Frage an Jan Philipp Albrecht von Jens S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Albrecht!
Ich möchte mich hiermit an Sie, und an die anderen deutschen Kollegen im EU-Ausschuss Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres wenden, um von ihnen zu erfahren, wie sie zu folgenden Sachverhalten, die innerhalb der EU stattfanden, stehen.
Am Mittwoch den 2. Dezember 2010 spielte Borussia Dortmund im Europapokal beim FC Sevilla in Spanien. Laut spanischer Polizei kam es zu Ausschreitungen deutscher „Hooligans“, was aber mehrere hundert glaubwürdiger Zeugen allerdings widerlegen! Ich möchte auf folgende Links verweisen:
http://www.schwatzgelb.de/2010_21_12_ein-tag-gefaengnis-in-sevilla_1.html
http://www.ruhrnachrichten.de/nachrichten/region/hierundheute/art1544,1134207
http://www.derwesten.de/staedte/dortmund/Augenzeugen-berichten-aus-Sevilla-id4081972.html
Anscheinend passierte dieses nicht zum ersten Mal wohlgemerkt, so dass ein System dahinter vermutet werden kann und muss. Wenn ich mich recht entsinne, kann da als Beispiel durchaus der Reviernachbar aus Gelsenkirchen zum Spiel und den Umständen aus dem Jahre 2006 Auskunft geben und wohl auch andere Vereine in Europa, die jenes zweifelhafte Vergnügen hatten, in Sevilla die besondere „Gastfreundschaft“ zu genießen!
Der spanischen Judikative und Exekutive ist natürlich an ihrer Version gelegen und die werden an einer Aufklärung und auch entsprechender Rechtsverfolgung keinerlei Interesse haben!
Meine Frage an Sie, wie steht ein Mitglied eines EU-Ausschusses zu solchen Vorkommnissen? Kann ein EU-Ausschuss, wenn er denn gewillt ist, für eine Aufklärung sorgen und solche Umstände in Zukunft verhindern? Kann ein einzelnes Mitglied eines EU-Ausschusses dafür sorgen, dass diese Sache einer Europa angemessenen Untersuchung und Aufklärung zugeführt wird?
Vielen Dank im voraus für Ihre Auskünfte!
Jens Sellers
Sehr geehrter Herr Sellers,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Der von Ihnen angesprochene Fall ist mir aus den Medien bekannt. So legt auch ein Bericht in der taz von Stephan Uersfeld vom 22.12.2010 den Verdacht nahe, dass es sich keinesfalls um gewaltbereite Hooligans gehandelt hat, die die spanische Polizei nur noch mit Gewaltanwendung unter Kontrolle bringen konnte.
Dass es sich bei solchen Berichten wohl auch nicht um Einzelfälle handelt, zeigt die Unterstützung zumindest von deutschen Fußball-Fans zu der von amnesty international 2010 gestarteten Kampagne "Für mehr Verantwortung bei der Polizei". Das einseitige Bild von gewalttätigen "Fans" und Hooligans prägt die Diskussion über ernstzunehmende Vorfälle polizeilichen Fehlverhaltens in und um Stadien und erschwert eine differenzierte Analyse über Gewalt beim Fußball. Diese Problematik ist jedoch nicht nur auf das Thema Fußball beschränkt. Aus diesem Grund organisiere ich für Juni 2011 in Hamburg eine Konferenz zum Thema Polizeipolitik und möchte mich einer sachlichen und differenzierten Diskussion über die Anforderungen einer modernen, an Bürgerrechten orientierten Polizei stellen. Dazu gehört für mich auch die Einrichtung von unabhängigen Institutionen zur Aufklärung von Berichten über polizeiliches Fehlverhalten.
Sie sprechen allerdings einen Vorfall in Spanien an. Die EU selbst kann den Mitgliedsstaaten nur Mindestvorgaben machen oder die Behörden vor Ort zur Einhaltung der generellen Verpflichtungen zwingen. Abgeordnete des Europäischen Parlaments können Anfragen an die Kommission zu bestimmten Fällen stellen, in denen diese Vorgaben oder Verpflichtungen (vermeintlich) nicht eingehalten wurden. In der Regel können aber nur entsprechende Untersuchungsgremien eingefordert werden, die die Behörden vor Ort zur Einhaltung der generellen Verpflichtungen zwingen. Dessen ungeachtet ist es sinnvoll sich an die spanischen Kollegen zu wenden um solche Vorfälle anzusprechen, die wiederum in ihren jeweiligen Parteien national Druck aufbauen können. Insgesamt bin ich der Meinung, dass es in ganz Europa einer Diskussion bedarf über die Institution Polizei, ihre Machtbefugnisse und -beschränkungen sowie ihrer Kontrolle. Dafür werde ich mich auch in Zukunft im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Philipp Albrecht