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Joachim Pfeiffer
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Frage von Andreas R. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Andreas R. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Dr. Pfeiffer,

ich zitiere aus Spiegel Online vom 07.8.2010, 17:18:

"Joachim Pfeiffer, der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, attackiert Röttgen im SPIEGEL: "Röttgen sollte anerkennen, dass die Mehrheit in Partei und Fraktion Kernkraft für eine längere Zeit als er für absolut nötig hält, um eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten."

Was steckt dahinter, den Willen einer angeblichen Mehrheit einer aktuell 36%-Koalition für eine Entscheidung maßgebend zu machen, die absehbar alle nachfolgenden Generationen schwer belasten wird?

Zum einen durch die ungelöste Atommüllfrage, wohin mit dem Zeug? Diese wird insbesondere schwierig zu beantworten, da die süddeutschen Bundesländer zwar gerne Dreck machen, diesen dann aber nach Norden abschieben wollen und sich standhaft weigern, die Frage geeigneter süddeutscher Standorte für die Endlagerung auch nur zu diskutieren. Warum wird kein möglicherweise geeigneter Standort in Süddeutschland untersucht? Bitte antworten Sie nicht damit, dass in Gorleben schon Milliarden geflossen sind. Man lernt in jedem Managementseminar, dass Sunk Costs nicht zur Grundlage für Entscheidungen für die Zukunft gemacht werden dürfen.

Zum anderen durch den wahrscheinlich verzögerten Ausbau alternativer Energien, da Atomkraft konkurrenzlos billig ist, da für die Entsorgungskosten der Steuerzahler aufkommt. Das Energieoligopol behält, auch bei einer zusätzlichen Schamsteuer, die Profite. Glauben Sie, dass weiter in hohem Ausmaß in Alternativen investiert sind, wenn die Großlieferanten die Preise beliebig steuern können?

Die Frage, die ich mir in diesem Zusammenhang immer stelle und die Sie sicherlich beantworten können: Ist es für möglich, dass manche Entscheidungen pro Oligopol auf Basis oder mit Hilfe dieser Profite gefällt werden ? Oder halten Sie dies für ausgeschlossen ? Was meinen Sie dazu?

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Rövekamp

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Rövekamp,

gerne erläutere ich Ihnen, warum sich die Union für eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke einsetzt und beantworte Ihre Fragen zum Thema Endlager.

Verbraucher und Unternehmen in Deutschland sind auf eine saubere, sichere und bezahlbare Energieversorgung angewiesen. Zwar hat der Anteil der regenerativen Energien in den vergangenen Jahren erfreulicherweise deutlich zugenommen, aber nach wie vor wird der gesamte Grundlastbedarf an Strom in Deutschland zu 46 Prozent über die 17 deutschen Kernkraftwerke gedeckt. Die Kernenergie ist nicht das Problem, sondern Teil der Lösung. Kernenergie und Erneuerbare sind zwei Seiten einer Medaille. Ein ausgewogener, technologieoffener und marktorientierter Energiemix stärkt die Unabhängigkeit von einzelnen Energieträgern, verringert die Anfälligkeit für Preisschwankungen und hilft die Klimaziele zu erreichen. Ziel ist es, die konventionellen Energieträger in einem dynamischen Energiemix nach und nach durch alternative Energien zu ersetzen. Auf konventionelle Energieträger wie Kernenergie, Kohle und Erdgas können wir solange nicht verzichten, bis klimafreundliche, verlässliche und kostengünstige Alternativen verfügbar sind. Es ist Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass dieser Prozess nach Möglichkeit im Wettbewerb der Energieträger untereinander gestaltet wird.

Sie sprechen in Ihrem Schreiben davon, dass wir "den Willen einer angeblichen Mehrheit" als Entscheidungsgrundlage für die Laufzeitverlängerung nehmen. Hierzu möchte ich folgendes sagen:

Wir haben in Deutschland eine repräsentative Demokratie, also eine Form der Organisation von politischen Entscheidungsfindungsverfahren, bei der jede politische Entscheidung - mit Ausnahme der Zusammensetzung des Parlamentes - mittelbar durch die so genannten Volksvertreter getroffen wird. Das bedeutet vereinfacht gesagt: Die vom Volk gewählten Bundestagsabgeordneten sind beauftragt, die Probleme in Deutschland zu lösen. In der Schweiz beispielsweise gilt das Modell der direkten Demokratie. Unter diesem Modell werden politische Entscheidungsverfahren und Formen der Bürgerbeteiligung subsumiert, bei denen in der Regel ausgewählte politische Themenbereiche direkt durch Volksabstimmungen entschieden werden können. In der Praxis sieht direkte Demokratie in der Regel abgestufte Verfahrensformen über Bürger- oder Volksbegehren bis hin zum eigentlichen Volksentscheid vor.

Man kann für oder gegen das eine oder andere Modell sein kann, darf jedoch nicht beide Modelle vermischen. Es muss klare Zuständigkeiten geben, sonst bekommen wir ein Legitimationsproblem. Man kann nicht bei schwierigen Entscheidungen einen Volksentscheid fordern und die "einfachen" Fragen durch den Bundestag regeln lassen. Das muss einheitlich geschehen. Grundlegende Entscheidungen in der Geschichte der Bundesrepublik, wie die Aufstellung der Bundeswehr, Beitritt zur NATO, die Einführung des Euros, eventuell auch die Wiedervereinigung, wären wahrscheinlich nicht getroffen worden. Oft müssen Entscheidungen gegen die tagespolitische Stimmungslage der Allgemeinheit getroffen werden, um Deutschland für die Zukunft fit zu machen. Dafür hat der Bürger die Möglichkeit eine Person und eine Partei auszuwählen, der er diese wichtige Aufgabe am ehesten zutraut. Dieses System auf Grundlage des Grundgesetztes hat sich in der 61-jährigen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bewährt. Davon grundsätzlich abzukehren, halte ich nicht für den richtigen Weg, um das bürgerliche Engagement zu stärken. Ziel unserer Arbeit ist es eine zuverlässige und zukunftsfähige Arbeit zu leisten und nicht sich wie das Fähnlein im Wind zu drehen. Die heutige Koalition wurde von der Mehrheit des Volkes demokratisch gewählt und ist somit demokratisch legitimiert. Diese Tatsache darf und kann nicht bei jeder zu treffenden Entscheidung in Frage gestellt werden.

Darüber hinaus zeigt sich, dass Umfragen immer volatiler werden. So antworten beispielsweise 70 Prozent auf die Frage, ob sie für den schnellen Ausstieg aus der Kernenergie sind mit "Ja". Stellt man hingegen die Frage, ob die Kernenergie in 20 Jahren im Energiemix noch eine Rolle spielen wird, antworten dieselben Befragten ebenfalls mit "Ja". Aus diesem Grund macht die christlich-liberale Koalition ihre Entscheidungen nicht von Umfragen abhängig, sondern handelt nach bestem Wissen und Gewissen. Die CDU/CSU-Fraktion hat sich im Wahlkampf für eine Verlängerung der Laufzeiten ausgesprochen und dafür wurden wir gewählt. Nun haben wir als Politiker auch die Verantwortung unsere Wahlversprechen umzusetzen.

Aber ich gebe Ihnen Recht, eine verantwortungsvolle Nutzung der Kernenergie beinhaltet auch die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle. Zu einer Standortwahl in Süddeutschland möchte ich Ihnen mitteilen, dass es eine Frage der nationalen Verantwortung und der Generationengerechtigkeit ist, die Entsorgung radioaktiver Abfälle zu gewährleisten. In Deutschland hat man sich dazu entschieden, nicht den Weg der Wiederaufbereitung zu gehen und Transmutationsverfahren stehen bis heute noch nicht zur Verfügung, so dass wir um eine Endlagerung der radioaktiven Abfälle nicht herumkommen. Die entscheidende Frage ist dabei jedoch nicht, wo der Standort des Endlagers ist, sondern dass der Standort als Endlager geeignet ist. Ob dies nun Süddeutschland, in Norddeutschland oder einer anderen Region ist, spielt also keine Rolle. Mir persönlich geht es darum, dass die Endlagerfrage verantwortungsvoll gelöst wird.

In Deutschland gibt es bereits mit dem Schacht Konrad ein genehmigtes Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, das sind rund 90% der in Deutschland anfallenden radioaktiven Abfälle. Zwei Drittel der Abfälle entfallen auf die Energieversorgungsunternehmen und ein Drittel auf den Bereich der öffentlichen Hand (Forschung, Kliniken etc.). Die Schachtanlage wird voraussichtlich im Jahr 2013 in Betrieb genommen. Das Endlager im Schacht Konrad ist der Beleg dafür, dass die Frage der Endlagerung radioaktiver Abfälle auch in Deutschland technisch lösbar ist.

In Deutschland einigte man sich in den 70-er Jahren nach einem ausführlichen Auswahlverfahren auf Gorleben als möglichen Standort für das Endlager. Bis zum Jahre 2000 wurde der Salzstock in Gorleben ober- und unterirdisch auf seine Eignung untersucht. 2000 wurde dann unter der rot-grünen Bundesregierung ein Erkundungsstopp zur Klärung konzeptioneller und sicherheitsrelevanter Fragen verhängt. Diese Fragen sind seit 2005 alle geklärt. Nach knapp zehn Jahren politisch verordneter Zwangspause wird in Gorleben die Wiederaufnahme der Erkundungsarbeiten für ein mögliches Atomendlager vorbereitet. Denn endgültige Klarheit über die Eignung von Gorleben werden erst die weitere untertägige Erkundung und eine Langzeitsicherheitsanalyse liefern. Die Erkundungsarbeiten sind ergebnisoffen fortzusetzen. Dies bereitet die Bundesregierung augenblicklich vor. Dabei werden wir ein transparentes Verfahren wählen, bei dem sowohl die Begleitung durch internationale Experten als auch eine Beteiligung der Bürger gewährleistet ist. Die veranschlagten Kosten liegen für den Schacht Konrad bei 1,9 Mrd. EUR (investiert wurden bereits 0,9 Mrd.) und für Gorleben bei 3,5 Mrd. EUR (investiert wurden bereits 1,5 Mrd. EUR). Dabei liegt der aktuelle Kostenanteil der Energieversorgungsunternehmen für den Schacht Konrad bei 64,4 % und für Gorleben bei 96,5 %.

Die Entsorgungskosten tragen nicht die Steuerzahler. Nach § 9 a des Atomgesetzes sind die KKW-Betreiber zur Bildung von Rückstellungen verpflichtet. Dies umfasst die Kosten für die Stilllegung von Kernkraftwerken, die erwarteten Kosten des Nachbetriebs, der Demontage und der Entsorgung radioaktiver Stilllegungsabfälle inkl. Endlagerkosten sowie die Kosten für die Entsorgung/Endlagerung der Brennelemente und der radioaktiven Betriebsabfälle. Die Höhe der zu bildenden Rückstellungen bestimmt sich nach den zukünftigen Entsorgungskosten. Sie werden auf der Grundlage der in bestehenden Entsorgungsverträgen niedergelegten Preise oder auf der Basis externer Expertisen und Gutachten für das jeweilige Bilanzjahr ermittelt. Im Jahr 2008 hatten die Unternehmen Rückstellungen in folgender Höhe vorzuweisen: E.ON AG 12.200 Mio. EUR, RWE AG 9.465 Mio. EUR, EnBW AG 4.754 Mio. EUR, Vattenfall Europe AG 1.104 Mio. EUR. In diesem Zusammenhang muss man sich vor Augen halten, dass die Kernenergie mit 2,65 Cent/kWh die mit Abstand geringsten Stromerzeugungskosten aufweist. Hierbei werden die Kosten für die Entsorgung und den sicheren Einschluss der radioaktiven Abfälle sowie für die spätere Stilllegung und den Abbruch der Anlagen jetzt schon laufend zurückgestellt. Mit anderen Worten: Bei der Kernenergie sind die Entsorgungskosten im Strompreis inbegriffen (internalisiert).

Gerade die Gegner der Kernenergie sind nicht an der Lösung der Endlagerfrage interessiert, da sie die ungelöste Endlagerfrage als Argument gegen die Kernenergie verwenden wollen. Diese rein politisch motivierte Verzögerungstaktik ist teuer und geht zu Lasten der nachfolgenden Generationen. Eine verantwortungsvolle Politik sieht meiner Meinung nach anders aus.

Auch Ihre Aussage, dass die Atomkraft den Ausbau erneuerbarer Energien verzögert, trifft nicht zu. Die Kernenergie ist nicht das Problem, sondern Teil der Lösung. Kernenergie und Erneuerbare sind zwei Seiten einer Medaille. Selbst in konjunkturell schwierigen Zeiten der Wirtschaftskrise hat die Kernenergie den Ausbau der Erneuerbaren nicht behindert und wird es auch in Zukunft nicht, solange Strom aus erneuerbaren Energien einen unbegrenzten Einspeisevorrang hat. Genau dieser unbegrenzte Einspeisevorrang ist im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP fest vereinbart. Dies ist der Grund, weshalb in Deutschland der Ausbau der erneuerbaren Energien schon weiter fortgeschritten ist als in vielen unserer Nachbarländer.

Was wollen Sie mir mit Ihrer Frage, ob manche Entscheidungen auf Basis oder mit Hilfe von Profiten gefällt werden, eigentlich unterstellen? Ich billige jedem Bürger eine eigene Meinung zu. Aber warum haben Sie den Verdacht, dass ich keine eigene habe, bzw. jemandem verpflichtet bin? Ich bitte Sie, sich genauso ausführlich mit meinen Argumenten zu beschäftigen wie ich es mit Ihren getan habe, anstatt nur Teilaspekte zu betrachten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer MdB