Frage an Joachim Poß von Hans-Jürgen S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Poß,
wie kommen Sie als Finanzexperte mit Realschulabschluß, gehobener Beamtenlaufbahn als Stadtinspektor, Geschäftsführer des Falkenbildungswerk - und Freizeitwerks NRW und Verwaltungsleiter beim Sozialistischen Bildungszentrum Haard dazu, den Steuerzahler mit 35 Mrd Euro in die Haftung zu nehmen?
Ich zitiere:
"Im Moment gibt es keine Alternative zur HRE-Rettung. Man musste sofort handeln. Das wurde gut begründet von der Bundesbank und der Bafin. Wir müssen uns aber fragen, ob die Interessen der Steuerzahler ausreichend berücksichtigt sind."
Und was, wenn nicht? Haften Sie persönlich für das Fehlverhalten der politischen Akteure? Wie kann es sein, dass die HRE für ihre irische Tochtergesellschaftdie DEPFA, die angeblich für die Schieflage verantwortlich ist, 5 Mrd Euro ausgegeben hat und der deutsche Steuerzahler in der Zeitung lesen kann, dass er mit 35 Mrd haftet?
Haben Bafin und Herr Axel Weber Ihre Aufsicht verpennt?
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Jürgen Scholl
Sehr geehrter Herr Scholl,
ich vermute, dass die mokante Einleitung Ihrer Frage durchaus bewusst gesetzt ist. Ich habe mir deshalb die Frage gestellt, ob ich auf Ihre tendenziöse"Fragestellung" überhaupt eingehen soll. Aber als Sozialdemokrat sehe ich mich der guten Tradition der Aufklärung verpflichtet. Deshalb vorab mein Ratschlag an Sie: Sie sollten Ihr Wissen bzw. Ihre Einstellung hinsichtlich der parlamentarischen Demokratie bei Gelegenheit einmal einer kritischen Prüfung unterziehen. Um Ihnen mit einer an die Hand gegebenen Leitfrage diese Übung zu erleichtern: Welchen Lebenslauf muss denn Ihrer Meinung nach ein Mensch mitbringen, damit die Bevölkerung das Recht hat, ihn als Vertreter ins Parlament zu wählen?
Um nach Ihrem demokratietheoretischen Verständnis nun auch Ihrem Wissen um die Folgen der Finanzmarktkrise auf die Beine zu helfen: Was die Rettung der HRE anbelangt, so zitieren Sie ja bereits die Begründung dafür in Ihrer Frage. Ein Zusammenbruch der HRE hätte unweigerlich einen Zusammenbruch der Finanzmärkte nach sich gezogen.
Da bei der Stützung der HRE die selben Überlegungen die Grundlage bildeten, wie bei der jetzt beschlossenen systematischen Stabilisierung der Finanzmärkte, gebe ich Ihnen gerne unsere Grundüberlegungen in diesem größeren Kontext mit an die Hand. Denn wer sich sachlich mit den geplanten Maßnahmen auseinandersetzt, wird folgendes feststellen:
1.
In zahlreichen Berichten wird der Eindruck erweckt, die Bundesregierung stelle den Banken 500 Mrd. Euro "frei Haus" zur Verfügung. Das ist nicht richtig! Richtig ist vielmehr, dass Bundestag und Bundesregierung mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz einen Fonds gründen werden. Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, den Banken im Notfall "unter die Arme" greifen zu können, um das Bankensystem vor dem Zusammenbruch bewahren zu können.
Um es erst gar nicht soweit kommen zu lassen, wird dieser Fonds Garantien für Kredite abgeben, die sich die Banken gegenseitig zur Verfügung stellen. Das Volumen dieser Garantien -- für deren Inanspruchnahme die Banken übrigens eine Gebühr entrichten müssen -- beläuft sich auf maximal 400 Mrd. Euro.
Mit weiteren maximal 70 Mrd. Euro kann der Fonds bei Bedarf notleidenden Banken direkt helfen. Damit kann er insbesondere frisches Eigenkapital zur Verfügung stellen. Im Gegenzug dazu erhält er Anteile, die er langfristig wieder veräußern kann.
Die Summe für die Garantien und die direkten Hilfen sind so gewählt, dass sie unter heutigen Annahmen ausreichend sein sollten, um die gewünschte Stabilisierung zu gewährleisten. Aber natürlich kann niemand sicher wissen, wie sich die Krise weiter entwickelt. Genau davon hängt aber ab, wie viel diese Rettungsaktion die öffentlichen Hände am Ende tatsächlich kosten wird. Es ist sogar denkbar, dass im Laufe der Zeit die Einnahmen des Fonds (aus den Gebühren für die Garantien sowie den Erlösen für die zuvor erworbenen Beteiligungen) die Ausgaben ausgleichen und somit gar kein Defizit entsteht. Genau das war bei einer vergleichbar angelegten Bankenkrise in Schweden vor einigen Jahren der Fall.
2.
Oftmals wird so getan, als ginge es hier einzig und allein um die Rettung von Banken. Das ist falsch! Es geht nicht darum, einzelne Banken zu retten, sondern einen kompletten Zusammenbruch des gesamten Bankensektors zu verhindern. Ein solcher Zusammenbruch hätte nämlich auch die Realwirtschaft mit in den Abgrund gerissen! Die Folgen wären für jeden einzelnen Bürger dramatisch gewesen: Abbau von Arbeitsplätzen, Verlust von Ausbildungsplätzen, Verlust von Sparguthaben und privater Altersvorsorge, wirtschaftlicher Stillstand bzw. Rezession. Auch die Auswirkungen auf die Stabilität und Werthaltigkeit unserer Währung wären unkalkulierbar gewesen. Wer die Stützung des Bankensektors aus Prinzip ablehnt, sollte sich darüber Gedanken machen, warum sich alle im Bundestag vertretenen Parteien -- inklusive der Oppositionsparteien von den Grünen bis zur Linkspartei -- prinzipiell für ein Eingreifen des Staates aussprechen.
3.
Teilweise wird der Eindruck erweckt, die zur Verfügung gestellten Garantien würden den Banken und den in den Banken Verantwortlichen ein schlichtes "weiter so" ermöglichen! Richtig dagegen ist, dass Banken, die um staatliche Garantien bzw. Unterstützung nachsuchen, sich mit erheblichen Auflagen bzw. Vorbedingungen konfrontiert sehen werden. Dazu zählen u. a.: Einschnitte bzw. Restriktionen bei den Managervergütungen, Überprüfung der geschäftspolitischen Ausrichtung etc.
Fazit: Das Maßnahmenpaket hat - ebenso wie die Rettung der HRE - eine Zielrichtung, die eigentlich niemand guten Gewissens ablehnen kann: Es soll verhindert werden, dass die Finanzmarktkrise zu einem Zusammenbruch des gesamten Bankensystems führt.
Denn ein solcher Zusammenbruch würde letztendlich mit seinen Auswirkungen auf die Realwirtschaft alle Bürgerinnen und Bürger hart treffen.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Poß