Frage an Jan Philipp Albrecht von Alexander M. bezüglich Wirtschaft
Guten Tag Herr Albrecht,
wie können Sie noch die Privatisierungsgefahr der Trinkwasserversorgung durch die Hintertür einer DienstleistungsKonzessions-Vergabe durch die EU-Kommission verhindern ?
1) Hat das Parlament überhaupt eine Chance gegen Kommissionsentscheidungen zu stimmen?
2) Was halten Sie von der Initiative der "Bereichsausnahmwe Wasser" und ist diese durchsetzbar?
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Mahlmann
Sehr geehrte Herr Alexander Mahlmann,
vielen Dank für Ihre Nachricht, ich teile Ihre Besorgnis. Um einen erhöhten Druck auf die Öffnung des Wassermarktes zu verhindern haben wir GRÜNE uns daher von Anfang an für eine Ablehnung der Konzessionsrichtlinie stark gemacht.
Ich lehne den Vorschlag der EU-Kommission zur Regulierung von Dienstleistungskonzessionen ab. Leider haben aber die Anträge der GRÜNEN die Richtlinie abzulehnen, wenigstens aber das Wasser auszunehmen, keine Mehrheit im federführenden Ausschuss (IMCO) am 24.1. bekommen. Die großen Fraktionen sowie die Liberalen haben mehrheitlich für diese Richtlinie gestimmt. Wir hoffen nun wenigstens mit Unterstützung der Konservativen noch eine Abstimmung im Plenum des Europaparlamentes durchsetzen zu können bevor die Verhandlungen mit Rat und Kommission beginnen.
Was bringt diese Richtlinie: die Richtlinie verlangt nicht die Privatisierung des Wassers, dazu hätte die EU auch gar keine Regelungskompetenz (allerdings macht sie es dennoch durch die Hintertür in Staaten, die finanzielle Unterstützung durch den ESM bekommen. So hat die EU-Kommission im Rahmen der Empfehlungen der Troika für Portugal und Griechenland die Privatisierung des Wassersektors verlangt - siehe http://www.heide-ruehle.de/heide/fe/pub/de/dct/917 ), die vorgeschlagene Richtlinie erschwert aber erheblich die Bedingungen für Stadtwerke und kommunale Zweckverbände und schafft eine komplexe und unsichere Rechtslage für den öffentlichen Sektor. Man erzeugt damit Druck, mit dem Ergebnis, dass viele Kommunen um rechtlich auf der sicheren Seite zu stehen und keinen langwierigen Rechtsstreit zu provozieren, erwägen werden, ihre Wasserkonzessionen künftig europaweit auszuschreiben. Dann kann sich zwar auch das Stadtwerk bewerben, aber eben genauso große europaweit-tätige private Konzerne.
Außerdem verschärft man die Bedingungen für die Kommunen, die aus Finanznot - und weil ihnen das in der Vergangenheit von allen Seiten so empfohlen wurde - Private mit ins Boot geholt haben. Häufig fehlt nun das Geld für den Rückkauf und die Kommune wird gezwungen - obwohl die Bürgerinnen und Bürger das mehrheitlich nicht wollen - vollständig zu privatisieren.
Das wesentliche Gegenargument gegen diese Richtlinie ist aber, dass sie völlig die Bedingungen ausklammert, unter denen heute Dienste der Daseinsvorsorge wie das Wasser erbracht werden müssen. Angesichts der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise, einer hohen und wachsenden Staatsverschuldung, angesichts drohender Konsequenzen von Klimawandel und demographischer Entwicklung braucht der öffentliche Sektor Spielräume für Modernisierung und Effektivierung. In vielen Bereichen stehen hohe Investitionen an, die eine Kommune allein nicht bewältigen kann, dafür bedarf es der Kooperation mit anderen Kommunen. Nach einer Studie der Kommission können durch kommunale Kooperationen bis zu 30 % der Kosten gespart werden.
Diese hohen Synergieeffekte werden nun durch diese Richtlinie beschnitten und der öffentliche Sektor gezielt schlechter gestellt als der Private.
Grundsätzlich hat das Parlament immer die Chance gegen die Konzessionsrichtlinie zu stimmen. Ich setze mich dafür ein, dass die Konzessionsrichtlinie im Plenum behandelt wird, bevor das Parlament in Verhandlungen mit Rat und Kommission eintritt. Das Parlament hat immer noch die Möglichkeit, im Plenum gegen die Konzessionsrichtlinie zu stimmen, auch wenn der Ende Januar abgestimmte Bericht des Binnenmarktausschusses die Richtlinie befürwortet und sich - gegen die Stimmen der GRÜNEN - gegen eine Ausnahme des Trinkwassersektors ausgesprochen hatte.
Sollte eine generelle Ablehnung der Richtlinie scheitern, halte ich eine Ausnahme für den Trinkwasserversorgungsektor für möglich und werde mich im Rahmen meiner Möglichkeiten mit allen Kräften dafür einsetzen. Dies kann sowohl im Rahmen der Abstimmung im Plenum, als auch im Rahmen der Verhandlungen mit Rat und Kommission geschehen.
Auch Sie können bei der Verhinderung der Konzessionsrichtlinie mithelfen!
Um eine Ausnahme für den Trinkwassersektors durchzusetzen, ist öffentlicher Druck wichtig, damit die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes für diese sehr wichtige Frage sensibilisiert werden. Ich unterstütze daher auch die Initiative "Right2Water" (http://www.right2water.eu/ ) und bitte auch Sie darum, diese Bürgerinitiative zu unterzeichnen, sowie Freunde und Bekannte - auch und besonders in anderen Europäischen Mitgliedsstaaten - auf diese Intitiative aufmerksam zu machen.
Ich hoffe, dass eine breite Unterstützung für die Europäische Bürgerinitiative "Wasser als Menschenrecht" - siehe http://www.heide-ruehle.de/heide/fe/pub/de/dct/895 und http://www.right2water.eu/de dazu beitragen kann den Druck zu verstärken.
Weitere Informationen können Sie der Homepage unserer verantwortlichen Abgeordneten Heide Rühle http://www.heide-ruehle.de entnehmen.
Mit freundlichen Grüssen
Jan Philipp Albrecht