Frage an Jan Philipp Albrecht von Hasko H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Albrecht
ich wende mich an Sie in Ihrer Funktion als Mitglied des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE).
Im europäischen Parlament steht eine Abstimmung zum ACTA-Abkommen an. Viele Parlamentarier beantworten Anfragen dazu mit einem Verweis auf die erwartete Stellungnahme des Handelsausschusses. Diese Kollegen schreiben oft, dass sie ihr Abstimmungsverhalten auf diese Stellungnahme stützen werden. Dieses Vorgehen halte ich für gefährlich.
Aus meiner Sicht muss sich zwingend(!) der Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) mit dem ACTA-Abkommen befassen, *wenn* den ausdrücklichen Bedenken der Bürger gegen das Abkommen Rechnung getragen werden soll. Würde das Thema ausschließlich dem Handelsausschuss überlassen, hieße das, die Sorgen der Wähler nicht nur zu ignorieren, sondern zu bestätigen.
Gerne würde ich Ihre Auffassung dazu erfahren. Sehen auch Sie das ACTA-Abkommen in seiner jetzigen Form als Bedrohung des Anspruchs auf Freiheit und Privatsphäre sowie ein ordentliches Gerichtsverfahren bei Gesetzesverstößen? Werden Sie sich dafür einsetzen, dass das ACTA-Abkommen dringlich vom LIBE behandelt wird und keine Abstimmung darüber vor einer Stellungnahme dieses Ausschusses stattfindet?
Mit freundlichen Grüßen
Hasko Heinecke
Sehr geehrter Herr Heinecke,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Abstimmungsverfahren über das Handelsabkommen ACTA im Europäischen Parlament.
Das Abkommen zielt darauf ab, dass die unterzeichnenden Staaten eine freiwillige Zusammenarbeit zwischen Internet-Zugangsanbietern und Rechteinhabern einführen. Dies birgt die Gefahr eines 3-Strikes-Strafverfahren, durch dieses Verfahren kann nach zwei Verwarnungen eine drastische Strafe ausgesprochen werden, ohne dass ein rechtliches Verfahren eingeleitet werden muss. Daher bin ich gemeinsam mit meiner Fraktion der Meinung, dass dieses Abkommen abgelehnt werden muss und nicht mit den Grundrechten der Europäischen Union vereinbar ist.
Der Handelsausschuss (INTA) des Europäischen Parlaments ist federführend in dem Verfahren und wird einen Bericht mit einer Abstimmungsempfehlung dem Plenum vorlegen. Daran ist aber niemand gebunden. Wir Grüne haben uns durch intensive Befassung mit ACTA in den letzten zwei Jahren eine feste ablehnende Meinung gebildet.
Wir haben uns daher auch dafür eingesetzt, dass ACTA nicht nur im Handelsausschuss INTA behandelt wird, da wir der Meinung sind, dass durch ACTA auch noch weitere Bereiche berührt werden, zum Beispiel auch im Bereich der Entwicklungspolitik. Weitere Ausschüsse (LIBE, JURI, ITRE, DEVE) werden daher Stellungnahmen zu dem Abkommen verfassen.
Ich stimme Ihnen vollkommen zu, dass eine Befassung des LIBE-Ausschuss mit ACTA unabdingbar ist, denn das Handelsabkommen greift weit in den Bereich der Bürgerrechte. Der LIBE-Ausschuss wird hier erstmals sogar eine Grundrechteabschätzung unter dem Lissabon-Vertrag nach Art. 36(2) der EP-Geschäftsordnung durchführen. Da dies etwas aufwändiger ist, wird derzeit zwischen den Ausschüssen der Zeitplan neu ausgehandelt, um sicherzustellen, dass die Stellungnahmen der beratenden Ausschüsse und vor allem des LIBE vor der Abstimmung im INTA vorliegen. Wir unterstützen das, legen aber gemeinsam mit vielen Abgeordneten Wert darauf, dass über ACTA noch vor der Sommerpause im Plenum abgestimmt wird. Vermutlich wird dies am 3. und 5. Juli sein.
In der Hoffnung Ihnen eine zufriedenstellende Auskunft gegeben haben zu können,
Mit freundlichen Grüßen
Jan Philipp Albrecht