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Frage von Johannes H. •

Frage an Jo Leinen von Johannes H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Hallo Herr Leinen,

Anfang 2009 soll ja nun der Lissabon-Vertrag in Kraft treten. Da ich versuche, so gut es geht an unserer Demokratie mitzuwirken, habe ich mir den Wortlaut als pdf heruntergeladen - auf knapp 400 Seiten überschlagen sich hier wortgewandte Fachleute zu allem und jedem.
Nun sollte die Tatsache, dass ich evtl zu doof bin, meiner politischen Mündigkeit aber nicht im Weg stehen. Deshalb meine Fragen:
- ist die Todesstrafe in der EU unter allen Umständen abgeschafft?
- welche persönlichen Daten werden wann, von wem und warum gespeichert. und wer hat wann, wo und wie Zugriff auf diese?

Nun habe ich -zu meinem Entsetzen - auch noch festgestellt, dass mein Land stark verschuldet ist. Bei wem denn eigentlich?

Über eine rasche Antwort würde ich mich sehr freuen.

mfg
J.H.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Höller,

wie jedes juristische Dokument ist der Vertrag von Lissabon in der Tat ein sehr technisches und daher für einen Laien schwer verständliches Dokument.
Daher bietet die Europäische Union im Internet eine Informationsseite an, auf der man sich gut mit den Neuerungen des Vertrages bekanntmachen kann. Unter http://europa.eu/lisbon_treaty/index_de.htm werden viele Fragen zum Inhalt des Vertrages erläutert und auch eine Übersicht über den Stand des Ratifizierungsprozesses in den einzelnen Mitgliedsstaaten gegeben.
Leider haben im Rahmen der Diskussion über den Vertrag von Lissabon Gegner des Vertrages das Gerücht gestreut, der Vertrag würde die Todesstrafe wiedereinführen. Alle Mitgliedsstaaten der EU haben alle das Protokoll Nr. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention zur Abschaffung der Todesstrafe ratifiziert. Außerdem ist die Abschaffung der Todesstrafe eine Aufnahmebedingung für die Mitgliedschaft in der EU. Darüberhinaus setzt sich die EU weltweit für die Abschaffung der Todesstrafe ein, auch im Rahmend er UN. In der Charta der Grundrechte der EU, die durch den EU-Reformvertrag Rechtsverbindlichkeit erlangt, ist in Art. 2 das "Recht auf Leben" verankert, wonach gem. Art. 2 Abs. 2 "Niemand zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden darf". Dies ist eine klare und eindeutige Aussage gegen die Todesstrafe.
Dass die EU mit dem Vertrag von Lissabon die Wiedereinführung der Todesstrafe ermöglichen möchte ist ein absurdes Argument von Demagogen. Es ist bedauerlich, dass mit diesen Mitteln versucht wird, die Bürgerinnen und Bürger in die Irre zu führen, anstatt durch eine sachliche Diskussion zum besseren Verständnis beizutragen.
Die Europäische Menschenrechtskonvention, auf die sich die Gegner bei ihrer Argumentation beziehen, ist im Jahr 1950 abgeschlossen worden, d.h. nicht lange nach dem Ende des 2. Weltkrieges. Vor diesem historischen Hintergrund sind die Formulierungen im Protokoll Nr. 6 zur Konvention zu verstehen, die tatsächlich missverständlich sein können, aber nur, wenn man gerade diesen historischen Hintergrund ausblendet und die Regelungen als vermeintliche Regelung pro Todesstrafe instrumentalisieren möchte.
Abgesehen davon ist die Europäische Menschenrechtskonvention kein Dokument der Europäischen Union, sondern des Europarates. Die EU verpflichtet sich in der Charta der Grundrechte, zumindest das Schutzniveau der EMRK zu garantieren, kann aber auch darüber hinausgehen.

Im Gegensatz zu den meisten nationalen Verfassungen ist in der europäischen Grundrechtecharta ein Recht auf Datenschutz verankert. Erhobene Daten müssen also mit größter Vorsicht behandelt werden. Zur Bekämpfung des Terrorismus ist eine Speicherung von Telefon- und Fluggastdaten für eine Frist von 6 Monaten unerlässlich. In Deutschland werden die Daten von den Telefonanbietern (wie z.B. der Telekom) erhoben und gespeichert. Diese Daten dienen zum Abgleich zwischen den Mitgliedsstaaten und zur Aufklärung und Verhinderung von Verbrechen. Das Europäische Parlament setzt sich dafür ein, dass die europäische Richtlinie eine eigenmächtige Weitergabe von Daten durch Einzelstaaten an Drittstaaten nicht ermöglicht wird. Die Bekämpfung des Terrorismus kann nicht als Argument für die Aushebelung des Datenschutzes gelten.
Zur Finanzierung des Staatshaushaltes nimmt die Bundesregierung jedes Jahr Kredite auf. Ende 2008 wird die Staatsverschuldung vermutlich 1,5 Billionen ? erreichen. Die Gläubiger des Staates sind Kreditinstitute im In- und Ausland, aber auch Sozialversicherungen und Bausparkassen sowie Privatpersonen.
Allein die Zinsen, die für die Kredite anfallen, stellen Jährlich einen beträchtlichen Posten im Bundeshaushalt dar. Finanzminister Peer Steinbrück plant, die Neuverschuldung bis 2011 auf Null zu reduzieren und rechnet, bis dahin einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, das heißt, es wird nicht mehr ausgegeben, als eingenommen wird.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen zufriedenstellend beantworten.

Mit freundlichen Grüßen

Jo Leinen