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Jan van Aken
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Frage von Johannes J. •

Frage an Jan van Aken von Johannes J. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Wollen Sie mitteilen, wie sie sich zum Bundeswehreinsatz in Syrien zum Schutz der Chemiewaffenvernichtung positionieren und wie sie abstimmen werden?

Herzliche Grüße

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Jakob,
danke für die Frage. Ich habe mich in der gestrigen Abstimmung enthalten und dies in meiner Plenarrede begründet: http://www.youtube.com/watch?v=qgKgCpYYXAo&list=UUF2SPLBq18sL88yZw9m-GZQ

Es gibt sehr gute Gründe für und sehr gute Gründe gegen den Einsatz der deutschen Fregatte zum Schutz der Giftgasvernichtung im Mittelmeer.
Das Ziel des Einsatzes ist völlig richtig, die LINKE setzt sich immer für Abrüstung ein. Ich persönlich arbeite nun schon seit 15 Jahren gegen biologische und chemische Waffen, deshalb ist es für mich eine echte Herzensangelegenheit, dass jetzt das gesamte syrische Chemiewaffen-Programm vernichtet wird. Und Deutschland hat meiner Ansicht nach eine ganz besondere Verantwortung, diese Vernichtung zu unterstützen, denn es waren deutsche Firmen, die das Chemiewaffen-Programm in den 1980er Jahren maßgeblich mit aufgebaut haben. Das alles spricht für eine klare Zustimmung zu dem Einsatz.

Auf der anderen Seite darf man diesen Einsatz aber nicht isoliert betrachten, er findet nicht in einem luftleeren Raum statt. Praktisch gleichzeitig mit dem Einsatz zur Chemiewaffen-Vernichtung entscheidet der Bundestag gleich noch über zwei andere, ganz neue Bundeswehreinsätze, in Somalia und in der Zentralafrikanischen Republik. Gerade erst haben Gauck, von der Leyen und Steinmeier eine noch stärkere Militarisierung der Außenpolitik verkündet. Eine deutsche Außenpolitik, die massiv und einseitig auf Einsätze der Bundeswehr zur Unterstreichung eigener internationaler Ansprüche unter dem Label „mehr Verantwortung“ setzt, werde ich auf keinen Fall unterstützen. Auch dieser Einsatz soll dazu beitragen, die Bevölkerung an den weltweiten Einsatz der Bundeswehr als Mittel deutscher Außenpolitik zu gewöhnen. Dazu kommt, dass dieser Einsatz als Operation der NATO (und nicht etwa der UNO) geführt wird und dass er auf den gesamten Nordatlantik ausgeweitet wurde. Das alles spricht für eine klare Ablehnung des Einsatzes.

Beide Argumente – für Abrüstung, gegen eine militarisierte Außenpolitik – sind für mich richtig und wichtig. Ich habe mich bei der Abwägung für eine Enthaltung entschieden, denn ich werde unter diesen politischen Rahmenbedingungen niemals einem Bundeswehreinsatz zustimmen. Genauso wenig kann ich als jemand, der sein halbes Leben lang dem Kampf gegen Bio- und Chemiewaffen gewidmet hat, eine sinnvolle, notwendige Abrüstungsmaßnahme ablehnen.

Dieser Einsatz läuft völlig quer zu allen Kategorien, mit denen bislang innerhalb der LINKEN über Auslandseinsätze diskutiert worden ist. So haben wir bislang Einsätze unter Kapitel VII der UN-Charta mit „Kampfeinsätzen“ gleichgesetzt, um sie von „Blauhelmeinsätzen“ unter Kapitel VI abzugrenzen.

Dieser Einsatz ist nun eindeutig ein potentieller Kampfeinsatz, denn sein Auftrag ist es ja gerade, die Cape Ray (das US-Schiff, auf dem die Chemiewaffen vernichtet werden) vor gewalttätigen Angriffen zu schützen, dafür müssten die Bundeswehrsoldaten im Zweifelsfall dann auch zu den Waffen greifen. Aber es ist kein Kapitel VII-Einsatz, denn entgegen anders lautender Behauptungen bezieht sich die zugrundeliegende UN-Resolution 2118 eben nicht auf Kapitel VII.

Das Parteiprogramm der LINKEN unterstützt praktisch beide Positionen, für und gegen diesen Einsatz, denn einerseits wird Abrüstung als zentrales Ziel genannt, andererseits werden Auslandseinsätze abgelehnt. Abrüstung gehört genau so zu unseren friedenspolitischen Grundsätzen wie die Ablehnung von Bundeswehreinsätzen. Antimilitarismus heißt für mich auch beides, sich gegen Auslandseinsätze und für Abrüstung, für die Vernichtung von Waffen einzusetzen.

Über die tatsächliche Notwendigkeit des Einsatzes wird momentan viel diskutiert, dabei fallen verschiedene Argumente:

• Es gäbe gar keine Bedrohung, der Einsatz sei nur symbolisch. Das finde ich sehr gewagt, denn natürlich ist es vorstellbar, dass nichtstaatliche Akteure (auch organisierte Kriminalität zum Beispiel) ein sehr großes Interesse haben, sich 20 Tonnen Senfgas oder Nervengas zu organisieren. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Angriff vielleicht sehr gering ist – sie ist nicht gleich Null, und niemand darf riskieren, diese heikle Fracht einfach ungeschützt wochenlang im Mittelmeer herumschwimmen zu lassen. Eine Bewachung ist real notwendig und gar nicht symbolisch. Es handelt sich auch tatsächlich um einsatzfähiges, fertiges, tödliches Senfgas, nicht um „Giftmüll“, wie es manchmal verniedlichend genannt wird.

• Der Schutz sei eine polizeiliche Aufgabe, keine militärische. Völlig richtig, auch ich habe zunächst dafür plädiert, das von Küstenwachen-Schiffen schützen zu lassen. Aber ganz praktisch würde das wohl nicht ausreichen. Küstenwachen sind nicht dafür ausgerüstet, einen möglichen Angriff mit schwer bewaffneten Schnellbooten zu verhindern.

• Es brauche die Bundeswehr gar nicht, das könnten doch auch die USA oder Russland allein machen. Richtig, aber mit welchem Grund finden wir einen militärischen Schutz durch die USA richtig, einen durch die Bundeswehr aber falsch? Finden wir eine Militarisierung der Außenpolitik in Russland ok, nicht aber in Deutschland? Und wollen wir tatsächlich den Amis die ganze Operation allein überlassen, unkontrolliert?

• Es brauche die Bundeswehr gar nicht, weil sich im Mittelmeer schon jetzt diverse Marinen tummeln und sich niemand dort unbeobachtet aufhalten kann. Das ist für mich überhaupt kein Argument, denn damit würden wir doch indirekt diese massive militärische Präsenz akzeptieren und sogar noch adeln, indem wir ihr den Schutz der Chemiewaffenvernichtung indirekt überlassen.

Das Mandat stinkt zum Himmel. Der ganze Einsatz ist als NATO-Operation angelegt. Misstrauisch macht mich auch, dass das Einsatzgebiet laut Mandat gleich den ganzen Nordatlantik „mit angrenzenden Seegebieten“ einschließen soll. Außerdem sollen „Lagebildinformationen“ mit anderen Akteuren ausgetauscht werden. In Anbetracht des massiv ausgedehnten Mandates muss ich davon ausgehen, dass dieser Einsatz auch andere Ziele als die Vernichtung der Chemiewaffen verfolgt und zum Beispiel einen Beitrag zur Kontrolle des gesamten Mittelmeeres oder zur Informationssammlung für andere Einsätze/Konflikte liefern soll.

Beste Grüße
Jan van Aken