Frage an Jan Philipp Albrecht von Werner L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Albrecht,
Seit Oktober 2011 sichert die Marechaussee (niederländische Grenzpolizei) alle größeren Grenzübergänge ihre Binnengrenzen mit Kamerasystemen, die jedes Fahrzeug incl. Frontinsassen ablichten und mit diversen Datenbanken (Polizei, Finanzamt, diverse Nachrichtendienste, etc.) abgleichen. Ob man in der Datenbank aufscheint oder nicht die Aufnahmen werden ca. vier Wochen bewahrt, mit anderen Worten Vorratsdatenspeicherung!
Diverse Journalisten und Datenschützer in den Niederlanden bemühten sich um bei den niederländischen Behörden bzw. Regierung nähere Informationen und Stellungsnahmen zu ergattern, leider ohne ersichtlichen Erfolg. Die Behörden und die niederländische Regierung verstecken sich hinter zweifelhaften, nichtssagenden und allgemeinen rhetorischen Antworten oder schweigen sich aus.
Ich bezweifle sehr, dass man mit dieser Art von (löchriger) Rasterfahndung bzw. automatisierten Grenzkontrollen tatsächlich das organisierte Verbrechen (Menschen- und Drogenhandel) wehren kann. Allerdings befürchte ich, als an der Grenze wohnende unbescholtene Bürger, ein gläserne Bürger zu werden, der bei jedem Grenzübertritt kontrolliert/registriert bzw. aufgezeichnet wird.
Inwieweit sind Sie hierüber informiert bzw. sehen Sie Handlungsbedarf. Inwieweit ist diese Maßnahme konform dem europäischen Gedanken von Reisefreiheit bzw. Datenschutz. Ist diese Maßnahme überhaupt konform den europäischen Vorschriften, den darüber schweigt sogar die niederländische Regierung.
Gerne würde ich in Kürze Ihren Standpunkt erfahren und ob Sie bzw. wie Sie dagegen vorgehen werden/wollen.
Mit freundlichen Grüßen,
Werner Luidolt
Sehr geehrter Herr Luidolt,
vielen Dank für ihre Anfrage zur Überwachung der niederländischen Grenzen. Ich entschuldige mich für die lange Bearbeitungszeit.
Ich setze mich schon lange gegen die anlasslose Speicherung von Daten ein und kann Ihre Sorgen so sehr gut nachvollziehen. Seit Januar 2012 errichteten die Niederlande ein Grenzüberwachungssystem um schwere Kriminalität zu stoppen. Dabei werden die Fahrzeugnummernschildern mit einer Datenbank abgeglichen und im Verdachtsfall kann es zu einer Stoppung des Fahrzeugs kommen. Nachdem ein Gerichtsurteil das Kameraüberwachungssystem zunächst verbot, dürfen die Kontrollen durch Entscheidung der nächsthöheren Gerichtsinstanz nun doch stattfinden. Jedoch mit der Einschränkung, dass die Kameras nur sechs Stunden täglich und maximal 90 Stunden im Monat eingesetzt werden. Dadurch handelt es sich rechtlich nicht mehr um permanente Grenzkontrollen (die nach Schengen nicht erlaubt wären), sondern um "Stichproben-Kontrollen".
Die Reisefreiheit im Schengenraum ist eine der wichtigsten Errungenschaften der EU. Durch digitale Überwachung der Einreise wird diese eingeschränkt und jede Bürgerin und Bürger unter Generalverdacht gestellt.
Die Grünen stehen für eine alternative Innenpolitik. Wir betrachten den Rechtsstaat als eine Errungenschaft, die geschützt werden muss und eine grundlegende Sicherheit gewährleistet sein muss. Die Frage der Mittel und der Verhältnismäßigkeit ist für uns Grüne dabei zentral. Wir fordern anstelle eines Überwachungsstaats, den Ausbau der polizeilichen Kooperationen und Eingriffe im konkreten und nachvollziehbaren Verdachtsfall. Die Maßnahme an der niederländischen Grenze stellt in der Tat eine Vorratsdatenspeicherung dar, die wir Grüne immer strikt abgelehnt haben. Beim Datenschutz im polizeilichen Bereich sind leider bisher die Mitgliedsstaaten überwiegend alleine zuständig. Wir arbeiten derzeit an einer neuen Richtlinie, die das ändern und allen Mitgliedstaaten einheitliche Regeln vorschreiben würde. Hier sperrt sich leider die Bundesregierung wie auch einige andere Mitgliedsstaaten. Wir brauchen darüber hinaus einen starken Kontroll- und Evaluationsmechanismus für Schengen, nicht nur an den Außengrenzen, sondern auch an den Binnengrenzen. Damit die Mitgliedssataaten die Reisefreiheit in der EU nicht weiter unterlaufen. Wir Grünen setzen uns in der EU nachdrücklich dafür ein und finden es skandalös, dass der Rat den Evaluationsmechanismus schwächen will. Im Gegenteil haben bereits andere europäische Mitgliedsstaaten Interesse an den Erfahrungen des niederländischen Modells gezeigt, darunter auch Deutschland.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Philipp Albrecht