Frage an Joachim Schuster von Bernhard B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Schuster,
ich schreibe Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Mitglied des Ausschusses für internationalen Handel des Europäischen Parlaments und mit Bezug auf Ihre Antwort vom 4.6.2015 auf die Frage von Georg Brandt zur Schiedsgerichtsbarkeit in TTIP.
Die EU-Kommissarin Cecilia Malmström unterbreitete im September 2015 Reformvorschläge zur Investitionsschiedsgerichtswesen, die in nicht geringem Maße auf die Bemühungen sozialdemokratischer Politiker zurückgehen. Im November folgte die Veröffentlichung eines Textvorschlag zum Kapitel Investitionsschutz und -schiedsgerichtswesen für die Verhandlungen in TTIP. Meine Fragen beziehen sich auf diesen Zusammenhang.
1. Was ist Ihre Haltung zur Ausgestaltung der Schutzstandards für Auslandsinvestitionen in den beiden erwähnten Dokumenten? Warum sind die Schutzstandards der fairen und gerechten Behandlung sowie der indirekten Enteignung erforderlich? Warum genügt nicht das Diskriminierungsverbot (wie beispielsweise in Ihrer Antwort an Herrn Brandt angesprochen)
2. Wie sehen Sie das Verhältnis von staatlicher Regulierungshoheit bzgl. Arbeitnehmerrechten, Umwelt-, Gesundheitsschutz u.ä. einerseits und der Schiedsgerichtsbarkeit zum Schutz von Auslandsinvestitionen andererseits in den o.g Dokumenten gelöst?
Müssen Veränderungen im Investitionskapitel des TTIP-Textvorschlages vorgenommen werden, damit Arbeits- und Umweltnormen gemäß den Forderungen der Resolution des Europäischen Parlamentes vom 8. Juli 2015 gebührende Anwendung finden (vgl.2. d) (ii)-(iv) )?
3. Das Handelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) liegt seit letztem Jahr in seiner konsolidierten Textversion vor. Erachten Sie es im Lichte der o.g. Vorschläge für notwendig, einzelne Kapitel in CETA neu zu verhandeln? Was sind die Beweggründe für Ihre bejahende oder ablehnende Haltung?
Über eine baldige Antwort würde ich mich freuen.
Mit freundlichem Gruß
B. B.
Sehr geehrter Herr B.,
in der Tat gehen die neuen Vorschläge der Kommission für ein Internationales Gerichtssystems auf das Wirken und Drängen der Sozialdemokratie zurück. Dennoch habe ich noch einige Fragen an das neue System ohne deren Beantwortung eine Bewertung des Systems für mich noch nicht möglich ist.
Dies betrifft die von Ihnen angesprochene "faire und gerechte Behandlung" sowie die "indirekte Enteignung". Es wird nämlich nicht deutlich, in welchem Verhältnis die Kommission diese Formulierungen zum ebenso postulierten Recht der Staaten auf Regulierung sieht. Wenn das Recht auf Regulierung vollumfänglich realisiert wird, würden die anderen Passagen sich nur auf Nicht-Diskriminierung bzw. Fälle beziehen können, in denen Investoren weitere, rechtmäßig zustande gekommene verbindliche Zusicherungen gegeben wurden, bei deren Verletzung dann eventuell Schadensersatzansprüche für Investoren entstehen. Das dazu Formulierungen in den Vertragstext aufgenommen werden, sehe ich nicht als großes Problem.
Anders sähe es aus, wenn die beiden Rechte ungeklärt nebeneinander gestellt werden. Dann wäre es aus meiner Sicht nämlich möglich, dass über die Passagen zur fairen und gerechten Behandlung letztlich doch das uneingeschränkte Recht der Staaten zur Regulierung ausgehöhlt werden könnte. Dies wäre für mich nicht akzeptabel. Wir haben daher als sozialdemokratische Abgeordnete im Handelsausschuss des EP hierzu Klärungsbedarf angemeldet.
Wenn das Recht auf Regulierung vollumfänglich gewahrt bleibt (nicht nur beim Investitionsschutz sondern auch bei der beabsichtigten regulatorischen Kooperation) wären aus meiner Sicht keine Änderungen erforderlich, um die arbeitsrechtlichen, umwelt- und verbraucherschutzpolitischen Standards abzusichern.
CETA beinhaltet das alte ISDS-System. Ohne substanzielle Veränderungen in diesem Kapitel ist CETA für mich nicht zustimmungsfähig.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Schuster