Frage an Jimmy Schulz von Barbara W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Schulz,
Ich gehöre zu einer Gruppe aus Schäftlarn, Icking Wolfratshausen und Geretsried, die sich für Gerechtigkeit in der Rentenbemessung, also für eine gerechte Mütterrente für die Mütter vor 1992 einsetzt. Wir sammeln Unterschriften, schreiben an Abgeordnete und planen auch Medien- Aktionen. Wir fordern mehr Gerechtigkeit in der Familienarbeit und Fairness gegenüber der Leistung von Frauen.
Nachdem alle Parteien und Regierungen in den letzten 20 Jahren den Auftrag des Verfassungsgerichts vom 7.Juli 1992 und damit die Würdigung von Mütterleistung mißachtet haben, fordern wir jetzt konkrete Maßnahmen mit Vorschlägen zur Gegenfinanzierung bei der Angleichung der Renten. Wir werden die gesammelten Unterschriften an eine überparteiliche Organisation weitergeben, die auch nach dem Wahljahr die Familienarbeit unterstützt, also z. B. an die Bertelsmann- Stiftung oder den Familienbund, die mit Hilfe des Familienkämpfers Dr. Jürgen Borchert, Vorsitzender des Sozialgerichts Darmstadt, für Gerechtigkeit in der Familienarbeit prozessieren.
Wie stehen Sie zu diesen Forderungen?
Herzliche Grüsse Barbara Wanderer
Sehr geehrte Frau Wanderer,
gerne nehme ich mir Zeit um Ihre Frage wie folgt zu beantworten:
Die Fachpolitiker der Koalition diskutieren derzeit mit der zuständigen Bundesministerin von der Leyen über die Ausgestaltung rentenrechtlicher Regelungen, um das Risiko zukünftiger Altersarmut möglichst gering zu halten. In diesem Zusammenhang wird auch gefordert, Kindererziehungszeiten besser als bisher in der Rente zu berücksichtigen.
Die Erziehung von Kindern findet bereits nach geltender Rechtslage bei der Berechnung der Rente Berücksichtigung. Für jedes Kind, das bis 1992 geboren wurde, werden für ein Jahr Rentenbeiträge wie für das Durchschnittsgehalt gutgeschrieben, und zwar unabhängig vom vorherigen Verdienst oder einer gleichzeitigen Erwerbstätigkeit. Für Kinder, die nach 1992 geboren wurden, werden hingegen Beiträge für drei Jahre eingezahlt. Dadurch erhöhen sich die Renten derzeit um 28 Euro im ersten Fall und um 84 Euro im zweiten Fall. Die Beiträge werden aus Steuermitteln in die Rentenkasse eingezahlt. Die Leistungen des Bundes an die Rentenversicherung belaufen sich auf knapp 12 Mrd. Euro im Jahr.
Die unterschiedliche Bewertung von Kindererziehungszeiten vor und nach 1992 wird teilweise als ungerecht empfunden. Die „Gerechtigkeitslücke“ soll geschlossen werden, indem auch für Kindererziehungszeiten vor 1992 drei Jahre Beiträge eingezahlt werden. Diese Gleichstellung würde jedoch zusätzliche Kosten in Höhe von über 13 Mrd. Euro pro Jahr ab Inkrafttreten der Regelung verursachen. Deshalb wird erwogen, die Gleichstellung auf Neuzugänge zu beschränken, also auf diejenigen Betroffenen, die erst nach Inkrafttreten des Gesetzes in den Ruhestand gehen. Damit würde jedoch die beklagte „Gerechtigkeitslücke“ nicht zufriedenstellend geschlossen. Vielmehr würden alle heutigen Rentnerinnen und Rentner, die Kinder vor 1992 erzogen haben, von der Besserstellung ausgenommen. Und auch bei dieser Regelung würden Mehrkosten entstehen, die bis auf 7 Mrd. Euro im Jahr 2030 aufwachsen und damit den Bundeszuschuss zur Rentenversicherung von 80 Mrd. Euro im Jahr nochmals deutlich erhöhen.
In Zeiten der Haushaltskonsolidierung sind Vorschläge für Leistungsausweitungen in der Rente mit besonderer Sorgfalt zu prüfen. Vor diesem Hintergrund hat sich der Koalitionsausschuss Anfang November darauf verständigt zu prüfen, inwieweit es finanzielle Spielräume gibt, Müttern mit mehreren Kindern, die vor 1992 geboren worden sind, besser zu stellen.
Es ist dabei allerdings auch darauf hinzuweisen, dass eine Neuregelung der Kindererziehungszeiten nicht geeignet ist, Altersarmut zielgenau zu vermeiden, denn es profitieren auch Bezieher und Bezieherinnen hoher Renten. Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Altersarmut sollen jedoch zielgerichtet erfolgen. Denn angesichts des demographischen Wandels ist es sehr wichtig, dass die Beitrags- und Steuerbelastung der kommenden Generationen nicht immer weiter erhöht wird.
Wir sind guter Dinge, dass sich die Fachpolitiker der Koalition in den nächsten Wochen auf ein tragfähiges Rentenkonzept einigen, das wir noch in diesem Jahr auf den Weg bringen werden. Dazu gehören Verbesserungen, die im Rentendialog auf weite Zustimmung innerhalb der Koalition, aber auch bei den Verbänden, Gewerkschaften und der Rentenversicherung stoßen. Es geht um die deutliche Ausweitung der Hinzuverdienstmöglichkeiten bei vorgezogenem Rentenbezug, die demografische Ausgestaltung des Reha-Budgets sowie Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente. Dabei handelt es sich um zielgerichtete Maßnahmen und Leistungsausweitungen, die die Rente mit 67 flankieren und einen Beitrag dazu leisten, der Gefahr von Altersarmut entgegenzuwirken. Die FDP setzt sich außerdem für Freibeträge bei der Grundsicherung im Alter ein, damit sich jeder Euro für betriebliche oder private Renten im Alter auch ganz sicher lohnt.
Herzliche Grüße,
Jimmy Schulz