Frage an Joachim Herrmann von Manfred H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Minister,
als Bewohner der Region Franken bin ich an deren Geschichte interessiert. Nachdem naturgemäß mit zunehmendem zeitlichen Abstand die Dichte an Informationen aus der Vergangenheit abnimmt, ist man in vielen Bereichen auf Vermutungen und Spekulationen angewiesen. Dass die Darstellung von Geschichte deshalb zu unterscheidlichen Zeiten und abhängig von Ideen jeweiliger Verfasser voneinander abweichen kann, ist verständlich. Man ist daher gut beraten, zu einem Thema möglichst viele unterschideliche Darstellungen zu lesen.
Was nun die Darstellung der fränkischen Geschichte angeht, trägt sich im Bundeland Bayern Skandalöses zu. Dass es eine fränkische Geschichte vor dem Anschluss an Bayern überhaupt gibt, wird in Abrede gestellt. Demgegenüber wird der Beginn der bayerischen Geschichte in die Vorgeschichte vorverlegt (so ausdrücklich Prof. Treml im "Bildungskanal" BR-Alpha, der dort von einem mehrere Tausend Jahre alten Krug mit "rautenartigem Muster" erzählt). Dass das nicht zufällig geschieht, ergibt sich aus "Staatliche Heimatpolitik und Heimatdiskurse in Bayern 1945-1970" von Ulla-Britta Vollhardt. Danach wird im Interesse der Staatseinheit. "Geschichtspflege" betrieben. Dies u.a. über das Haus der bayerischen Geschichte, den bayerischen Heimatverein, der die Bezirksheimatpfleger verknüpft und denen die regionalen Heimatpfleger untergeordent sind.
Nach meiner Überzeugung kann eine Demokartei nur gut funktionieren, wenn der Bürger möglichst gut informiert ist. Ein Wähler, dem Informationen fehlen, kann nicht wirklich wählen. Kein Staat ist Selbstzweck. Der Zweck eines Staates ist es, das Gemeinwohl zu sichern. Der Bürger darf daher nicht belogen werden.
Warum wird dieses Spiel mit uns getrieben?
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Hofmann
Sehr geehrter Herr Hofmann,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 14. Juni 2012 zum Thema "Franken".
Ich glaube sehr wohl, dass die Geschichte Frankens in der Öffentlichkeit nicht erst seit 1806 wahrgenommen wird. Auch das Haus der Bayerischen Geschichte hat dazu seinen Beitrag geleistet. Vielleicht erinnern Sie sich an die Landesausstellung "Edel und Frei. Franken im Mittelalter" in Forchheim. Die Ausstellung stellte 1.000 Jahre fränkische Geschichte dar: von 500 bis 1500.
Gleichwohl sind die Entwicklungen nach 1806 aus vielerlei Hinsicht spannend. Die Verbindung Franken - Bayern war sicherlich keine Liebesheirat. Ich würde sie eher als Zweckbündnis bezeichnen. Die Reaktionen in Franken waren äußerst unterschiedlich und reichten von Begeisterung bis hin zu Klagen. Fest steht jedoch: Als sich die Franken nach 1806 als eigener Stamm in Bayern wiederfanden, wurde die fränkische Identität erst einmal gestärkt. Es war ein langer Weg, bis sich Altbayern und Franken "zusammenrauften". Heute dominiert aber die Zusammengehörigkeit in unserem Freistaat.
Genau das ist das Interessante an den vergangenen 200 Jahren: Bayern setzte sich aus vielen, bisher selbständigen Territorien zusammen. Wie konnte es gelingen, daraus einen in sich geschlossenen, solidarischen und von bayerischem Staatsbewusstsein belebten Staatskörper zu machen? Dazu gehörte nicht nur eine effiziente staatliche Organisation als Grundlage für wirtschaftliche Entfaltung und Wohlstand, sondern auch die Achtung vor historischen Gegebenheiten und die Identifikation mit gemeinsamen kulturellen Leistungen.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Herrmann, MdL
Bayerischer Staatsminister des Innern