Frage an Jan Philipp Albrecht von Anne A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Albrecht,
wir sind 2 Schülerinnen, die einige Fragen zum BND und NSA Konflikt haben.
Und zwar:
Wie kann es sein, dass die Komunikation zwischen Kanzleramt und BND nicht funktioniert hat? Oder, wusste man mehr, als man heute zugibt?
Wie kann es sein, dass die BND- Mitarbeiter, obwohl sie bereits 2008 erkannt hatten, dass "diverse Selektoren nichts mit seinem gesetzlichen Auftrag zu tun hatten und auch nicht vom sogenannten Memorandum of Agreement abgedeckt waren" [ http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2015-04/ueberwachung-bnd-half-nsa-wirtschaftsspionage-europa (30.04.2015)], trotzdem nichts gemeldet haben? Sind sie dazu nicht verpflichtet?
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, unsere Fragen zu lesen.
Wir würden uns über eine Antwort freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Justine Dartmann und A. A.
Liebe Justine Dartmann,
liebe Anne Albersmann,
vielen Dank für Ihre kritischen und berechtigten Fragen zur BND- und NSA-Affäre. In dem Zeit-Online Artikel vom 23.04.2015, auf den Sie verweisen, werden nochmals neue Dimensionen des Überwachungsskandals in Europa und den USA offen gelegt. Es ist nun klarer als je zuvor, dass nicht nur die NSA, sondern auch Nachrichtendienste in der EU wie der Bundesnachrichtendienst massenhaft Daten über Unternehmen, PolitikerInnen und BürgerInnen sammeln.
Auf Ihre Fragen, wie es sein kann, dass die Komunikation zwischen Kanzleramt und BND nicht funktioniert hat und ob die Parteien mehr wissen als sie zugeben, werden wir derzeit wohl keine konkreten Antworten bekommen. Aber die Angst des BND, von den Erkenntnissen und der Hilfe der NSA abgeschnitten zu werden, wie es auch in dem Artikel angesprochen wird, ist sicherlich eine Möglichkeit. Dennoch dürfen wir uns mit Vermutungen nicht zufrieden geben. Wie in dem Artikel richtig beschrieben, handelt es sich vorliegend "um mehr als eine Panne" und einen "zweiten Skandal", der aufgeklärt werden muss.
Auf nationaler Ebene wird der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages die Angelegenheit untersuchen und das Ausmaß und die Hintergründe der Ausspähungen und der Rolle des Bundesnachrichtendienstes in dieser Sache, sowie die Probleme mit der fachlichen Aufsicht über den BND durch das Kanzleramt offen legen. Aber auch auf europäischer Ebene muss reagiert werden. Nachdem Angela Merkel nach den ersten Enthüllungen von Edward Snowden vollmundig erklärte, dass das "Ausspähen unter Freunden gar nicht geht", müssen schließlich Taten folgen. Angela Merkel und die Staats- und Regierungschefs aller EU-Mitgliedsstaaten müssen die Überwachungsaktivitäten in der EU vollständig transparent machen und klare Regeln für die nationale Sicherheit festlegen. Zudem muss die Europäische Kommission die Möglichkeiten eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland und andere EU-Mitgliedstaaten prüfen in den Fällen, in denen Überwachung nicht mit der Definition von 'nationaler Sicherheit' übereinstimmt, wie sie im EU-Vertrag steht.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen zufriedenstellend beantworten konnte.
Mit besten Grüßen aus Brüssel
Jan Philipp Albrecht