Frage an Jens Kerstan von Carla O. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Kerstan,
ihre Partei hat nun einem Faktencheck für Olympia zugestimmt und spricht sich für eine ergebnisoffene Prüfung aus, was ja erst mal vernünftig klingt. So werden derzeit also Kosten und Projekte geschätzt und der Bürger soll schon zur nächsten Bürgerschaftswahl über Olympia 2024 in Hamburg entscheiden.
Betrachtet man den knappen Zeitrahmen, kommen Irritationen auf, wie transparent so ein Verfahren zu diesem Zeitpunkt überhaupt sein kann. So weichen die Konzepte, die angehende Olympia-Städte jeweils beim IOC mit der Bewerbung einreichen, in der Umsetzung erheblich vom ursprünglichen Plan ab. Letztlich gibt der IOC (wenn er den Zuschlag vegeben hat) vor, wie Olympia umgesetzt werden wird und sichert sich dies mit einem umfangreichen Vertragswerk ab. Und auch ihr Vorschlag, der profitorientierte IOC möge sich selbst reformiert, ist - mit Verlaub - mehr als naiv.
Stattdessen wird nun von Politik und Olympialobby suggeriert, es gäbe nachhaltige und faire Spiele und die Bürger/innen sollen angehalten werden, einen Blankoscheck im Form eines von oben initiierten Volksbegehren auszustellen.
Meine Frage: Warum beteiligen sich die GRÜNEN an dieser Olympia-Kampagne anstatt deutlich zu machen, dass es in Hamburg für diese olympische Gigantomanie (und wir reden hier von Kosten von 1 Mrd. Euro, die sich sicherlich noch elbphilharmonisch entwickeln werden) keinen Platz gibt?
Über eine Antwort freue ich mich.
Herzliche Grüße,
C. Obens
Sehr geehrte Frau Obens,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen gerne beantworten möchte.
Wir haben uns als Grüne dagegen entschieden, eine Olympia-Bewerbung zu diesem sehr frühen Zeitpunkt kategorisch abzulehnen. Vor einer inhaltlichen Festlegung Für oder Gegen eine Hamburger Bewerbung wollen wir uns sorgfältig mit den Fakten auseinandersetzen und die Risiken und Chancen für Hamburg in unserer Partei ausführlich diskutieren. Angesichts der Tragweite einer solchen Entscheidung für die Entwicklung unserer Stadt ist dies aus meiner Sicht ein angemessener und guter Weg hin zu einer abschließenden „grünen“ Position.
Die Skepsis gegenüber einer Hamburger Olympia-Bewerbung ist in unseren Reihen sehr groß. Das hat auch mit den Kostensteigerungen bei Großprojekten dieser Art zu tun, die nicht von der Hand zu weisen sind. So umfangreiche Infrastrukturmaßnahmen bergen auf Grund der langen Planungsvorläufe, der sich ändernden Anforderungen und nicht zuletzt auch durch politisch motivierte „Niedrigschätzungen“ ein hohes Risiko der Kostenüberschreitung. Wir sehen dieses Problem. Hamburg darf sich mit einer Olympia-Bewerbung auf keinen Fall überheben und unverantwortliche finanzielle Risiken eingehen. Wir haben auch die klare Erwartung, dass olympische Spiele nachhaltiger werden müssen. Der Gigantismus der letzten Jahre war falsch und schadet langfristig der olympischen Idee. Die City Host Verträge müssen sich deutlich in Richtung einer fairen Teilung von Einnahmen und Risiken verändern - ebenso das IOC in Bezug auf Transparenz und demokratische Strukturen. Das mag auf den ersten Blick naiv klingen, aber wir haben als politische Partei auch die Aufgabe, die Erwartungen vieler Bürgerinnen und Bürger öffentlich zu vertreten und die Verantwortlichen in den nationalen und internationalen Gremien aufzufordern, endlich grundlegende Reformen einzuleiten. Wenn es in diesen Bereichen keine erkennbare Bewegung gibt, werden wir eine Olympia-Kampagne auch nicht unterstützen.
Bis Februar 2015 kann es aus meiner Sicht keinen belastbaren Planungsstand geben, der eine substantielle Beurteilung der Kosten, Chancen und Risiken erlaubt. Ein Referendum parallel zur Bürgerschaftswahl ist für uns daher keine Option – es muss zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Die Hamburgerinnen und Hamburger müssen ihre Entscheidung auf einer vernünftigen Grundlage treffen können.
Ich hoffe, dass Ihnen meine Antwort unseren aktuellen Diskussionsstand deutlich macht und die bisherigen Entscheidungen unserer Fraktion erklärt.
Mit freundlichen Grüßen
Jens Kerstan