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Jan Philipp Albrecht
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Frage von Gerhard K. •

Frage an Jan Philipp Albrecht von Gerhard K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Albrecht,

zuvor zum Verständnis meiner nachfolgenden Frage: ich bin immer zu allen Wahlen gegangen, ich werde auch weiterhin wählen gehen, aber ich werde die s.g. etablierten Parteien nicht mehr wählen. Grün habe ich bereits ein Mal meine Stimme gegeben, erlebe jedoch immer mehr, wie aus, positiv besetzt, liebevollen Umweltschützern "dicke" wortschwangere Personen geworden sind. "Sie" sind zum Mainstream geworden. SPD, CDU, FDP halten, es kommt auf die Wahrnehmung und nicht auf ihre internen politischen Überzeugungen an, alle, wie Grün, mittlerweile schamlos zum Kapital, zur Kürzung, d.h. anderen etwas wegnehmen, zur Verrohung und Beschneidung der Demokratie. Der ESm ist nur ein Beispiel.

Ich bin gegen das Europa, das ich derzeit wahrnehme. Ich halte dies für eine Form des Faschismus.

Wer, symbolisch, Jean Claude Juncker, Rettungspakete (und wir retten damit lediglich Kapital, mag sein auch aus meiner Lebensversicherung, aber dann verzichte ich lieber), die vorgekaute Europabegeisterung nicht liebt, der wird zum Miesepeter. Es ist zu erleben, dass Prof. Wilhelm Hankel nicht mehr in Talkshows spricht. Wird er noch eingeladen? (dies ist nat. nicht meine Frage an Sie) Schön, dass wenigstens Prof. Sinn (ifo) noch vor dem Wirtschaftsbeirat Bayern sprechen darf.

Sie sind jung, ich frage daher Sie, da ich meine, dass Sie noch eher mit der, aus meiner Sicht, vergleichsweise aufgeklärten Gemeinde von Internet-Usern und -Informationswahrnehmenden in Zusammenhang stehen.

Ich habe einen Abschlus in Recht und Wirtschaft, ich verstehe also Prof. Hankel und Prof. Sinn sehr gut. Wie ich meine ein Vorteil. Ich weiß, was ein Leistungsbilanzdefizit ist, ich weiß wie Geldschöpfung erfolgt.

Eigentlich möchte ich Sie fragen, wann der Euro aufgegeben wird :-), aber meine Frage an Sie lautet: Wann dürfen die Menschen in Europa endlich selbst entscheiden, wie geschöpftes Geld und erarbeiteter Wohlstand verteilt werden (an andere Staaten, Thema Leistungsbilanz, und im Innern, Thema Gerechtigkeit der Verteilung)?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Krause,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Ich kann Ihr Verständnis bezüglich der politischen Parteien in Deutschland nicht nachvollziehen. Sie haben Recht damit, dass die GRÜNEN mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Viele unserer Kernforderungen, wie der Atomausstieg, die Energiewende und die verstärkte Erzeugung von Energie aus alternativen Quellen, die Abschaffung der Wehrpflicht oder die Frauenquote, sind inzwischen Wirklichkeit geworden.

Die Entwicklung von der Subkultur vor 30 Jahren bis zum heutigen "Mainstream", um es mit Ihren Worten zu sagen, halte ich per se nicht für schlecht. Im Gegenteil! Es freut mich vielmehr, dass grüner Lebensstil für eine breite Gesellschaftsschicht erstrebenswert geworden ist.

Auch Ihre Ansicht, dass das derzeitige Europa "eine Form des Faschismus" sei, teile ich nicht. Die Finanzkrise hat zu einer umfassenden wirtschaftlichen und sozialen Krise geführt. Sie ist das Ergebnis der neoliberalen Deregulierung der Weltwirtschaft und der tiefgreifenden Liberalisierung, die die Märkte völlig voneinander abhängig gemacht hat. Wir GRÜNEN sind der Ansicht, dass die Gesetze des Marktes niemals Vorrang vor unseren sozialen Grundrechten haben dürfen. Der Zustand der Krise allerdings schürt Ängste. Auch die Angst davor, dass das europäische Projekt gescheitert sein könnte. Eine fortschreitende europäische Integration ist für uns die demokratische Antwort auf die Handlungsunfähigkeit der gewählten nationalen Vertreterinnen und Vertreter in der globalisierten Welt. Wir sollten dem Integrationsprozess daher nicht entgegenstehen, sondern ihn aktiv mitgestalten.

Sie sagen, wer die Europabegeisterung nicht teilt, wird zum "Miesepeter". So einfach ist das allerdings nicht. Es geht nicht um "Ja" oder "Nein" zur EU: Als GRÜNE sind wir der Ansicht, das wenn es Sinn macht Prozesse auf europäischer Ebene zu regeln, dies auch passieren sollte. Wer sich dem von vornherein verweigert, hat bereits verloren. Genauere Ausführungen und mehr Diskussionsanstöße zum Thema "Vereinigtes Europa" finden Sie auch auf meiner Webseite unter

http://www.janalbrecht.eu/publikationen/broschueren/diskussionsanstoesse-zum-state-of-the-european-union-und-zum-vereinigten-europa.html

Wenn Sie mehr über grüne Positionen zur Wirtschafts- und Haushaltspolitik erfahren möchten, empfehle ich Ihnen folgenden Link

http://www.greens-efa.eu/de/ein-gruener-investitionspakt-fuer-nachhaltige-wirtschafts-und-haushaltspolitik-7265.html

Ich hoffe, meine Antwort konnte Ihnen weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen

Jan Philipp Albrecht