Frage an Joachim Pfeiffer von Nick B.
Sehr geehrter Herr Pfeiffer,
der Bundestag berät derzeit die geplanten Gesetzesänderungen zur Regelung der Fracking-Technik in Deutschland. Die Regelungen sind nicht nur in der Bevölkerung, sondern - wie man der Presse entnehmen kann - auch in den Bundestagsfraktionen und CDU, CSU und SPD stark umstritten. Als Mitglied des für Teile des Gesetzespakets zuständigen Wirtschaftsausschusses im Deutschen Bundestag bitte ich Sie daher um Ihre Einschätzung zum Gesetzesentwurf und um Beantwortung meiner Fragen:
1) Sind Sie dafür den Einsatz der Fracking-Technik in Deutschland zur Gewinnung von Erdgas und Erdöl zu erlauben? Wenn ja, warum?
2) Der Gesetzesentwurf sieht die Einberufung einer Expertenkommission zur Begleitung von Probevorhaben vor. Diese könnte letztlich aber auch kommerzielle Fracking-Maßnahmen oberhalb von 3000 Metern Tiefe ermöglichen. Sind Sie für die Einführung einer solchen Expertenkommission? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?
3) Der Gesetzesentwurf sieht vor, Fracking in Kohleflöz- und Schiefergestein bis zu einer Tiefe von 3000 Metern zu verbieten. Wie stehen Sie zu dieser Grenzziehung?
4) Sind Sie für die Einführung eines wasserrechtlichen Besorgnisgrundsatzes als zentrale Zulassungsvoraussetzung für Fracking-Maßnahmen in § 13a WHG und wenn nein, warum nicht?
5) Wie viele Erprobungsvorhaben sind in Deutschland für die Fracking-Vorhaben notwendig und wo sollten sie durchgeführt werden? Bitte begründen Sie Ihre Antworten.
Vielen Dank für Ihre Antworten!
Sehr geehrter Herr Büscher,
vielen Dank für Ihre Nachricht zur Erdgasförderung und der Anwendung der Fracking-Technologie. Gerne nutze ich die Gelegenheit und lege Ihnen meine Position, meine Beweggründe sowie den aktuellen Sachstand zu diesen Themen dar.
Mit der Thematik Fracking habe ich mich intensiv beschäftigt und mir durch zahlreiche Gespräche mit Fachleuten sowie durch die Lektüre vieler Gutachten umfassende Kenntnisse zu diesem Thema erarbeitet. Zudem war ich in den USA und habe mich dort intensiv mit der Technik und der Thematik auseinandergesetzt und mir zudem ein Bild von den Bohrungen vor Ort gemacht. Auf dieser Basis habe ich die Argumente, die für und gegen das Verfahren der Hydraulischen Frakturierung sprechen, sorgfältig abgewogen und mir meine Meinung gebildet. Auf Basis dieser Abwägung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass das Verfahren der Hydraulischen Frakturierung auch in Deutschland möglich sein muss, wenn die strengen Umweltanforderungen hierzulande erfüllt werden und schädliche Auswirkungen auf Umwelt und Trinkwasser im Einzelfall ausgeschlossen werden können.
Dafür sprechen gute Gründe. Die Erdgasgewinnung unter Anwendung der Hydraulischen Frakturierung kann einen erheblichen Beitrag auf dem Weg zu regenerativen Energien und zur Reduktion von Treibhausgasemissionen leisten. So hat sich der CO2-Ausstoß in der US-amerikanischen Energiewirtschaft aufgrund des verstärkten Einsatzes von Gaskraftwerken allein in 2012 um 200 Mio. t CO2 reduziert. Mit einem geschätzten Vorkommen von bis zu 2.300 Milliarden Kubikmetern, liegen die Schiefergasreserven in Deutschland deutlich über den konventionellen Reserven (ca. 150 Milliarden Kubikmeter). Laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) könnte Schiefergas den derzeitigen jährlichen Gasverbrauch Deutschlands für 13 Jahre decken. Dies ist deswegen von besonderer energiepolitischer Relevanz, weil Deutschland noch Jahrzehnte lang auf fossile Energieträger angewiesen sein wird – trotz des mengenmäßig erfolgreichen Ausbaus der erneuerbaren Energien. Regenerative und konventionelle Energieträger sind dabei keine Gegenspieler, sondern Partner. Wenn die Sonne nicht scheint und kein Wind weht, müssen konventionelle Kraftwerke die Stromversorgung sicherstellen. Aufgrund seiner guten Klimabilanz und der Flexibilität von Gaskraftwerken spielt Erdgas dabei eine entscheidende Rolle. Selbstverständlich kommt aufgrund dieser Faktenlage auch der heimischen Förderung von Erdgas – und damit der hydraulischen Frakturierung – eine entscheidende Rolle für die Sicherung der Energieversorgung zu. Ohne heimische Gasförderung wäre die Bundesrepublik zu einhundert Prozent abhängig von Importen. Und ohne die Anwendung der hydraulischen Frakturierung kommt es bereits in naher Zukunft dazu, dass die Erdgasförderung in Deutschland unwirtschaftlich wird – dies gilt insbesondere für die Gasförderung im konventionellen Bereich. Der moderate Einsatz der Fracking-Technologie kann zumindest den Rückgang an konventionellen Reserven kompensieren und damit einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgungssicherheit und zum Klimaschutz in Deutschland leisten.
Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion gilt, dass es beim Schutz der Gesundheit der Menschen, der Umwelt und des Trinkwassers keine Kompromisse geben darf. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD stellt daher zum Einsatz der Fracking-Technologie klar, dass der Schutz von Trinkwasser und Gesundheit absoluten Vorrang hat. Zudem haben wir dort vereinbart, dass umwelttoxische Substanzen bei der Anwendung der Fracking-Technologie zur Aufsuchung und Gewinnung unkonventioneller Erdgaslagerstätten nicht zum Einsatz kommen dürfen.
Zur Umsetzung dieser Vorgaben hat die Bundesregierung im April 2015 ein Paket von Gesetz- und Verordnungsentwürfen vorgelegt. Geplant sind unter anderem Änderungen des Wasserhaushaltsgesetzes und des Bergrechts. Der Deutsche Bundestag wird sich in Kürze mit den vorgeschlagenen Regelungen im parlamentarischen Verfahren beschäftigen. Eine abschließende Entscheidung ist noch vor der politischen Sommerpause geplant.
Tatsache ist: Die Fracking-Technologie ist ein in der konventionellen Gasförderung in Deutschland seit Anfang der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bewährtes Verfahren und steht derzeit für rund ein Drittel der heimischen Erdgasförderung.
Die vorliegenden Regelungsentwürfe verschärfen die bestehenden, bereits sehr strengen Umwelt- und Wasserschutzvorgaben bei der Anwendung der Fracking-Technologie nochmals erheblich. Ziel ist ein noch besserer Schutz von Gesundheit, Umwelt und Wasser. Lassen Sie mich hierzu einige Punkte stichwortartig nennen:
- Fracking jeglicher Art soll in sensiblen Gebieten wie Wasserschutz- und Heilquellenschutz sowie an Seen und Talsperren zur Trinkwassergewinnung vollständig verboten sein. Die Länder sollen darüber hinaus an weiteren sensiblen Trinkwasserentnahmestellen Verbote erlassen können, zum Beispiel zum Schutz von privaten Mineral- und Brauereibrunnen. In Nationalparks- und Naturschutzgebieten wird die Errichtung von Anlagen zum Einsatz der Fracking-Technologie untersagt.
- Für jede Form von Fracking wird künftig eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung verpflichtend eingeführt. Die zuständigen Bergbehörden müssen bei einer möglichen Zulassung stets das Einvernehmen mit den Wasserbehörden herstellen. Damit haben die Wasserbehörden künftig faktisch ein Vetorecht.
- Die eingesetzten Fracking-Gemische dürfen laut Regierungsbeschluss im Bereich des konventionellen Fracking „nicht wassergefährdend“ oder allenfalls „schwach wassergefährdend“ sein. Die eingesetzten Stoffe müssen zudem umfassend offengelegt werden. Im gesamten Prozess sind weitere strenge und umfassende Sicherheitsauflagen zu erfüllen (u.a. Erstellung Ausgangszustandsbericht, Grund- und Oberflächenüberwachung, Überwachung des Lagerstättenwassers, der Rückflüsse und der Bohrlochintegrität etc.).
- Beim Umgang mit Rückfluss und Lagerstättenwasser wird vollumfänglich der Stand der Technik vorgeschrieben. Auch hier ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung verbindlich durchzuführen.
- Zudem wird das Bergschadensrecht verschärft. So wird beispielsweise die Beweislast für mögliche Bergschäden den Unternehmen auferlegt.
Anders als bei der o.g. konventionellen Gasförderung gibt es in Deutschland noch keine Erfahrungen mit der Gasförderung in so genannten unkonventionellen Lagerstätten, also in Schiefer- und Kohleflözgestein. Klar ist: Zum jetzigen Zeitpunkt und mit dem derzeitigen Wissensstand wird es kein kommerzielles unkonventionelles Fracking in Deutschland geben.
Die Gesetzentwürfe der Bundesregierung sehen für Schiefer- und Kohleflözgestein oberhalb 3.000 Metern Tiefe ein generelles Frackingverbot vor. Lediglich wissenschaftlich begleitete und überwachte Probebohrungen sind unter strengsten Umweltanforderungen möglich, um die Auswirkungen von Maßnahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich erforschen zu können. Nach 2018 können in Ausnahmefällen Fördergenehmigungen erteilt werden. Die Voraussetzungen hierfür sind jedoch äußerst streng gefasst:
- eine unabhängige Expertenkommission aus sechs Mitgliedern (davon drei Umweltinstitute) muss den beantragten Einsatz der Fracking-Technologie in der jeweiligen geologischen Formation mehrheitlich als grundsätzlich unbedenklich einstufen,
- die verwendeten Fracking-Gemische müssen als nicht wassergefährdend eingestuft werden
- alle sonstigen umfassenden öffentlich-rechtlichen Zulassungsvoraussetzungen (d.h. insbesondere zum Wasser-, Boden- und Umweltschutz) müssen vorliegen.
Sie hatten nach meiner Meinung zur Expertenkommission gefragt. Ich halte die Einsetzung einer unabhängigen Expertenkommission zur wissenschaftlichen Begleitung von Probebohrungen für zielführend. Zum Zwecke der Forschung wird hier – zusätzlich zu den strengen bergrechtlichen Vorgaben und im Vorfeld der eigentlichen Genehmigungsverfahren – noch eine wissenschaftliche Instanz zu Rate gezogen. Die endgültige Entscheidung über die Genehmigung liegt ausschließlich bei den zuständigen Bergbau- und Wasserbehörden der Länder. Diese sind also an das Votum der o.g. unabhängigen Expertenkommission nicht gebunden. Die Expertenkommission kann also höchstens den Weg für ein sorgfältiges und konkretes Genehmigungsverfahren öffnen – aber ohne die Genehmigung der zuständigen Berg- und Wasserbehörden der Länder geht nichts!
Sollte eine Fracking-Maßnahme unter all diesen Voraussetzungen genehmigt werden, so gelten die oben im Bereich der konventionellen Erdgasförderung genannten Auflagen vollumfänglich. Insgesamt sind die vorgesehenen Umwelt- und Trinkwasserschutzmaßnahmen also sehr weitreichend.
Im anstehenden Gesetzgebungsverfahren werden wir die Vorschläge der Bunderegierung intensiv prüfen und beraten. Dazu zählen auch die von Ihnen angesprochene Grenzziehung bei 3.000 Metern sowie die Anzahl an Erprobungsmaßnahmen. Die von Ihnen angesprochene Ausweitung des wasserrechtlichen Besorgnisgrundsatzes als zentrale Zulassungsvoraussetzung für Fracking-Maßnahmen halte ich nicht für erfolgversprechend. Vielmehr sollte der bisherige Ansatz beibehalten werden und stoffbezogene Anforderungen weiterhin als zentrale Zulassungsvoraussetzung für Fracking-Maßnahmen gelten. In Kombination mit den strengen Vorgaben zum Gebietsschutz sind die strengen Anforderungen an die zu verwendenden Stoffe ein zielführender Ansatz für einen angemessenen Trinkwasserschutz.
Der Schutz von Gesundheit, Umwelt und Trinkwasser bleibt bei den weiteren Beratungen erstes Gebot. Gleichzeitig muss der gesetzliche Rahmen schon aus verfassungsrechtlichen Gründen einen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn offen halten sowie die seit Jahrzehnten praktizierte konventionelle Erdgasförderung in Deutschland auch weiterhin ermöglichen. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf bestehende Ängste und Vorbehalte gegenüber der Fracking-Technologie ist eine Versachlichung der Debatte erforderlich. Es ist deshalb richtig und zielführend, dass die Bundesregierung in ihren Entwürfen Wissenschaft und Forschung eine zentrale Stellung einräumt.
Klar ist, dass eine kategorische Blockadehaltung gegenüber zukunftsweisenden Technologien die Energiewende keinen Schritt weiter bringt. Deutschland als energierohstoffarmes Industrieland ist auf Innovationen angewiesen. Technologiefeindlichkeit kann sich Deutschland unter keinen Umständen leisten. Wir können nicht aus allen Technologien aussteigen. Das sind Luftschlösser. Statt einer neuen Welle von Aussteigeritis ist es unumgänglich, die heimischen Rohstoffpotenziale zu nutzen - unter strengsten Umweltanforderungen, aber auch ohne ideologische Scheuklappen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Joachim Pfeiffer