Frage an Joachim Poß von Joe B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Herr Poss,
waehrend ihrer Reise durch die Ukraine waren Sie auch in Donezk.
[ http://www.radioemscherlippe.de/emscher-lippe/lokalnachrichten/lokalnachrichten/archive/2014/04/16/article/der-gelsenkirchener-bundestagsabgeordnete-joachim-poss-kommt-heute-aus-der-ukraine-zurueck.html ]
Ältere Menschen in Donezk können sich noch erinnern, dass die Stadt vom 28. Oktober 1941 bis zum 5. September 1943 von den Deutschen besetzt war. Als die Wehrmacht die Stadt verließ, war sie völlig zerstört. Mehr als 60.000 ihrer Bewohner überlebten den Besuch der Deutschen nicht. Unter ihnen waren 17.000 russische Juden. Gern und oft wird angesichts deutscher Verbrechen an die besondere Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel erinnert. Verspueren Sie auch eine besondere Verantwortung gegenüber den Menschen in Donezk oder halten Sie eine Truppenstationierung der NATO (Polens Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak hat angekündigt, dass demnächst US-Bodentruppen in sein Land verlegt werden sollen) und Sanktionen gegen Russland fuer ein geeignetes Mittel?
Insgesamt sind 19.6 Millionen Russen den deutschen Grossmachtstraeumen damals zum Opfer gefallen ( http://de.wikipedia.org/wiki/Kriegstote_des_Zweiten_Weltkrieges )
Ich freue mich auf eine aussagekraeftige Antwort von Ihnen.
Mit freundlichem Gruss
Joachim Bildstein
Sehr geehrter Herr Bildstein,
ich stimme mit Ihnen darin überein, dass Deutschland gegenüber den Ländern Ostmittel- und Osteuropas eine besondere historische Verantwortung trägt, weil diese Staaten unter der Besetzung durch das nationalsozialistische Deutschland, der Plünderung ihrer Ressourcen und der Unterdrückung und Ermordung ihrer Bevölkerung besonders zu leiden hatten. Dies betrifft Russland und die Ukraine als Nachfolgestaaten der Sowjetunion gleichermaßen.
Die Konfrontation zwischen verschiedenen Akteuren und Bevölkerungsgruppen innerhalb der Ukraine, die durch externe Einflüsse weiter befeuert wird, muss die deutsche Außenpolitik deshalb mit großer Umsicht und Sorgfalt und im engen Dialog mit den europäischen Partnern behandeln.
Ich halte jeden Schritt, der zu weiterer Eskalation und militärischen Bedrohungsszenarien führt, für falsch. Dazu zählt unter den jetzigen Rahmenbedingungen auch eine Stationierung von NATO-Truppen auf dem Staatsgebiet der Ukraine.
Ich halte wirtschaftliche und finanzielle Sanktionen gegenüber dem russischen Staat, politischen, wirtschaftlichen und militärischen russischen Eliten und russischen Unternehmen demgegenüber für ein geeignetes Mittel. Die russische Politik einer offensichtlichen materiellen und personellen Unterstützung gewalttätiger Separatisten bis hin zur Lieferung schweren Kriegsgeräts an diese irregulären Kämpfer hat dazu beigetragen, die Lage in der Ostukraine fortlaufend zu verschlimmern. Die europäischen Staaten müssen Russland deutlich machen, dass dieses Handeln zu einem Bruch der russisch-europäischen Partnerschaft führt und auch für Russland schmerzhafte wirtschaftliche Konsequenzen hat. Der russische Präsident Wladimir Putin hat es dabei jederzeit in der Hand, diese Sanktionen durch einen Wechsel seiner Politik zu beenden, indem er sich konstruktiv und nachhaltig für eine Deeskalation in der Ostukraine einsetzt.
Mit freundlichen Grüßen,
Joachim Poß