Frage an Jens Kerstan von Jürgen B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Jens,
Vorweg bitte ich um Verständnis, dass meine Anfragen, sich nicht an einem bestimmten Themengebiet orientieren- sondern von mir vielmehr der Versuch unternommen werden soll-über Deine Motivation, Dich künftig bundespolitisch zu engagaieren, mehr zu erfahren.
Du bemühst Dich beim Wähler erstmalig um ein Bundesmandat.
1. Was hat Dich bewogen, bereits nach kurzer Zeit als Bürgerschaftvertreter der Grünen nunmehr für den Bundestag zu kandidieren?
2. Welche persönlichen Kompetenzen kannst Du in die neue Aufgabenstellung mit einbringen?
3. Wo würdest Du Deine künftigen Arbeitsschwerpunkte - ggfs. in Bundesgremien- sehen?
4. Welche besonderen Interessen und politischen Forderungen wirst Du als potentieller Landesvertreter Hamburgs in Berlin vertreten?
5. Nach 7 Jahren Regierungsverantwortung der Grünen werden am 18. Sept. die Karten neu gemischt.
Versuche einmal kurz aus Deiner Sicht- sehr kritisch -die vergangene Arbeit der Koalition zu beurteilen ( positiv / negative Einschätzung)!
6. Was muß sich verändern? Für welche Eckpunkte werden die Grünen sich einsetzen?
7. Meine ganz persönliche Abschlussfrage:
Warum sollen die Bürger aus dem Wahlbezirk Bergedorf/ Harburg gerade Dir die Stimme geben und Dich beauftragen, künftig für die Grünen Hamburger Interessen in Berlin zu vertreten?
Für eine möglichst umgehende Beantwortung meiner Fragen wäre ich Dir sehr verbunden.
Mit freundlichem Gruß
j.Busch
Sehr geehrter Herr Busch,
vielen Dank für die Fragen. Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, dass ich Ihre Fragen vom Donnerstag erst heute beantworte, da ich zwar Donnerstag wieder im Büro war, es nach einer vorherigen einwöchigen Abwesenheit meinerseits etwas gedauert hat, bevor ich alle aufgelaufenen Anfragen und Aufgaben abarbeiten konnte.
Es ist nicht so, dass ich mich bei dieser Bundestagswahl erstmalig um ein Bundestagsmandat bewerbe. Bereits im Bundestagswahlkampf 2002 war ich als stellvertretender Landesvorsitzender der Grünen Direktkandidat im Wahlkreis Hamburg Bergedorf/Harburg. Ich hatte aber damals verzichtet, auch auf der Landesliste zu kandidieren, im Gegensatz zur aktuell anstehenden Wahl, wo ich auch auf Platz 3 der Landesliste kandidiere.
In meiner vierjährigen Tätigkeit als stellvertretender Landesvorsitzender und seit 2002 als Abgeordneter in der Bürgerschaft habe ich nun seit einigen Jahren an führender Stelle an allen Diskussionen und Entscheidungen der Grünen auch auf Bundesebene teilgenommen und mir dabei Kompetenzen und Erfahrungen erarbeitet.
Insbesondere im wirtschaftspolitischen Bereich habe ich als Abgeordneter für eine grüne Wirtschaftspolitik gearbeitet und, ohne unbescheiden zu sein, parteiübergreifend Anerkennung dafür bekommen. Der größte Bereich der Wirtschaftspolitik wird aber nicht auf Landesebene, sondern auf der nationalstaatlichen Ebene entschieden und geregelt. Insofern ist es nur konsequent, meine Kompetenzen nun auch auf Bundesebene einzubringen. Insbesondere, da angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage und der Massenarbeitslosigkeit dieser Bereich in den nächsten Jahren von größter Wichtigkeit sein wird.
Frage 3: Ich möchte in den nächsten Jahren im wirtschaftspolitischen Bereich grundsätzlich an Konzepten zur Vereinbarung von Ökonomie und Ökologie und an Konzepten zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit arbeiten. Im Wirtschaftsausschuss der Bürgerschaft oder - wenn ich gewählt werden sollte - im Bundestag.
Frage 4: Ich will insbesondere weiterhin für den Ausbau der Erneuerbaren Energien streiten, da Hamburg die Chance hat, als Unternehmens- , Dienstleistungs- und Forschungsstandort nordeuropäisches Kompetenzzentrum in diesem Bereich mit enormen Arbeitsplatzpotenzial zu werden.Ich will mich im Bereich der Hafenpolitik für ein nationales Hafenkonzept einsetzen, das Hamburgs Chancen sichert, aber den unsinnigen Subventions- und Ausbauwettlauf der norddeutschen Häfen beendet und damit finanzielle Mittel für arbeitsintensive Zukunftsbranchen im Bereich der Medien, Gesundheitswesen , Kultur und der Wissenschaft freisetzt.
Frage 5: Einige wichtige grüne Erfolge der letzten 7 Jahre:
·Wir haben die Plutoniumwirtschaft beendet und die Atomkraftwerke werden nach und nach abgeschaltet.
· Die Erneuerbaren Energien boomen und haben mehr als 1.300.000 Menschen einen Job gebracht. Im Bereich der ökologischen Modernisierung arbeiten mittlerweile sogar 1,5 Millionen Menschen
· Wir haben unser Land aus dem Irakkrieg herausgehalten
· Wir haben den Verbraucherschutz gestärkt und tun mehr in der Landwirtschaft für gesunde und gentechnikfreie Lebensmittel
· Unser Rentensystem ist generationengerechter geworden
· Auch Sozialhilfeempfänger haben nun einen Anspruch auf Arbeitsvermittlung und Qualifizierung
Kritisch sehe ich:
· dass es bisher nicht gelungen ist, die Arbeitslosigkeit deutlich zu senken
· dass die Modernisierung des Sozialversicherungssystems zwar den Anstieg der Lohnnebenkosten gebremst hat, es aber nicht gelungen ist, die Lohnnebenkosten deutlich zu senken, was mehr neue Jobs bringen würde
· dass bei den Arbeitsmarktreformen die Prinzipien "Fördern und fordern" in der falschen Reihenfolge umgesetzt wurden. Zur Zeit belasten die Forderungen die Arbeitssuchenden, während die Förderinstrumente noch nicht wirken. Das hätte man andersherum machen müssen. Erst wenn das "Fördern" klappt, kann man auch mehr von den Arbeitssuchenden fordern.
· dass bei der Reform der Unternehmensbesteuerung die Erlöse von Beteiligungsverkäufen auf Wunsch unseres Koalitionspartners komplett steuerfrei gestellt wurden
Fage 6: Wir wollen noch viel erreichen:
· dass es beim Atomausstieg bleibt und die Energiewende weiter vorangetrieben wird
· dass die Subventionen gesenkt werden und stattdessen in Forschung und Entwicklung investiert werden
· dass die Lohnnebenkosten gezielt für niedrige Lohngruppen gesenkt werden damit neue Jobs, z.B. im Dienstleistungsbereich entstehen
· dass wir bei Gesundheit und Pflege die solidarische Bürgerversicherung für alle bekommen
· dass wir Umwelt und Innovation verbinden und damit viele neue Jobs ermöglichen
· dass wir für eine gerecht gestaltete Globalisierung sorgen
· dass die Verbraucher stärkere Rechte bekommen
· dass auch weiterhin in Deutschland die Minderheitenrechte gewahrt bleiben
· dass wir eine Schule bekommen, die Kinder nicht aussortiert, sondern individuell nach ihren Fähigkeiten fördert
· dass Deutschland eine solide und allen Generationen gerechte Finanzpolitik bekommt.
Frage 7: Meine Arbeitsschwerpunkte Wirtschaft und Ökologie sind gerade für Bergedorf und Harburg wichtig, da beide Bezirke sowohl Industriestandorte als auch ländliche Regionen umfassen. So sind gerade in ländlichen Regionen Windkraft und zukünftig auch Biomasse ein weiteres wichtiges Standbein für landwirtschaftliche Betriebe. Auch die Agrarwende ist wichtig.
Da Bergedorf und Harburg schon sehr lange von den gleichen Personen im Bundestag vertreten wurden, ist es Zeit für frischen Wind durch einen personellen Neuanfang. Es spricht bei dieser Wahl aber grundsätzlich einiges dafür, grundsätzlich mit der Erststimme für die Grünen zu stimmen, wenn man sichergehen will, dass die rot-grüne Politik angesichts einer diskutierten großen Koalition weiter geführt wird. Ich will aber nicht verschweigen, dass für uns Grüne die Zweitstimme die wichtigere Stimme ist, da von ihr abhängtm wie groß der grüne Einfluss im nächsten Bundestag sein wird.