Frage an Joachim Konietzko von Veit M. bezüglich Familie
Nach geltender Rechtlage gem. BGB 1615 l erwirbt eine Mutter aus Anlass der Geburt einen
Unterhaltsanspruch gegen den Kindsvater bis zum dritten Lebensjahr des Kindes. Für den Fall der Kindsbetreuung durch den Vater des Kindes gilt entsprechendes v.v.. Welchen Standpunkt
vertreten Sie zu dieser Rechtssituation? Und welche der beiden nachfolgend genannten OLG-
Urteile befürworten Sie?
Laut OLG Hamm (Az. 5 UF 262/04 vom 27.08.2004) herrscht eine Ungleichbehandlung beim Unterhalt für Mütter ehelicher und nicht ehelicher Kinder. Während Verheiratete nach einer Trennung bis zu 15 Jahren und unter bestimmten Voraussetzungen lebenslang Unterhalt bekämen, seien es bei ledigen Müttern "nur" drei Jahre. Der Bundesgerichtshof hat eine Revision einer nichtehelichen Mutter angenommen, die die Beschränkung des Unterhalts auf 3 Jahre für verfassungswidrig hält. Die Zulassung könnte ein Indiz sein, dass der BGH diese Auffassung auch teilt.
Das OLG Nürnberg urteilt (Az. 10 UF 1677/02), eine Frau, die ein uneheliches Kind zur Welt
bringt, kann vom Vater nicht über das dritte Lebensjahr hinaus Unterhalt verlangen. Die Mutter ist das Risiko einer Alleinerziehenden eingegangen und muss auch die Folgen tragen.
Sehr geehrter Herr Mühling,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 17.08.2005. Das zivilrechtliche Unterhaltsrecht soll die innerfamiliäre Verantwortung widerspiegeln. Durch die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften zum Unterhaltsrecht legt der Gesetzgeber das Maß an wirtschaftlicher Verpflichtung zwischen den Bürgern fest, das er für angebracht hält. Dies hat auch Auswirkungen auf die Bestimmung der staatlich geübten, subsidiären Solidarität Bedürftigen gegenüber.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat mit einer großen Anfrage zum Unterhaltsrecht deutlich gemacht, dass eine umfassende Reform des Unterhaltsrechts nötig ist. Eine Neuordnung des Unterhaltsrechts muss ausgewogene Antworten finden auf offene Fragen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und den Folgen der drastischen Abnahme der so genannten Einverdienerderehe. Deshalb fordert die FDP die deutliche Vereinfachung der unterhaltsrechtlichen Vorschriften sowie die Harmonisierung des Unterhaltsrechts.
Zum einen sind nacheheliche Unterhaltsansprüche regelmäßig zu befristen. Nach Beendigung der Ehe muss die Eigenverantwortung der ehemaligen Ehepartner gestärkt werden. Die Privilegierung der ersten Ehe und die Lebensstandardgarantie werden beendet, um den Unterhaltsverpflichteten in Zukunft eine Lebensgestaltung mit erneuter Bindung und Elternschaft zu ermöglichen und den Unterhaltsberechtigten zu eigener Erwerbstätigkeit und selbstverantwortlicher Lebensführung anzuhalten.
Zum anderen müssen Unterhaltsansprüche von geschiedenen und nichtehelichen Elternteilen für die Dauer der Kinderbetreuung aneinander angenähert werden. Die deutliche Ungleichbehandlung dieser Elternteile ist im Hinblick auf den wahrzunehmenden Erziehungsauftrag nicht mehr zeit- und sachgemäß. Dem Gedanken einer fortwirkenden nachehelichen Solidarität ist bei der Abmilderung der Ungleichbehandlung Rechnung zu tragen. Die anstehenden Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sind dabei zu berücksichtigen.
Aufgrund dessen stimme ich mit der von Ihnen zitierten Entscheidung des OLG Hamm überein, welche eine Ungleichbehandlung beim Unterhalt für Mütter ehelicher und nichtehelicher Kinder sieht.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Konietzko