Frage an Jens Peter Seipenbusch von Daniel N. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Sehr geehrter Herr Seipenbusch,
als Kind der "digitalen Revolution" bin ich fasziniert vom Internet und von digitalen Technologien.
Das Internet bietet der heutigen Gesellschaft ungeahnte Möglichkeiten und besitzt enormes Potential bezüglich Veränderungsimpulsen des gesellschaftlichen Lebens.
Datenschutz und Informationsfreiheit sind unter dem Vorzeichen dieser Entwicklungen natürlich besonders wichtig. Tatsächlich kann ich mich mit vielen Zielen und Forderungen der Piratenpartei identifizieren.
Gerade auch deswegen, weil das gesamte - ich nennen es mal - "digitale Spektrum" (Themen bezüglich Datenschutz, Informationsfreiheit, Internet) von anderen Parteien scheinbar weniger ernst genommen wird, als es bei der Piratenpartei passiert.
Auf der anderen Seite der Medaille jedoch kann ich auf der Website der Piratenpartei (www.piratenpartei.de) im Wahlprogramm keinen Programmpunkt entdecken, der sich auf ein Politikfeld bezieht, das nicht zur Informationspolitik gehört.
Im Parteiprogramm finde ich alles von "Urheberrecht und nicht-kommerzielle Vervielfältigung" bis "Inhaltsfilterung"... das ist schön zu sehen.
Aber wie steht die Piratenpartei zu anderen Themen, wie beispielsweise der EU-Erweiterung, EU-Finanzpolitik im Rahmen der Finanzkrise, Außen-, Wirtschaft-, Bildungs- und Agrarpolitik?
Da ich keine Stellungnahmen der Partei zu diesen - ja doch - ebenfalls sehr wichtigen Themen finden kann, zögere ich, die Piratenpartei zu wählen.
Möglicherweise können Sie mir diesbezüglich Klarheit verschaffen!
Mit freundlichen Grüßen,
D. Nowack
Sehr geehrter Herr Nowack,
Die Piratenpartei beschäftigt sich vorwiegend mit den Themen der Informationsgesellschaft. Allerdings ist unser Hauptanliegen das der Bürgerrechte im digitalen Zeitalter insofern ist Informationspolitik viel zu kurz gegriffen. Aktuelle Fragestellungen wie die Vorratsdatenspeicherung, der E-Pass, die elektronische Gesundheitskarte, der Arbeitnehmerdatenschutz, Softwarepatente, Internet-Zensur oder das BKA-Gesetz sind ja Herausforderungen, die durch den gesellschaftlichen Wandel erst entstehen. Im Kampf um unser allerwichtigtes Ziel nämlich die Vermeidung einer Überwachungsgesellschaft sehen wir die Notwendigkeit, dass sich Bürger unterschiedlicher herkömmmlicher politischer Lager zusammenschließen, da dieser Kampf sonst nicht zu gewinnen ist. Auch deswegen will sich die Piratenpartei nicht in das alte links-rechts Schema einorden. Unserer jungen Partei liegt die Priorisierung unserer Kernthemen zugrunde. Innerhalb der Partei werden natürlich alle möglichen Themen diskutiert und die Piratenpartei wird sich sicherlich auch politisch weiterentwickeln, aber dies wird auf der Grundlage unserer bisherigen Prinzipien geschehen, die das möglichst selbstbestimmte, freie Leben der Bürger in den Vordergrund stellt - und das wird nunmal von den erwähnten Vorgängen am allerstärksten bedroht.
Wir haben schon seit längerem auch bildungspolitische Leitlinien erarbeitet, die bei den Landtagswahlen (bpsw. in Hessen) auch beworben wurden und eine Ablehnung von Studiengebühren beinhalten. Bildung ist schliesslich eine wesentliche Grundlage für die Gesellschaft von morgen, allerdings findet Bildungspolitik auf EU-Ebene ja praktisch nicht statt. Anderen Themenkomplexe wie Wirtschafts- oder Agrarpolitik nähern wir uns durch die vorhandenen Anknüpfungspunkte wie Patenten generell oder auf Gene von Tieren und Pflanzen. Unser monopolkritischer Ansatz macht uns mehr oder weniger automatisch zu einer eher mittelstandsfreundlichen Partei. Wir versuchen in jedem Fall, unsere Poltik nicht an einer Ideologie festzumachen, sondern Entscheidungen aufgrund von nachvollziehbaren und belegten Fakten zu treffen, etwas, das in der Wirtschaftspolitik gar nicht so einfach ist.
Sicherlich ist unsere Partei auch noch zu jung und damit zu klein, um bereits auf allen Politikfeldern mit umfangreichen Programmentwürfen aufzuwarten, andererseits sind viele unserer Mitglieder auch gerade deshalb Piraten, weil wir im Gegensatz zu anderen Parteien keine universelle Lehre propagieren.
Zu den EU-Themen haben wir aber bereits wichtige Eckpunkte zu bieten, so sehen wir eine EU-Erweiterung im momentanen Zustand der EU sehr kritisch. Zunächst müsste ja erstmal das Problem der vertraglichen Grundlage (Verfassung, Lissabon-Vertrag) geklärt werden und dies muss aus unserer Sicht in allen Mitgliedsstaaten per Volksbefragung geschehen. Zur EU-Finanzpolitik angesichts der Finanzkrise möchte ich auf folgenden Beitrag verweisen (falls möglich: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29867/1.html ). Dies ist natürlich ein sehr komplexes Thema, allerdings sind Maßnahmen wie die Abwrackprämie natürlich hochgradiger Unsinn und eine Verschwendung von Steuermitteln.
Mit freundlichen Grüßen,
Jens Seipenbusch