Frage an Jens Kerstan von Jesko J. bezüglich Jugend
Sehr geehrter Herr Kerstan,
da Sie auf persönliche mails anscheinend nicht antworten, frage ich Sie hier noch einmal zu ihrem Interview aus der Welt am 23.4.2010. Ich beziehe mich auf die Frage zu Volksentscheid und Kita-Gebühren:
- Finden Sie nicht auch, dass Sie einen Streit zwischen Landes- und Bundespolitik nicht im Haushalt der Bürger austragen sollten?
- Wo genau bauen Sie den Kitabereich aus? Nennen Sie mir doch bitte Daten, Zahlen, Orte....
- Glauben Sie, die Entlastungen werden die Gebührenerhöhungen übersteigen? Auf der Basis welcher Zahlen rechnen Sie das aus?
- Z.B. in Berlin und Düsseldorf gibt es drei freie Kitajahre. Das Hamburger Jahr mit der Einschränkung für die Kann-Kinder ist wohl nicht mehr als eine ungeschlagene Sahnehaube. Diese Maßnahmen kassieren Sie spätestens mit der Gebührenerhöhung.
Vielen Dank führ Ihre Antworten
Sehr geehrter Herr Johannsen,
ehe ich zur Beantwortung Ihrer Fragen komme, eine Anmerkung:
Sie können sich sicher vorstellen, dass mich sehr viele Zuschriften zu politisch aktuellen Themen erreichen. Diese so ausführlich zu beantworten, wie es ihnen gebührt, braucht Zeit. Etwas Geduld ist meiner Meinung nach durchaus angebracht - im Gegensatz zur Tonalität, mit der Sie Ihre Anfrage einleiten.
Ursächlich für die schwierige Haushaltslage der Stadt ist die Wirtschafts- und Finanzkrise, sie wird zusätzlich erschwert durch die Klientelpolitik der Bundesregierung, die zu weiteren Steuerausfällen in Hamburg führt. Diese Steuerausfälle fehlen jetzt zur Finanzierung unseres Gemeinwesens. Wir haben uns in der Koalition trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen aber dafür entschieden, den Ausbau der Kindertagesbetreuung fortzusetzen. Die Finanzplanung sieht eine Ausgabensteigerung für den Kita-Bereich von derzeit 450 Millionen Euro auf rund 520 Millionen Euro bis zum Jahr 2012 vor. Bis dahin sollen ca. 5000 neue Krippenplätze (plus 40%) und fast 4000 zusätzliche Hortplätze (plus 21%) entstehen.
Die finanzielle Entlastung, die durch die Einführung der beitragsfreien fünfstündigen Basisbetreuung im Jahr vor der Schulpflicht entsteht, variiert selbstverständlich je nach Alter des Kindes, des Betreuungsumfangs, des Familieneinkommens und der Größe der Familie. Drei Viertel aller Familien werden von den neuen Beitragsstufen für Familien mit höheren Einkommen gar nicht betroffen sein, für Sie erhöht sich nur der Beitrag für das Mittagessen von derzeit 13 Euro auf 21 Euro in Krippe und Kita. Die jährlichen Mehrkosten betragen für diese Gruppe 96 Euro. Die Entlastung im Jahr vor der Schule beträgt entsprechend der Einkommensverhältnisse und der Familiengröße zwischen 324 Euro und maximal 3504 Euro pro Jahr.
Aber auch bei den Höchstsatzzahlern können Entlastungseffekte auftreten. Der Höchstsatz für einen 8-Stunden-Gutschein (Krippe/Elementar) betrug bisher 383 Euro pro Monat. Rechnet man die bisherige Mittagessengebühr von 13 Euro hinzu, entstanden Kosten von 4752 Euro pro Jahr. Durch den neuen Höchstsatz von 483 Euro und die neue Mittagessengebühr von 21 Euro entstehen diesen Familien pro Jahr Mehrkosten von 1296 Euro. Dem gegenüber steht zukünftig eine Entlastung von 3504 Euro im Jahr vor der Schulpflicht. Fakt ist aber auch, dass Familien mit Hortkindern jetzt zusätzlich belastet werden, aber nicht mehr von der Beitragsfreiheit vor der Schule profitieren können.
Nicht nur Sie, sondern auch andere Eltern blicken nach Berlin oder in andere Kommunen. Wenn man solche Vergleiche anstellt, sollte nicht nur die Beitragsseite betrachtet werden, sondern auch die angebotenen gesetzlichen Leistungen und die Aufwendungen pro Kita-Platz in der Gesamtheit. Dabei können wir festzustellen, dass Hamburg im Bundesvergleich die zweithöchsten Aufwendungen pro unter 10-jährigem Kind in der Kindertagesbetreuung hat und im Vergleich der westdeutschen Bundesländer die umfassendsten Rechtsansprüche garantiert, insbesondere zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Anders ist die Situation in Berlin. Auch dort gibt es umfangreiche Betreuungsrechtsansprüche, der Unterschied zu Hamburg ist aber, dass Berlin hoch verschuldet ist. Deshalb geben die Hamburger Steuerzahlerinnen und Steuerzahler über den Länderfinanzausgleich Millionen an Bundesländer wie Berlin, die nicht so nachhaltig wirtschaften - Millionen, die in Hamburg natürlich für die Finanzierung von Maßnahmen fehlen.
Wir haben uns in der Koalition für einen anderen Weg entschieden und wollen die Kostensteigerungen nicht den nachfolgenden Generationen durch neue Schulden aufbürden.
Mit freundlichen Grüßen,
Jens Kerstan