf er vor, fast "fanatisch" an diesem Punkt festzuhalten. Auch Ungarn wolle dazu "beitragen, dass die EU gestärkt" werde, das müsse aber auf Augenhöhe und nicht nach dem Recht des Stärkeren geschehen, sagte er im Dlf.
http://www.deutschlandfunk.de/ungarns-bildungsminister-zur-eu-fluechtlingsquote-was.694.de.html?dram:article_id=406221
Gibt es eine Lösung, die von allen Mitgliedsstaaten akzeptiert wird und auch den Flüchtlingen hilft?
Mit freundlichen Grüßen
G. R.
Sehr geehrter Herr R.,
es gehört zu den zentralen politischen Aufgaben für 2018, eine solidarische Flüchtlingspolitik in der Europäischen Union durchzusetzen. Das heißt für mich neben der gemeinsamen Grenzsicherung, der energischen Bekämpfung von Fluchtursachen, der Eröffnung legaler Einwanderungsmöglichkeiten und einer Reform der Asylpolitik natürlich auch die Verteilung von Flüchtlinge auf alle Mitgliedstaaten. Leider weigern sich Ungarn und einige andere Staaten, die Umverteilung als gemeinsame Aufgabe anzunehmen. Dies ist für mich nicht akzeptabel, weil Aufgaben, die sinnvollerweise von der Europäischen Union koordiniert und organisiert werden sollten und eben nicht adäquat von den einzelnen Mitgliedstaaten erfüllt werden können, auch gemeinsam von allen geschultert werden müssen. Eine "Rosinenpicken" nach dem Motto "Ich bin nur da solidarisch, wo es mir passt." untergräbt die EU.
Die Argumentation, "Verabredungen müssten auf Augenhöhe getroffen werden und nicht nach dem Recht des Stärkeren" geht an der Realität vorbei. Im Kern geht es um eine andere Frage, nämlich inwieweit die EU eine humanitäre Flüchtlingspolitik verfolgt, oder ob wir eine Abschottung Europas betreiben wollen. Eine Abschottungspolitik halte ich unter humanitären Gesichtspunkten für nicht akzeptabel. Zudem wäre eine solche Politik angesichts der internationalen Problemlagen perspektivlos.
Der Weg zu einer solidarischen Flüchtlingspolitik wird sehr schwierig werden, weil die EU nicht über ausreichende Zwangsmittel verfügt, vertragsgemäß zustande gekommene Entscheidungen auch durchzusetzen, falls sich Mitgliedstaaten beharrlich weigern, ihren Verpflichtungen nachzukommen.
In diesem Zusammenhang ist zusätzlich problematisch, dass sich Ungarn (aber auch andere Staaten wie etwa Polen) zunehmend von Grundprinzipen der Europäische Union entfernen. Weder ist die Rechtstaatlichkeit noch die Meinungsfreiheit umfassend gewährleistet. Die EU wird hier Antworten finden müssen, auch wenn heute noch keiner weiß, wie diese aussehen werden. Insofern empfinde ich es auch als Hohn, wenn von ungarischer Seite propagiert wird, Ungarn wolle die EU stärken.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Schuster