Frage an Jan Philipp Albrecht von Max H. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Albrecht,
seit einiger Zeit sind Maghreb-Staaten wie Tunesien und Ägypten vermehrt medial zu sehen/hören, oft geht es in den Berichten auch um Armut. Dahaus resultiert meine Frage: Wie hilft die EU gegen die Armut (mit welchen Mitteln etc.)? Mit der Hilfe ist die Hilfe der letzten Jahre gemeint.
Mit freundlichen Grüßen
Max Hort
Sehr geehrter Herr Hort,
die europäische Entwicklungspolitik ist im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft festgeschrieben. Ziel dieser Entwicklungspolitik ist zum einen die Förderung einer nachhaltigen wirtschaftlichen, sozialen, demokratischen und rechtsstaatlichen Entwicklung der Entwicklungsländer sowie deren Eingliederung in die Weltwirtschaft und zum anderen auch die Bekämpfung der Armut. Um dieses Ziel in naher Zukunft zu verwirklichen wurden im Jahr 2000 die acht Millennium-Entwicklungsziele formuliert. Es geht darum, bis 2015 die Armut um die Hälfte zu reduzieren, die Verbreitung von HIV/AIDS einzudämmen und eine allgemeine Schulbildung für alle zu gewährleisten.
2001 wurde zunächst die EU-Initiative „Alles außer Waffen“ eingeleitet. Für alle Produkte, außer Waffen, wurden sämtliche Zölle und Quoten abgeschafft. 2007 wurde die strategische Partnerschaft „Afrika-EU“ gegründet um die Beziehungen zu vertiefen.
Ein Kernstück der EU-Entwicklungspolitik sind die besonderen Beziehungen zu den Ländern, die früher Kolonien eines europäischen Staates waren. Für sie steht mit dem Europäischen Entwicklungsfonds ein besonderer Topf für Entwicklungshilfe zur Verfügung.
Die Europäische Union und ihre Mitgliedsländer zahlten beispielsweise im Jahr 2008 über 49 Mrd. Euro an Entwicklungshilfe. Dies entsprach 0,40 % ihres BSP. Für 2010 werden 0,56 % des BSP angepeilt, für 2015 sind sogar 0,7 % vorgesehen.
Die Entwicklungshilfe der EU besteht zum größten Teil aus nicht rückzahlungspflichtigen Zuschüssen. In begrenztem Umfang werden auch zinsbegünstigte Darlehen und Investitionskapital von der Europäischen Investitionsbank bereitgestellt.
Die aktuellen Ereignisse in Tunesien und Ägypten verlangen einen Strategiewechsel in der europäischen Entwicklungspolitik. Die Bekämpfung der Armut, der sozialen Probleme und die Herstellung von demokratischer Legitimation haben oberste Priorität. Dieser Prozess kann am besten unterstützt werden, wenn wirtschaftlicher Fortschritt auch zu sozialer Entwicklung führt, die in allen Bevölkerungsschichten ankommt.
Die europäische Entwicklungshilfe und der derzeitige demokratische Umbruchprozess in den nordafrikanischen und Nahost-Staaten muss daher zusammen gebracht werden um eine nachhaltige wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung zu fördern.
Die EU muss die Wirksamkeit der Hilfe und die Koordination der verschiedenen Akteure weiter verbessern. Denn die von den Entwicklungsländern erzielten Fortschritte sind bis jetzt meist uneinheitlich und verzögert. Die Armut konnte zwar reduziert werden, dennoch leben weiterhin 1,4 Milliarden Menschen im Elend. Um für eine schnelle Entwicklung zu sorgen muss der Schwerpunkt vorrangig auf die Länder gelegt werden, in denen am meisten Hilfe nötig ist. Einheimische Ressourcen müssen mobilisiert werden und der Handel und die internationale Integration müssen gefördert werden.
Nur wirtschaftlicher Wachstum und ein soziales Gleichgewicht können den aktuell verstärkten Flüchtlingsströmen ein Ende setzen. Massenarbeitslosigkeit und die extreme Armut vor allem innerhalb der jungen Generation ist ein Ansatzpunkt, an dem die EU festhalten muss.
Die Bemühungen der letzten Jahre reichen nicht aus. Um mehr Gerechtigkeit zu erreichen müssen die weltweiten Finanzmärkte reguliert und die globale Wirtschaft auf internationaler und auch nationaler Ebene ökologischer und sozialer gestaltet werden. Die EU sollte Einhaltung und Achtung der Menschenrechte nicht nur ansprechen sondern gezielt einfordern. Beim Endspurt für die Millennien-Entwicklungsziele müssen diese Menschenrechte an erster Stelle stehen.
Ich hoffe, ich konnte ihre Frage zufriedenstellend beantworten. Bei weiteren Fragen können Sie sich gerne wieder an uns wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Philipp Albrecht