Frage an Jan Philipp Albrecht von Maria S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Albrecht,
mich würde Ihre Position zum Thema ESM interessieren.
Wie stehen Sie den Vorschlägen einer gemeinsamen Wirtschaftsregierung und der Einführung von Eurobonds gegenüber? Sehen Sie mögliche Probleme im Zusammenhang mit dem bisherigen Fehlen einer europäischen Öffentlichkeit, dem Demokratiedefizit der EU und der derzeit debattierten Verlagerung von weitgehenden Kompetenzen auf die EU Ebene? In diesem Zusammenhang würde mich insbesondere interessieren, wie und ob Sie die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips in derartigen Maßnahmen berücksichtigt sehen und ob sie folglich die Steuerung von Wirtschaftspolitik auf der EU-Ebene für eine effiziente Lösung halten.
Sehr geehrte Maria Sauermann,
ich befürworte die Eurobonds und auch eine europäische Wirtschaftsregierung grundsätzlich. Die Schulden- und Eurokrise zeigt uns ja gerade sehr drastisch, dass die Probleme der grenzüberschreitend eng verzahnten Finanzmärkte nicht mehr auf rein nationaler Ebene gelöst werden können. Eurobonds gab es ja - nur nicht unter diesem Namen - bereits bei den Krediten der EU-Kommission an Ungarn und die Baltischen Staaten sowie bei den Anleihen des Europäischen Rettungsschirms EFSF - sie alle sind europäisch garantiert.
Eine Wirtschaftsregierung, die europaweit die Anstrengungen, aus der Krise herauszukommen, koordiniert, muss dann allerdings ernsthaft funktionieren und mehr sein als ein halbjährliches Kaffeekränzchen der Staats- und Regierungschefs, wie es Angela Merkel und Nicolas Sarkozy vorschwebt. Ich stimme daher Kommissionspräsident Barroso grundsätzlich zu, dass die Kommission hier eine stärkere Rolle bekommen muss. Zur demokratischen Absicherung muss auf jeden Fall das Europäische Parlament voll einbezogen werden. Hierzu werden mittelfristig auch Änderungen an den europäischen Verträgen nötig sein.
Das alles stellt eine Verlagerung von Kompetenzen auf die europäische Ebene dar. Das Subsidiaritätsprinzip sehe ich nicht verletzt, weil wie gesagt Lösungen auf rein nationaler Ebene in diesem Bereich nicht mehr funktionieren. Dennnoch ist eine enge Abstimmung zwischen beiden Ebenen kritisch, da die Maßnahmen ja national umgesetzt werden müssen. Wir Grünen im Europaparlament sind daher schon lange z.B. im regelmäßigen Austausch mit unseren KollegInnen in den nationalen Parlamenten und stimmen uns eng ab.
Das Problem der mangelnden europäischen Öffentlichkeit ist mir bekannt. Ich sehe aber auch, dass es nach und nach geringer wird, und ich arbeite selber täglich daran, dies zu ändern. Gerade die neuen Medien bieten hier ja eine Chance, und ich sehe dort das große Interesse an Berichten aus Brüssel, sobald die Leute verstanden haben, dass hier ein großer Teil der wichtigen politischen Entscheidungen getroffen wird. Wir Grüne setzen uns ja immer schon dafür ein, stärker nach Europa zu schauen.
Beste Grüße,
Jan Philipp Albrecht