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Jerzy Montag
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Frage von Benjamin G. •

Frage an Jerzy Montag von Benjamin G. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Montag,

mit dem Beschluss des Bundeskabinetts am 19.12.2007 wurden die sogenannten "gewaltbeherrschten (Video)Spiele" Verboten. Hierzu wird das Jugendschutzgesetz abgeändert.

Nun stellen sich mir zwei Fragen:
1) Wie kann es sein, dass das weltweit härteste Jugendschutzgesetz weiterhin so abgeändert wird, dass volljährige Bürger bevormundet werden, was sie spielen dürfen und was nicht? Wie stehen Sie dazu?

2) Sehen sie Spiele als Ursache für Gewaltakte, wie die Schulamokläufe 2002 und 2006 sowie die Jugendgewalt? Oder sehen Sie Spiele als das, was auch in unzähligen wissenschaftlichen Publikationen herausgestellt wurde? Nämlich als kein Faktor von Gewalttaten?

3) Was werden Sie gegen die, ebenfalls von den Medien popularisierenten Begriff "Jugendkriminalität" unternehmen?

Ich hoffe, dass sie im Sommer 2008 gegen die Änderung des Jugendschutzgesetzes stimmen werden.

Für weitere Informationen empfehle ich ihnen folgende Texte:
http://gcult.de/heaven/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=399&Itemid=77
http://gcult.de/heaven/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=870&Itemid=60

Ebenso möchte ich sie auf eine Podiumsdiskussion am Donnerstag, 21.02.2008 aufmerksam machen. Thema: "Rechtsradikalismus und First Person Shooter"
Informationen:
http://www.videospielkultur.org/board/phpBB2/viewtopic.php?t=171

Mit freundlichen Grüßen und auf Antworten wartend
Benjamin Gauß

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Gauß,

vielen Dank für Ihre Anfrage zur Änderung des Jugendschutzgesetzes. Wir Grüne lehnen diese geplante Änderung ab. Natürlich finden wir, dass Gewalt in den Köpfen von Kindern und Jugendlichen nichts zu suchen hat. Auch aus diesem Grund hat Rot-Grün im Jahr 2003 den Jugendmedienschutz verschärft. Seitdem braucht ein Computerspiel eine staatliche genehmigte Alterskennzeichnung, um frei verkauft werden zu können. Gewaltverherrlichende, rassistische und die Menschenwürde verletzende Spiele können so auch verboten werden.

Aber schon damals waren wir uns mit allen ExpertInnen einig, dass darüber hinausgehende Maßnahmen und Verbote keinen besseren Jugendschutz bieten könnten. Die Bestimmungen des deutschen Jugendschutzes sind, wie Sie angesprochen haben, im internationalen Vergleich sehr streng. Schreckliche Gewaltausbrüche junger Menschen wie in Erfurt oder Emsdetten lassen sich nicht eindimensional erklären. Wir plädieren für eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Ursachen. Strengere Verbote jedenfalls können solche Amokläufe nicht verhindern. Soziale und psychische Probleme und der allzu leichte Zugang zu Waffen spielen nach unserer Überzeugung eine viel wichtigere Rolle.

Wir haben in Deutschland einen großen bildungs- und gesellschaftspolitischen Nachholbedarf. Die Medienkompetenz, also der kritische und selbstbewusste Umgang von Jugendlichen und Erwachsenen mit Medien, muss konsequent ausgeweitet werden. Vor allem in der Schulpolitik haben die Bundesländer hier ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Notwendig sind auch eine „Kultur des Hinsehens“ und das Wahrnehmen von Erziehungsverantwortung. Außerdem fehlt bei uns eine wirksame Förderung der Herstellung qualitätsvoller Computerspiele, wie es sie in anderen Ländern längst gibt.

Computerspiele sind elementarer Bestandteil einer lebendigen Jugendkultur. Die Hälfte aller 11- bis 18-jährigen Jungen spielt täglich zwei Stunden am Computer. Computerspiele sind nicht mehr Hobby einiger weniger, sondern zu einem Massenmedium und Wirtschaftsgut avanciert. Mehr als ein Drittel der Deutschen sind mittlerweile Computerspieler (ACTA/Allensbach 2006).

Wir erkennen die kulturelle Bedeutung von Computerspielen an. Sie können Ergebnis kreativen, oft auch künstlerischen Schaffens sein. Sie weisen eigene Ästhetik, Farben, Musik, Inhalte, Erzählstrukturen usw. auf. Ihre Genrevielfalt ist enorm und reicht von Denk- und Rätselspielen über Strategiespiele bis hin zu Rollen- und Kampfspielen. Nur die wenigsten Computerspiele sind sog. Killerspiele. Wir finden zudem diesen Begriff wenig tauglich für die Diskussion, weil schon die verurteilende Begrifflichkeit eine echte Auseinandersetzung mit den gemeinten Spielen verbaut. Gemeint sind eigentlich Spiele, bei denen das simulierte Töten wesentlicher Bestandteil des Spielerfolgs ist. Diese machen nur 8% aller Computerspiele aus.**

**Immer wieder müssen Computerspiele als Sündenbock herhalten, wo es eigentlich um fehlende Medienkompetenz und nicht wahrgenommene (Erziehungs-) Verantwortung geht. Es herrscht eine „digitale Kluft“ zwischen jungen Spielenden und älteren Nicht-Spielenden, die zu gegenseitigem Unverständnis führt. Ziel muss es sein, dieses Unverständnis aufzulösen. Computerspieler müssen ernst genommen, Eltern, LehrerInnen und ErzieherInnen verstärkt im Umgang mit Computer und Computerspielen geschult werden. Wichtig ist z. B., dass die ältere Generation einmal selbst Computerspiele spielt. Im Gegensatz zu Filmen lassen sich manche Aspekte von Computerspielen nicht durch bloßes Anschauen bewerten, sie sind nur verständlich, wenn man sie aktiv spielt.

Bündnis 90/Die Grünen werden sich auch weiterhin differenziert mit
dieser Problematik auseinandersetzen und eigene Lösungsvorschläge
einbringen.

Mit freundlichen Grüßen,
Jerzy Montag