Frage an Jens Kerstan von Maria W. bezüglich Umwelt
Hallo Herr Kerstan,
warum waren die Grünen bisher gegen eine Reduzierung der Kohlekraft durch veränderte Einsatzreihenfolge, wie es der Linke-Abgeordnete Stephan Jersch im November der Bürgerschaft vorgeschlagen hat und wie es jetzt ein Gutachten des Freiburger Öko-Instituts befürwortet?
Und warum war es für die Grünen offenbar bisher keine Option, diese Möglichkeit näher zu prüfen?
Vielen Dank für Ihre Antwort und beste Grüße
Maria Wendeler
Mit der letztes Jahr zum 1. September endlich abgeschlossenen Rekommunalisierung der Fernwärme ist die Stadt seit einigen Monaten auch wieder Eigentümerin des Kohlekraftwerks Wedel. Die Wärmegesellschaft und meine Behörde arbeiten mit Hochdruck an der Realisierung des Ersatzkonzepts für das Kohlekraftwerk. Mit den Planungen für die Zukunft von Tiefstack werden wir in Kürze beginnen. Wir wollen, wie mit „Tschüss Kohle“ vereinbart, auch dort mehr hinbekommen als nur eine Umstellung auf Erdgas. Da die alten Kohlanlagen noch mehrere Jahre laufen müssen, setzen wir uns natürlich auch damit auseinander, wie wir den Betrieb der Fernwärme schon jetzt klimafreundlicher machen können.
Bei der Fahrweise des Kraftwerks Wedel stellen sich zwei Fragen, die für die CO2-Bilanz relevant sind: Die nach der Einsatzreihenfolge, also mit welchen Anlagen und jeweils mit welchen Brennstoffen der Fernwärmebedarf gedeckt wird, und die Frage nach dem Einsatz von Kohle für Stromerzeugung, die über die unmittelbar mit der Wärmeerzeugung verbundene Produktion hinausgeht. Das Gutachten des Ökoinstituts hat sich mit dieser zweiten Frage beschäftigt. Meine Behörde und die Wärmegesellschaft haben die Arbeit daran unterstützt, was die Autor*innen auch ausdrücklich anerkannt haben.
Bisher, unter der Regie von Vattenfall, hat das Kraftwerk im Sommer deutlich über den Wärmebedarf hinaus für den Strommarkt produziert. Der Bundesgesetzgeber setzt dafür durch das Instrument der "vermiedenen Netznutzungsentgelte" besondere Anreize. Auch diese betriebswirtschaftliche Seite müssen wir beachten.
Unsere Einschätzung, dass ein längerer Stillstand der Anlage technisch riskant und daher nicht ratsam ist, hat das Gutachten bestätigt. Mit den beiden Vorschlägen, die die Gutachter*innen für die CO2-Reduktion im Sommerbetrieb machen, setzen wir uns gegenwärtig auseinander. Wichtig sind jetzt vor allem die quantitativen Aspekte, die im Gutachten noch offen geblieben sind: Wieviel CO2 kann durch eine geänderte Fahrweise im Sommer vermieden werden? Dabei spielt eine Rolle, durch welche Kraftwerke eine wegfallende Stromeinspeisung im Gesamtsystem voraussichtlich kompensiert wird. Daran anschließend lässt sich beantworten, wie hoch die CO2-Vermeidungskosten sind.
Mit Antworten auf diese Fragen werde ich mich gern einer weiteren Diskussion stellen. Durch die Auseinandersetzung um den Netze-Volksentscheid ist in Hamburg eine sehr aufmerksame und gut informierte Öffentlichkeit für die Energiewende entstanden. Das ist ein wichtiger Faktor, um auf einem schwierigen Weg weiterzukommen, selbst wenn es für mich in meiner Rolle als Energiesenator manchmal unbequem ist. Wenn man sich wie ich über viele Jahre für die Rekommunalisierung, für die Energiewende in Hamburg und für den Kohleausstieg eingesetzt hat, ist es schon eine etwas merkwürdige Situation, plötzlich die Verantwortung für zwei Kohlekraftwerke zu haben. Ich bin aber entschlossen, daraus für das Klima und für die Fernwärmekunden das Beste zu machen.