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Frage von Olav H. •

Frage an Joachim Poß von Olav H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Poß,

am 28. Januar werden auch Sie über die Verlängerung des Mandats der Bundeswehr in Afghanistan entscheiden.

Ich glaube, die ablehnende Haltung des Großteils der bundesdeutschen Bevölkerung gegenüber diesem Einsatz kann man als gegeben annehmen - jedenfalls ist in allen Umfragen, die ich kenne, von einer überwältgenden Mehrheit gegen den Bundeswehreinsatz die Rede.

Es verwundert mich schon seit geraumer Zeit, wie diese schon lange bestehende Tatsache durch die Volksvertreter ignoriert wird; auf jeden Fall findet sie keinen Eingang in die Beschlüsse des Bundestages.

Wie sehen Sie eine Mandatsverlängerung gerechtfertigt, wenn eine große Mehrheit der Bevölkerung genau das Gegenteil wünscht - in einer Demokratie müsste man doch erwarten, das die politisch verantwortlichen Mandatsträger sich stärker dem Willen des Souveräns, d.h. eben des deustchen volkes, verpflichtet fühlt?

Langsam meine ich mehr und mehr Wahrheit in den Theorien von Niklas Luhmann zu erkennen, nach denen selbst Wahlen den Bürgern in erster Linie das Gefühl der Beteiligung suggerieren, um sie aus den tatsächlichen Entscheidungen gerade heraus halten zu können. Ihm zufolge erlaubt dieses System dem Bürger allenfalls einen "Mechanismus symbolischer Indentifikation auf Distanz" - durchaus plausibel, meine ich.

Sehen Sie sich, als Mandatsträger dieser Demokratie, dem Mehrheitswillen der Bevölkerung (jenseits aller Parteiengrenzen) in einer Form verpflichtet, die Sie persönlich dazu bringen wird, gegen eine Mandatsverlängerung zu stimmen?

Wenn nicht - wie rechtfertigen Sie Ihre Stimme für die Mandatsverlängerung?

Ich hoffe, Sie verstehen, wie sehr mich, der ich mich als Demokrat verstehe, diese Fragen beschäftigen.

Mit freundlichem Gruß aus Gelsenkirchen,

Olav Heinemann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Heinemann,

nach meiner Überzeugung, würde ich meiner Aufgabe nicht gerecht werden, wenn ich bei schwierigen Entscheidungen einfach im Sinne eines imperativen Mandats die Ergebnisse von Meinungsumfragen weitergebe. Letztendlich werden bei Meinungsumfragen aus der Fülle an denkbaren Möglichkeiten im Regelfall auch immer nur zwei Szenarien abgefragt. Gerade die schwierige und komplexe Entscheidung im Zusammenhang mit dem Afghanistanmandat macht deutlich, dass es mit einem schlichten dafür bzw. dagegen oftmals nicht getan ist. Wir Sozialdemokraten haben unsere Zustimmung zur Fortsetzung des Mandats an mehrere Bedingungen geknüpft: Dazu gehört neben dem Enddatum 2014 für die Beteiligung internationaler Truppen an Kampfhandlungen in Afghanistan auch ein klarer Zeitplan ab 2011 für die konkreten Schritte der Übergabe der Sicherheitsverantwortung in den jeweiligen Städten, Distrikten und Provinzen. Dieser Zeitplan muss zur entscheidenden Grundlage für die Planungen sowohl in der Ausbildung und Qualifizierung der afghanischen Sicherheitskräfte als auch des internationalen zivilen und militärischen Einsatzes werden. Der Druck dieses Zeitplans muss auch dazu beitragen, die unterschiedlichen Gruppen und Ethnien in Afghanistan zur Zusammenarbeit zu bewegen. Auf der Grundlage der Erfahrungen der kommenden Monate muss dieser Zeitplan spätestens Ende des Jahres 2011 vorliegen und schrittweise umgesetzt werden.

Unsere Zustimmung zur Neu-Mandatierung erfolgt für maximal zwölf Monate. Sie ist verbunden mit dem klaren Auftrag, den eingeleiteten Strategiewechsel, der eine verantwortbare Abzugsperspektive öffnet, konsequent umzusetzen. Während der kommenden zwölf Monate wird die SPD-Bundestagsfraktion sorgfältig darauf achten, ob die Bundesregierung ihre gemachten Zusagen einhält. Dies gilt insbesondere für die notwendige Übergabe beruhigter Regionen in afghanische Verantwortung und weitere Vorbereitungen für die jetzt auch von der Bundesregierung für 2011 in Aussicht gestellte Truppenreduzierung in Afghanistan.

Ob hier Wort gehalten wird, ist eine Frage der Glaubwürdigkeit und des Verhältnisses von Parlament und Regierung im Umgang mit dem schwierigen Thema der Auslandseinsätze und wird nicht nur mit Blick auf künftige ISAF-Mandate, sondern bei allen künftigen Mandatsentscheidungen eine entscheidende Rolle spielen.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Poß