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Joachim Herrmann
CSU
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Frage von Holger W. •

Was halten Sie von der Idee Alkohol und Tabak zu verbieten, im Sinne einer gesunden Gesellschaft?

In einer Antwort zum Thema Regulierung von Cannabis sagen Sie (Zitat):"Wenn der Staat den Konsum gewisser Drogen akzeptiert, so muss doch der einzelne Bürger annehmen, dass die Droge weniger gefährlich sei, als verbotene Substanzen."

Gleichzeitig legen Sie in Ihrer Antwort richtigerweise das Gefahrenpotential von Alkohol dar. In seinen gesundheitsgefährdenden Auswirkungen auf den Einzelnen und auf die Gesellschaft erscheint Alkohol in ihren Darlegungen die deutlich problematischere Droge zu sein, mit vielen tausend Toten jährlich allein in Deutschland. Ihre Argumente für ein Aufrechterhalten der Repression in Sachen Cannabis, sollten also ebenso für die Drogen Alkohol und Zigaretten gelten!

Ein Strafverfahren wegen des Besitzes von Alkohol als "Schuss vor den Bug", wie Sie es nennen, hätte bestimmt so manchen vor der Sucht bewahrt!

Wie stehen Sie zu der Vision einer drogen- und suchtfreien Gesellschaft? Bitte sagen Sie nicht, Alkohol sei Teil unserer Kultur. Tabak ist das nicht.

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr W.,

vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihr Interesse an gesundheits- und innenpolitischen Themen.

Unbestritten und wissenschaftlich belegt ist, dass der Konsum von Cannabis zu Genuss- und Rauschzwecken risikoreich und gesundheitsgefährdend ist. Mir ist es daher wichtig, den Missbrauch von Cannabis zu verhindern und die Bevölkerung vor den Gefahren zu schützen. Demgegenüber ist auch unstrittig, dass der Missbrauch von Alkohol und der Konsum von Tabak Gefahren für den Einzelnen und die Gemeinschaft mit sich bringt. Die Staatsregierung nimmt riskanten und missbräuchlichen Alkohol- und Tabakkonsum daher entsprechend ernst und tritt diesem mit verschiedenen Maßnahmen entgegen.

Das Thema Sucht ist kein Randproblem, sondern betrifft viele Menschen und ist von hoher gesellschaftlicher Relevanz. Um den Einzelnen und die Gesellschaft vor den Auswirkungen von Suchterkrankungen zu schützen, verabschiedete der Bayerische Ministerrat mit Beschluss vom 12. Juni 2007 die Grundsätze der Bayerischen Staatsregierung für Drogen- und Suchtfragen. Demnach setzt Bayern auf den bewährten Dreiklang von wirksamer Prävention, flächendeckendem Ausbau und Vernetzung von Angeboten und Einrichtungen der Suchthilfe sowie konsequenter Repression im Bereich der illegalen Suchtmittel und - soweit geboten - Einschränkung der Verfügbarkeit legaler Suchtmittel.

Vor allem hinsichtlich Jugendlicher und junger Erwachsener ist die Tabakprävention seit Jahren sehr erfolgreich. Laut dem aktuellen Jahresbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung befindet sich der Anteil rauchender Jugendlicher auf einem historischen Tiefstand. Nur noch etwa 6 Prozent der 12- bis 17-Jährigen gaben zuletzt an, zu rauchen. Der Anteil der Jugendlichen, der noch nie geraucht hat, steigt hingegen stetig und liegt mit etwa 85 Prozent so hoch wie nie zuvor (Quelle: https://www.drogenbeauftragte.de/assets/Jahresbericht_2020/DSB_2020_final_bf.pdf). Auch der Anteil Rauchender in der Gesamtbevölkerung in Deutschland ist seit Jahren rückläufig. Rauchten im Jahr 1990 noch knapp 45 Prozent der deutschen Bevölkerung von 18 bis 59 Jahren, waren es im Jahr 2018 nur noch etwas über 20 Prozent (Epidemiologischer Suchtsurvey 2018). Der Anteil an Raucherinnen und Rauchern fällt in Bayern im Vergleich zu den anderen Bundesländern seit Jahren geringer aus. IM Jahr 2017 wies Bayern mit 20,5 Prozent die niedrigste Quote aller Bundesländer auf, gefolgt vom Saarland (20,6 Prozent). Der Bundesdurchschnitt betrug knapp über 22 Prozent (Quelle: https://www.lgl.bayern.de/publikationen/gesundheit/doc/gesundheitsreport_01_2021.pdf).

In Bayern bestehen vielfältige etablierte Präventionsangebote, die sich insbesondere an Kinder und Jugendliche sowie deren Angehörige richten, wie z. B. der jährlich europaweit stattfindende Wettbewerb "Be Smart - Don't Start" für 11- bis 15-jährige Jugendliche oder der Mitmachparcours "KlarSicht" der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zur Tabak- und Alkoholprävention, für den in Bayern eine mobile "Koffer-Variante" mit verschiedenen Begleitmaterialien kostenlos zur Ausleihe an interessierte Einrichtungen zur Verfügung steht.

Präventionsmaßnahmen sind ein zentraler Bestandteil des komplexen Bündels von Ursachen, auf das der Rückgang der Raucherraten zurückgeführt werden kann. Experten gehen davon aus, dass auch öffentliche Maßnahmen zur Verringerung des Rauchens einen wichtigen Beitrag zum Rückgang von Erkrankungen in Bayern leisten, die mit dem Rauchen assoziiert sind. Besonders wirksam sind dabei verhältnispräventive Maßnahmen wie Tabaksteuererhöhungen, die Novellierung der Arbeitsstättenverordnung und des Jugendschutzes, die Einschränkung der Tabakwerbung und auch die Einführung des Gesetzes zum Schutz der Gesundheit (Gesundheitsschutzgesetz - GSG, auch "Nichtraucherschutzgesetz"). Das GSG trat am 1. August 2010 in Bayern in Kraft. Ziel ist der Schutz der Bevölkerung vor gesundheitlichen Gefahren durch Passivrauchen. Damit wurde in allen wesentlichen öffentlich zugänglichen Bereichen, wie öffentlichen Gebäuden, Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, Bildungseinrichtungen für Erwachsene, Einrichtungen des Gesundheitswesens, Heimen, Sportstätten, Verkehrsflughäfen sowie Kultur- und Freizeiteinrichtungen das Rauchen verboten. Es folgten nach einem Volksentscheid noch schärfere Regeln im GSG; seither gilt auch in Gaststätten und Bierzelten ein absolutes Rauchverbot. Flankierend zu Präventions- und gesetzlichen Regulierungsmaßnahmen sind z. B. Informations- und Aufklärungskampagnen sowie Unterstützungsangebote zur Tabakentwöhnung hilfreich.

Zudem ist ebenfalls ein signifikanter Rückgang beim Alkoholkonsum Jugendlicher zu verzeichnen - wie beim Tabak zeigen die vielfältigen Präventionsanstrengungen Wirkung: Der regelmäßige Alkoholkonsum junger Menschen in Deutschland entwickelt sich seit den 1970er-Jahren insgesamt rückläufig, im Jahr 2019 waren es knapp über 9 Prozent der 12- bis 17-Jährigen. Im Jahr 1979 trank noch ein Viertel dieser Altersgruppe regelmäßig (Quelle: https://www.drogenbeauftragte.de/assets/Jahresbericht_2020/DSB_2020_final_bf.pdf). Für Bayern bestätigt die ESPAD-Studie diesen Trend. Bei den befragten 15- bis 16-Jährigen ist die Lebenszeitprävalenz des Alkoholkonsums seit dem Jahr 2003 von ca. 98 Prozent auf ca. 91 Prozent, die 12-Monats-Prävalenz von ca. 95 Prozent auf ca. 87 Prozent und die 30-Tage-Prävalenz von etwa 88 Prozent auf ca. 69 Prozent im Jahr 2015 zurückgegangen Auch bei Erwachsenen ist der Trend beim Alkoholkonsum insgesamt rückläufig; dies zeigt sich auch beim riskanten Alkoholkonsum (https://www.lgl.bayern.de/publikationen/doc/gesundheitsreport_2016_02.pdf).

Die Wissenschaft ist sich einig, dass es keine Alkoholmenge ganz ohne ein gesundheitliches Risiko gibt. Als besonders problematisch wird das sogenannte Rauschtrinken und der Alkoholkonsum während der Schwangerschaft gesehen. Kernziele der Bayerischen Staatsregierung sind deshalb insbesondere die Förderung eines verantwortungsvollen, risikoarmen Umgangs von Erwachsenen mit alkoholischen Getränken, die Förderung des Konsumverzichts bei Kindern und Jugendlichen sowie die Erhöhung des Einstiegsalters beim Alkoholkonsum Jugendlicher. Zudem ist ein konsequenter Vollzug des Jugendschutz- und Gewerberechts wichtig für die Prävention der Alkoholsucht. Mit dem Bayerischen Präventionsplan bekräftigt das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) diese Zielsetzung.

Ebenso wie beim Rauchen steht eine Vielzahl etablierter Präventionsprojekte vor allem für Kinder und Jugendliche, aber auch andere besonders gefährdete Gruppen wie Schwangere, zur Verfügung, die vom StMGP gefördert werden, wie z. B. das kommunale Alkoholpräventionsprogramm "HaLT - Hart am Limit", die Aktion "Disco-Fieber" für junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren, die als Fahrer oder Beifahrer im Auto unterwegs sind, sowie die Kampagne "Schwanger? Null Promille!".

Im Gegensatz zu den dargelegten öffentlichen Maßnahmen besteht im privaten Personenverkehr sowohl beim Konsum von Tabak und Nikotin als auch von Alkohol kein gesetzliches Verbot. Aus bayerischer Sicht wäre es zu begrüßen, wenn zumindest in Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen z. B. in Autos nicht mehr geraucht werden dürfte. Die Einführung eines solchen Verbotes liegt jedoch zum einen im Kompetenzbereich des Bundes. Zum anderen fällt die Entscheidung, in seinen vier Wänden zu rauchen oder Alkohol zu trinken, in den Kern der privaten Lebensführung, der durch unsere Verfassung besonders geschützt ist.

Im Übrigen darf ich Sie auf meine Antwort an Herrn Nuding vom 11. März 2021 verweisen; diese kann unter https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/joachim-herrmann/fragen-antworten/571003 abgerufen werden. Dieser können Sie entnehmen, dass mir eine möglichst suchtfreie Gesellschaft ein wichtiges Anliegen ist.

Ich wünsche Ihnen alles Gute und in diesen schwierigen Zeiten beste Gesundheit!

Mit freundlichen Grüßen
Joachim Herrmann, MdL

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