Frage an Jan Philipp Albrecht von Maximilian K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Albrecht,
mit Interesse habe ich Ihr Buch "Finger weg von unseren Daten" gelesen, in dem Sie die Überwachung unserer Gesellschaft aufzeigen. Jedoch bin ich der Meinung, dass Überwachung auch ihre positiven Seiten haben kann. Denken Sie nicht vielleicht auch, dass Überwachung zum Schutz der Allgemeinheit beitragen kann, wenn man sie verantwortungsvoll, zum Beispiel für die Verhinderung von Terroranschlägen wie z. B. in Frankreich einsetzt?
Ich hoffe auf Ihre baldige Antwort,
Viele Grüße M. K.
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an meinem Buch.
Sie werfen eine zentrale Frage in der Anti-Terror-Diskussion auf: Wie weit darf/muss staatliche Überwachung gehen, um Sicherheit zu gewährleisten? Sicherheitsmaßnahmen sind selbstverständlich notwendig, müssen jedoch gezielt stattfinden und dürfen nicht die Freiheit des Einzelnen unverhältnismäßig einschränken.
Seit dem Terroranschlag auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" in Paris werden auf EU-Ebene wieder unzählige Maßnahmen diskutiert, die ich als unverhältnismäßig betrachte.
Beispiel Vorratsdatenspeicherung: Telekommunikations-Verbindungsdaten eines jeden Bürgers / einer jeden Bürgerin werden dadurch - verdachtslos - gespeichert. Das Bundesverfassungsgericht erklärte dies bereits 2010 für verfassungswidrig; die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wurde im vergangenen Jahr vom Europäischen Gerichtshof gekippt mit der Begründung, dass diese "einen Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige beschränkt" beinhalte.
In Frankreich existiert die Vorratsdatenspeicherung bis heute, lieferte jedoch auch keine Hinweise auf das Attentat in Paris. Die Täter waren zudem bereits der Polizei bekannt. Ebenso in Boston oder Ottawa. Verhindert werden konnten die Terroranschläge dadurch nicht.
Die Reaktion auf Paris kann also nicht eine weitere Ausweitung der generellen Überwachung sein, welche Anschläge auch in Zukunft nicht generell verhindern wird können. Wir dürfen nicht Millionen von Menschen überwachen, weder beim Fliegen (Fluggastdaten-Abkommen), noch beim Surfen im Internet oder am Telefon: damit Überwachungsmaßnahmen nicht in einen Generalverdacht gegen jeden Bürger / jede Bürgerin münden. Es ist ein Irrglaube, mehr Sicherheit durch mehr anlasslose Überwachung schaffen zu wollen.
Polizei- und Sicherheitsbehörden sollten vielmehr anlassbezogen arbeiten. Angestrebt werden sollte eine verbesserte Kooperation der Behörden in Bezug auf den Austausch von Informationen in der Europäischen Union.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Philipp Albrecht