Frage an Jens Kerstan von Stefan H. bezüglich Staat und Verwaltung
Sehr geehrter Herr Kerstan,
die Bezirksverwaltung Bergedorf hat für seine Mitabeiter des Jugendamtes, des Sozialamtes und des Gesundheitsamtes Großraumbüros angemietet. Halten Sie dieses Modell für zukunftsweisend?
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Hölscher
Sehr geehrter Herr Hölscher,
vielen Dank für Ihre Frage.
Im Rahmen der Bezirksverwaltungsreform wurde in Bergedorf am 15. Dezember 2010 das Soziale Dienstleistungszentrum (SDZ) im Erweiterungsbau des CCB am Bergedorfer Bahnhof eröffnet. Folgende Dienstleistungsangebote sind hier für die Bürger unter einem Dach vereint: Einwohner-, Jugend-, Gesundheits- sowie Grundsicherungs- und Sozialamt. Diese Einrichtungen waren bis dahin auf 17 Gebäude an 3 nicht durchweg gut erreichbaren Standorten verteilt.
Die Verwaltung hatte bei der Konzipierung des SDZ drei Prämissen: Bürgerfreundlichkeit, Bürgernähe und Mitarbeiterfreundlichkeit. Im Zentrum am Bahnhof wurde ein Raumkonzept realisiert, das vorrangig aus Sicht der Kunden gedacht ist und zugleich die Kommunikation zwischen den Dienststellen erleichtern soll. So findet im Empfangsbereich bzw. dem Info-Tresen eine Vorprüfung des Anliegens statt. Dann wird gezielt in den entsprechenden Zuständigkeitsbereich weitergeleitet, wo der nächste freie Mitarbeiter die Beratung vornimmt und abschließt. Jedes Amt hat eine gewisse Anzahl von separatem Beratungsräumen, Ärzte und Psychologen stehen jeweils eigene Büroräume zur Verfügung.
Ziel ist, die Wartezeiten zu verkürzen und Hilfe aus einer Hand anzubieten. Dieses Modell ist prinzipiell sinnvoll, allerdings muss in der Praxis überprüft werden, ob die räumlichen Vorgaben und die Ausstattung dem inhaltlichen Ziel gerecht werden. Gegebenenfalls bedarf es einer Nachsteuerung.
Im SDZ Bergedorf sind 240 Mitarbeiter in offener Arbeitsweise in Großraumbüros untergebracht. Geschuldet ist diese Entscheidung der Notwendigkeit, alle Arbeitsplätze unterzubringen. Einzelbüros (wie sie vor der Zentralisierung zur Verfügung standen) konnten aufgrund der Gebäudestruktur nicht realisiert werden. In einer so genannten strukturierten Bürolandschaft kommt der Qualität des Innenausbaus und der Ausstattung der Arbeitsplätze eine große Bedeutung zu. So sind z.B. Schall schluckende Elemente unverzichtbar. Meines Wissens wurde deswegen bereits Kritik von Seiten der Mitarbeiter/innen geäußert: Neben dem sehr trockenen Raumklima mangels Klimaanlage und zu weniger Fenster zum Lüften erschwert der sehr hohe Geräuschpegel aufgrund dienstlicher Gespräche und Telefonate das konzentrierte Arbeiten. Die Besprechungsräume, die von den Sachbearbeiter/innen nun statt der ehemaligen Einzelbüros genutzt werden, haben keine Fenster und sind durch Glaswände voneinander getrennt. Es stellt sich die Frage nach Datenschutz und Anonymität. Für das Jugendamt (ehemals "vor Ort" in Bergedorf West) stellt die Zentralisierung meiner Einschätzung nach ein besonderes Problem dar, denn der Weg zu den Betroffenen, die akuter Hilfe bedürfen, hat sich beidseitig verlängert bzw. erschwert. Das sozialräumliche Konzept kann im Bezirk Bergedorf, der den höchsten Jugendanteil aller Bezirke hat, so nur schwer gewährleistet werden.
Im Planungsprozess wurden die Mitarbeiter/innen zwar beteiligt, deren Einwände aber zu wenig berücksichtigt. Gewerkschaft und Personalräte haben zur aktuellen Situation bereits Stellung genommen, da Krankmeldungen und Kündigungen der Mitarbeiter/innen im SDZ einen Qualitätsverlust für den Bezirk Bergedorf bedeuten. Nachbesserungen sollten aus meiner Sicht ernsthaft geprüft werden, denn das Gebäude scheint für die Bedürfnisse der Verwaltung nicht optimal zu sein - dies besonders vor dem Hintergrund, dass der Mietvertrag mit dem Investor auf 16 Jahre abgeschlossen wurde.
Mit freundlichen Grüßen,
Jens Kerstan (MdHB)