Frage an Jan Mücke von Jörg R. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Mücke,
mit Verwunderung habe ich Ihr Abstimmungsverhalten (Zustimmung) zum "Banken-Rettungspaket" im Bundestag (17.10.08) zur Kenntnis genommen. Stehen Sie und die F.P.D. noch für den freien Markt und dessen Protagonisten, oder sind Sie, ähnlich PDS und SPD, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bereit, Gewinne zu privatisieren, Verluste aber zu sozialisieren, will heißen, sie dem "kleinen Mann" als Steuerzahler aufzubürden?
Mit freundlichem Gruß und in Erwartung einer zitierfähigen Antwort
Jörg Reutler
Sehr geehrter Herr Reutler,
die FDP steht für die Soziale Marktwirtschaft, die sich an den Grundprinzipien der ordoliberalen Schule nach Walter Eucken orientiert. Unter diesen Prinzipien befinden sich neben den von Ihnen genannten offenen Märkten unter anderem auch die Forderungen nach dem Vorrang des Privateigentums vor dem Staatseigentum und dem Primat der Währungspolitik (d.h. einer unabhängigen und auf die Geldwertstabilität hin ausgerichteten Zentralbank). Die größten Teile der Linken (ehem. PDS) und Teile der SPD sehen dies anders, womit sie sich prinzipiell bereits von der Idee der Sozialen Marktwirtschaft verabschieden.
Zur Sozialen Marktwirtschaft gehören jedoch auch andere Prinzipien, die einen Ordnungsrahmen für die im Markt befindlichen Akteure aufstellen. So muss z.B. seitens des Staates der Entwicklung von Monopolen entgegengewirkt werden oder auch das Haftungsprinzip im Gesellschaftsrecht gewährleistet sein. An diesem Ordnungsrahmen muss ständig gearbeitet werden, um ein Funktionieren des Marktes zu gewährleisten.
Es war ausdrücklich nicht die Marktwirtschaft, die die jetzige Finanzmarktkrise herbeiführte. Falsche staatliche Anreize in den USA führten dazu, dass auch nicht kreditwürdige Personen Wohneigentum erlangen konnten. Dafür, dass diese Krise nach Deutschland übergreifen konnte, ist insbesondere die deutsche Bankenaufsicht verantwortlich. Sie war mit ihrer Aufgabe überfordert. Ihre Umstrukturierung mahnt die FDP-Bundestagsfraktion bereits seit 2002 an. Nach unseren Vorstellungen hätte die Bankenaufsicht unter der einheitlichen Kontrolle der Bundesbank gebündelt werden sollen.
Ich habe dem Rettungspaket zugestimmt, da die vorhandene Krise zu bewältigen war und wir uns der Verantwortung zu handeln nicht verweigern durften. Das Rettungspaket dient dazu, das Geld der Sparer sicher zu machen und Vertrauen zu schaffen. Der Einsatz von Steuergeldern dient dabei dem Schutz der Bürger, nicht einigen Banken, die ihre Arbeit schlecht gemacht haben. Dennoch war die FDP-Bundestagsfraktion nicht vollumfänglich mit dem Entwurf der Bundesregierung einverstanden und hat einen Entschließungsantrag eingebracht (Drs. 16/10660), den ich zu Ihrer Information dieser Email beigefügt habe. Bereits zuvor hatte die Intervention der FDP im Haushaltsausschuss des Bundestags entscheidenden Anteil daran, dass die Unabhängigkeit der Bundesbank gewahrt blieb.
Die gegenwärtige Verstaatlichung privater Risiken ist prinzipiell mit dem liberalen Grundverständnis nur schwer vereinbar, sie war in diesem Fall jedoch notwendig und unumgänglich. Der Großteil des Rettungspakets sind Bürgschaften. Für sie müssen die Banken übrigens auch marktgerechte Gebühren bezahlen. Wie oft der Steuerzahler letztlich für private Risiken aufkommen muss, bleibt abzuwarten.
Um eine solche Situation in Zukunft zu vermeiden, müssen insbesondere Haftungsausschlüsse, die auch Walter Eucken bereits kritisierte, jetzt auf den Prüfstand. In diesem Zusammenhang halte ich auch höhere Eigenkapitalquoten für Banken für geboten.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Mücke