Frage an Joachim Poß von Klaus L. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Poß,
Ende Juni 09 wurde das "Gesetz zur Angemesenheit der Vorstandsvergütung" vom Bundestag verabschiedet.
Für die SPD haben Sie als Leiter einer Arbeitsgruppe seit Dez. 2007 das Gesetz vorbereitet.
Ein Punkt daraus, die Haftungsregelung für Manager, der zunächst wie eine massive Verschärfung aussah, erweist sich nun praktisch als wirkungslos.
Das ARD-Magazin Kontraste vom 17.09.09 titelt:
"Wahlkampf mit wirkungslosem Gesetz - Manager mit beschränkter Haftung"
Folgende Hinweise und Zitate stammen aus dem Kontraste-Bericht:
Der vom Gesetz vorgesehene Selbstbehalt der Manager bei einer Schadenersatzforderung gegen ihn läßt sich gegen eine geringe Gebühr auf eine Versicherung abwälzen. Z.B. kostet eine Absicherung von 250.000 Euro den Manager die läppische Summe von 629 Euro pro Jahr.
Dem Gesetzgeber war diese Möglichkeit, die sich im übrigen nicht verbieten läßt (Vertragsfreiheit), von vorneherein bekannt.
Justizministerin Zypries sagt in dem Bericht dazu: "Natürlich muss man sich versichern können."
Die Stellungnahme von Herrn Trittin (Grüne) lautet: "Die Manager- und Bankenlobby hat gegrinst... "
Prof. Schwintkowski urteilt wie folgt: "Das Gesetz ist über weite Strecken dem Wahlkampf geschuldet...und weitgehend inhaltsleer."
Soweit der Kontraste-Bericht.
Können Sie verstehen, dass Wähler/innen, die eine tatsächliche Verschärfung erwartet hatten, nun maßlos von der SPD enttäuscht sind ?
Warum besitzt man nicht den Mut, der Bevölkerung zu sagen: Wir können an dieser Stelle nichts Wirkungsvolles leisten ?
Schließlich sichern sich andere Berufsgruppen wie Rechtsanwälte, Notare oder Steuerberater in der gleichen Weise gegen mögliche Schadenersatzansprüche ab.
War Ihnen tatsächlich nicht klar, dass Sie gegen das Gleichheitsprinzip verstoßen, das Sie ansonsten sicherlich befürworten ?
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Link
Sehr geehrter Herr Link,
das im Sommer verabschiedete Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütungen folgt insgesamt einer klaren Linie: Vergütungs- und auch Fragen der Vorstandshaftung sind zuvorderst Angelegenheiten des mitbestimmten Aufsichtsrats.
Dieser steht künftig in seiner Gesamtheit in der Pflicht und Verantwortung, im jeweils gegebenen Rahmen seines Unternehmens für die Umsetzung und Befolgung der vom Gesetzgeber klar gemachten Kriterien einer angemessenen Vergütung - und auch Haftung - zu sorgen. Ganz bewusst hat der Gesetzgeber, so wie es die SPD vorher bereits in ihren Vorschlägen konzipiert hatte, den Aufsichtsrat nicht entmündigt und an die Stelle seiner Entscheidungen starre Grenzen oder Verbote gesetzt.
So liegt es jetzt in der Hand der Aufsichtsräte, die Vorgaben des neuen Gesetzes mit Leben zu erfüllen. Sie müssen dafür sorgen, dass variable Vergütungen nicht mehr kurzfristig, sondern nur noch für mehrjährige Bezugszeiträume gewährt werden, dass überhöhte Gehälter und Pensionsansprüche zurückgefordert werden, wenn sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens verschlechtert usw..
Und die Aufsichtsräte haben es auch in der Hand, die Bestimmung zum Selbstbehalt bei der Managerhaftpflicht mit Leben zu erfüllen. Sie können zum Bestandteil des Anstellungsvertrages ihrer Vorstandsmitglieder eine Klausel machen, die ein „Wegversichern“ des vom Gesetzgeber geforderten Selbstbehalts für unstatthaft erklärt und somit zwar nicht gesetzlich, wohl aber vertraglich ausschließt. Solche Klauseln gibt es bereits in einigen Unternehmen, die - anders als die meisten Dax-Konzerne bisher - den bereits seit einiger Zeit vom Deutschen Corporate Governance Kodex geforderten Selbstbehalt wirklich Ernst genommen haben.
Verzichtet ein Aufsichtsrat auf eine entsprechende Klausel, geht er in Zukunft auch ein nicht unerhebliches eigenes Risiko ein: Sollte es infolge von Fehlverhalten des Vorstands zu Schäden am Vermögen der Gesellschaft und damit auch der Anteilseigner kommen, müsste er damit rechnen, von letzteren ggf. selbst in Haftung genommen zu werden. Diese könnten vor Gericht darauf verweisen, dass bei Durchsetzung des vom Gesetzgebers vorgesehenen Selbstbehalts der Vorstand möglicherweise erheblich risikobewußter gehandelt hätten. Im Übrigen ist auch zu beachten, dass das Gesetz nur eine Untergrenze für den Selbstbehalt festgelegt hat, das Unternehmen seinen Vorständen natürlich aber eine schärfere Haftung auferlegen kann - was sich natürlich auch sofort in der Höhe der Prämien für den ggf. privat zu deckenden Restbetrag auswirken würde. Auch über dieses Element haben die Aufsichtsräte in Zukunft also die Möglichkeit, den Haftungsumfang ihrer Vorstände besser zu steuern. Für die Selbstbehaltsregelung hat das Gesetz eine Übergangsfrist vorgesehen, da die bestehenden Versicherungsverträge entsprechend geändert werden müssen. Hier ist es also viel zu früh, um jetzt schon eine Bewertung der Wirksamkeit der neuen gesetzlichen Regelung vorzunehmen. Hinsichtlich der bereits in Kraft getretenen Teile des Gesetzes gibt es bereits Anzeichen für deren Wirksamkeit: So hat der Chip-Hersteller Infineon für den Herbst eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung angekündigt, auf der im Lichte der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Firma einer Überprüfung und ggf. Korrektur der Vergütung sämtlicher aktuellen Vorstandsmitglieder sowie die Kürzung von Versorgungszusagen an ehemalige Vorstände auf der Tagesordnung stehen sollen. Der Aufsichtsratsvorsitzende von Infineon hat dies ausdrücklich mit der neuen Gesetzeslage begründet, die den Aufsichtsrat zum Handeln zwänge und sich überzeugt geäußert, dass weitere Unternehmen diesem Vorbild in Kürze folgen würden.
Klares Fazit: Das Gesetz beginnt zu greifen! Das bedeutet für uns Sozialdemokraten aber nicht, dass wir mit den jetzigen Regeln schon zufrieden wären. Wir werden uns auch in der nächsten Legislaturperiode für weitere wirksame Beschränkungen für die Managervergütung einsetzen, etwa für die von der Union bisher noch abgelehnte Beschränkung des steuerlichen Betriebsausgabenabzugs für überzogene Vorstandsbezüge und-abfindungen.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Poß