Frage an Jens Kerstan von Knut B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Kerstan,
lt. Hamburger Abendblatt vom 20.02.09 finden Sie die Entscheidung der HSH Nordbank über die Ausschüttung von Divdenden und die Kommunikation darüber als "sehr unglücklich".
Meine Frage dazu ist: Was muss eigentlich noch passieren, damit auch ein GAL-Politiker eine eindeutige und unmißverständliche Haltung gegenüber den Hasardeuren in der Bank und den scheinbar unfähigen oder unwilligen Politikern in den sog. Aufsichtsgremien findet? Man gewinnt zunehmend den Eindruck, dass die GAL nur noch ein grünes Koalitionsanhängsel der CDU ist und sich von dieser vorführen lässt. In diesen wichtigen Fragen die die öffentliche Diskussion zur Zeit beherrschen wagt es offensichtlich kein GAL-Politiker z.B. zum Verhalten eines Herrn Freytag eine eindeutige Stellung zu beziehen, geschweige denn seine Abberufung wegen erwiesener Unfähigkeit aus dem Aufsichtsrat der Bank zu fordern.
Ich habe den Eindruck, dass die GAL aus Koalitionsraison jegliche Kritikfähigkeit verloren hat und sich dem Politikstil eines Herrn von Beust nahtlos anpasst. Dazu gehören leider auch Ihre in einer typischen Politikersprache sehr beliebig und schwammig vorgetragenen Forderungen nach einer "strategischen Neuausrichtung" oder "Nachverhandlungen" Blickt man ein gutes Jahr zurück (die GAL war damals noch nicht Juniorpartner der CDU) dann sieht man deutlich, wie sehr sich Ihr Verhalten und das Ihrer Partei in den Diskussionen und Abstimmungen verändert hat. Aus Ihrer Wortwahl in divesen Interviews ist leider nicht mehr zu entnehmen, dass es sich bei Ihnen um einen Politiker der GAL handelt, bei der das "A" einmal für Alternative stand. Wann ist bei Ihnen die Schmerzgrenze erreicht und wo bleibt eine Abgrenzung gegenüber Ihrem "Partner"?
Sehr geehrter Herr Bergmann,
den Ärger über die katastrophale Situation bei der HSH Nordbank, den ich aus Ihren Äußerungen herauslese, kann ich gut verstehen. Das geht mir ähnlich. Angesichts dieser fatalen Situation vermissen Sie deutliche Worte gegenüber den Verantwortlichen in Vorstand und Aufsichtsrat. Auch das kann ich verstehen. Aber jetzt nach Schuldigen zu suchen und diese öffentlich zu brandmarken, hilft uns in der aktuellen Krise nicht wirklich weiter. Wir haben noch bis Dienstag Zeit, den Bundesaufsichtsbehörden ein neues Geschäftsmodell der HSH Nordbank vorzulegen und darzustellen, wie wir die Kapitalseite der Bank um rund 13 Mrd. € verbessern. Wenn wir das bis Dienstag, den 24.2.2009, 0.00 Uhr, nicht tun, wird die Bankenaufsicht die HSH am nächsten Tag schließen. Hamburg müßte aufgrund der Gewährsträgerhaftung trotzdem in Höhe von 65 Mrd. € für 22 Mrd. € haften. Ein großer Teil davon würde sofort fällig, müsste also sofort bezahlt werden. Nur zum Vergleich: Der Haushalt der Stadt beträgt 11 Mrd. € pro Jahr und die Gesamtverschuldung der Stadt 22 Mrd. €. Ganz abgesehen davon, dass jeder zweite Mittelständler in Norddeutschland mit mehr als 50 Mio. € Umsatz Kredite bei der HSH Nordbank hat, die dann ebenfalls sofort zurückgefordert würden - was wiederum viele dieser Unternehmen über Nacht in die Pleite treiben würde. Das wäre eine dramatische Verschärfung des wirtschaftlichen Einbruchs, den wir gerade erleben. Wir befinden uns also in einer existenziellen Krise nicht nur für die Bank, sondern auch für die ganze Stadt. In dieser Situation, das sage ich Ihnen ganz ehrlich, mache ich mir überhaupt keine Gedanken darüber, wie ich mit Verbalradikalismus das Profil meiner Partei in der Öffentlichkeit schärfen könnte. Ich beschäftige mich damit, wie wir in der kurzen verbleibenden Zeit eine Lösung des Problems finden können, die die Bank rettet und gleichzeitig Hamburg nicht unzumutbar finanziell belastet. Das ist auch deshalb schwierig, weil die Bundesregierung nicht bereit ist, Hamburg und Schleswig-Holstein zu helfen, wie sie es bei anderen Privatbanken tut. Erst wenn diese Krise bewältigt ist, haben wir die Zeit aufzuarbeiten, wie das passieren konnte, wer dafür verantwortlich war und können dann auch die entsprechenden Konsequenzen ziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Jens Kerstan