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Jens Kerstan
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Frage von Claus D. M. •

Frage an Jens Kerstan von Claus D. M. bezüglich Bildung und Erziehung

Hallo Herr Kerstan,

Ihre Antwort von heute, zur Frage der Nichtteilnahme an Schalthoff live, kann ich nachvollziehen.

Ihre Aussagen zum gefundenen Kompromiss der Fraktionen sehe ich sehr anders:
- Mit dem Elternwahlrecht; sprich Probejahr (7.Jahrgang) des Gymnasiums, schaffen Sie eine ungeheure Stresssituation für Schüler und Eltern.
- Mit den dann Anfang der 8.Klasse aus den Gymnasien an die Stadtteilschulen "zurückflutenden" Schülern erschweren Sie die Arbeit der Stadtteilschulen zusätzlich.

Welche Mittel wollen Sie den Stadtteilschulen an die Hand geben um diese Probleme zu bewältigen?

MfG
Metzner

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Metzner,

wie Sie bereits wissen, gilt nach der Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes Folgendes: Das Elternwahlrecht, das bisher nach der vierten Klasse gilt, wird für die Primarschule in gleicher Form nach der sechsten Klasse eingeführt. Die Sorgeberechtigten entscheiden nach der Laufbahnempfehlung der Primarschule und nach eingehender fachlich-pädagogischer Beratung, welche Schulform das Kind anschließend besuchen soll. Diese Änderung entspricht somit dem Wunsch Vieler, vor allem der Eltern, die ursprüngliche Abschaffung des Elternwahlrechts wieder rückgängig zu machen.

Am Ende der siebten Klasse des Gymnasiums entscheidet dann - entsprechend der bisherigen Praxis am Ende der sechsten Klasse - die Zeugniskonferenz über den Verbleib auf dem Gymnasium. Die Entscheidung erfolgt ohne Unterschied zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Gymnasialempfehlung. Die flächendeckende Einführung der Primarschule erfolgt verbindlich in drei Schritten: 2010 beginnen die Starterschulen, 2011 folgen alle Schulen, deren Gremien der Einführung nicht widersprechen und 2012 folgen alle übrigen Primarschulen. Insofern haben die Sorgeberechtigten bis zum Schuljahr 2011/12 auch das Wahlrecht nach der vierten Klasse über den Besuch der weiterführenden Schule. Bis dahin werden nach Bedarf an Gymnasien und Stadtteilschulen fünfte Klassen eingerichtet werden.

Eine stressige Situation erleben die Schülerinnen und Schüler in der vierten Klasse schon jetzt, weil sie bereits mit zehn Jahren wegen der Schulbahnempfehlung unter enormen Leistungsdruck stehen und unter Versagensängsten leiden, was hemmend auf die Persönlichkeits- und Lernentwicklung des Kindes wirkt. Die Kinder sind überfordert und die Erfolgserlebnisse bleiben aus. Dessen ungeachtet ist eine zuverlässige Beurteilung der Lernentwicklung der Kinder in diesem Alter nicht möglich, da sie sich unterschiedlich entwickeln. Eine Empfehlung nach der vierten Klasse ist daher mit erheblichen Unsicherheiten verbunden und führt demzufolge zum Teil zu Fehlprognosen. Dies wird an der Quote der Abschulungen deutlich: 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler müssen zurzeit aufgrund unzureichender Leistungen im Laufe ihrer Schulzeit das Gymnasium verlassen. Das bedeutet für Schülerinnen und Schüler viel Stress und viel Frust. Wegen der bereits erwähnten unterschiedlichen Entwicklung eines Kindes im Grundschulalter ist die Beurteilung der Kinder nach der sechsten Klasse effektiver, was zu einer erheblichen Reduzierung der Fehlprognose führt. Es ist außerdem bekannt, dass das längere gemeinsame Lernen bessere Entwicklungsmöglichkeiten für die Kinder schafft, nicht zuletzt durch die individuelle Förderung und die Entwicklung einer neuen Lernkultur, in welcher der/die Einzelne im Mittelpunkt steht! Am Ende der Jahrgangstufe 6 sind die Kinder gereifter und gefestigter und sie können Anforderungen selbstbewusster begegnen. Mit der Einführung der Primarschule wird zudem ein anderes Verfahren zur Beurteilung der Schülerinnen und Schüler angewandt.

Lernentwicklungsberichte, verbindliche und intensive Lernentwicklungsgespräche für Eltern, Lehrer und Kinder, die in den Jahrgangsstufen 0 bis 6 stattfinden, sowie das Kompetenzfeststellungsverfahren bilden zusammen eine sehr gute und gerechte Voraussetzung für die Leistungsbewertung der Schülerinnen und Schüler. Letztlich können auch die Eltern wegen der Lernentwicklungsgespräche die Leistungen der eigenen Kinder besser beurteilen. Es wird davon ausgegangen, dass aufgrund dieses Verfahrens die Zahl der Eltern, die sich gegen eine Empfehlung aussprechen, geringer ausfallen wird als bisher. Dementsprechend wird eine "Zurückflutung" von Schülerinnen und Schülern an die Stadtteilschulen gar nicht erst zu Stande kommen. Schülerinnen und Schüler, die keine Gymnasialempfehlung nach dem Probejahr erhalten, haben trotzdem die Chance, das Abitur in einer Stadtteilschule zu machen. Das ist ja auch eines der Ziele der Schulreform: Allen Kindern alle Wege offen zu lassen! Insofern werden mit der Schulreform neue, andere und vor allem bessere Rahmenbedingungen für jedes Kind geschaffen.

Mit freundlichen Grüßen,
Jens Kerstan