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Frage von Magnus N. •

Frage an Jan Mücke von Magnus N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Abgeordnetenbestechung, d.h. einem Bundestagsabgeordneten einen Koffer Geld zu geben, ist in Deutschland nach wie vor keine Straftat solange kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Abgeordnetentätigkeit und der Geldzahlung nachweisbar ist! Ein Gesetzentwurf für schärfere Regeln bei Abgeordnetenbestechung wurde in den letzten 4 Jahren im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages 7mal vertagt und dann abgelehnt, die Regierungskoalition diskutiert das Thema nicht einmal. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses, der CDU-Politiker Siegfried Kauder, wurde offenbar wg. seiner öffentlichen Kritik an der eigenen Fraktionsführung in seinem Wahlkreis als Direktkandidat der CDU "abgesägt". Des Weiteren gelangen ehemalige Bundestagsabgeordnete und Regierungsmitglieder immer öfter im Anschluss an ihr Bundestagsmandat direkt in Spitzenpositionen der Unternehmen, die meist direkt von der politischen Arbeit profitiert haben. Dieser "Drehtür-Effekt" ist besonders deshalb kritisch, weil mit der Aussicht auf eine eigene gesicherte berufliche Zukunft politische Entscheidungen nicht mehr unabhängig und unbeeinflusst zustande kommen. Werden Sie sich im Bundestag für ein Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung und "Drehtür-Effekt", für eine komplette Veröffentlichung von Nebeneinkünften und für die unverzügliche Veröffentlichung aller Parteispenden über 10.000 € einsetzen?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Neubert,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage vom 26.7.2013 zum Thema Demokratie und Bürgerrechte. Im Folgenden lege ich Ihnen gerne meine Position dazu dar.

Zunächst möchte ich mit Ihrer Frage nach meinem Einsatz für ein Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung beginnen.

Eine direkte Einflussnahme auf das Stimmverhalten steht in Deutschland bereits unter Strafe. 1994 führte die seinerzeitige Regierungskoalition unter Beteiligung der FDP diese Regelung ein. Das Grundgesetz garantiert den Abgeordneten die Freiheit des Mandats, und damit wie und ganz klar auch zu wessen Gunsten sie es ausüben. Der Abgeordnete kann und darf nach der Verfassung – und im Gegensatz zu Beamten – auch ganz einseitig Interessen vertreten. Wenn er dabei die in ihn gesetzten Erwartungen des Volkes verletzt, werden er direkt oder die Partei, die ihn per Liste aufstellt, vom Volk als „Dienstherrn“ abgewählt. Eine Kontrolle der Abgeordneten erfolgt daher bereits über die Öffentlichkeit und die demokratischen Wahlen.

Des Strafrechts bedarf es für die Korrektur einer nicht volksgerechten Interessenvertretung nicht. Es besteht in Deutschland für Abgeordnete kein imperatives Mandat, bei dem eine Unterstützergruppe ihm Aufträge oder Weisungen geben könnte. Dennoch können Abgeordnete offen als ganz klare Interessenvertreter in ein Parlament gewählt werden. Sie dürfen es dann als ihre Aufgabe ansehen, die Interessen ihrer - womöglich stark abgegrenzten – Gruppe von Wählern zu vertreten. Ein extremes Beispiel für solch eine direkte Interessenvertretung war das ehemalige Mitglied der SPD Bundestagsfraktion, Hermann Scheer, der zugleich bekanntermaßen Lobbyist der Solarwirtschaft war.

Herr Neubert, es ist unmöglich, Abgeordnete objektiv einem „Allgemeinwohl“ zu unterwerfen. Dafür müssten alle Abgeordneten jeweils ein durchschnittliches Gesamtinteresse vertreten und nicht einzelne Interessengruppen im Blickfeld haben. Die Abgeordneten sind durch das Grundgesetz allein ihrem Gewissen unterworfen. Sie dürfen gerade nicht einem zu bildenden Durchschnitt aller einzelnen Interessen oder aller Interessengruppen unterstellt werden. Keine Lösung ist der aktuelle Vorschlag der SPD-Fraktion. Nach diesem sollen Handlungen, bei denen Mandatsträger Vorteile gewährt werden, dann straffrei bleiben, wenn diese Handlungen „parlamentarischen Gepflogenheiten“ entsprechen. Dieser völlig unbestimmte Begriff öffnet politisch motiviertem Missbrauch der Norm als Ermittlungsgrundlage Tür und Tor. Bei der Korruptionsbekämpfung zählen nicht Versprechungen, sondern konkrete Erfolge.

Die UN-Konvention gegen Korruption von 2003 ist bislang nicht von Deutschland ratifiziert worden. Es kommt aber aus unserer Sicht vor allem auf die konkreten Ergebnisse im Rechtsalltag an. Nahezu alle die Staaten, die am Schluss des Korruptionsrankings von Transparency International liegen, haben die UN-Konvention unterzeichnet, ohne dass sich die Situation im Land gebessert hat. So haben diverse Staaten die UN-Konvention ratifiziert, denen Deutschland bei den Ergebnissen weit voraus ist. Es ist zu trennen zwischen einem Versprechen zur Korruptionsbekämpfung und einer nachhaltigen Umsetzung solcher Versprechen.

Die Unterzeichnung und Ratifizierung eines Abkommens verhindert noch keine Korruption. So lag Deutschland im von Transparency International 2012 herausgegebenen Index der im Bereich der Politik am wenigsten von Korruption betroffenen Staaten auf Platz 13 und damit in positiver Hinsicht vor 161 anderen Staaten – von denen etliche natürlich die UN Konvention ratifiziert haben. Staaten wie Frankreich, Südafrika und China liegen auf den Plätzen 22 bzw. Platz 69 bzw. Platz 80, Russland gar auf Rang 133. Diese Aufzählung soll ganz bestimmt nicht heißen, dass es in Deutschland keiner Anstrengungen für eine wirksame Korruptionsbekämpfung auch im politischen Bereich mehr bedürfte; es macht jedoch die Relation deutlich. Eine Formulierung einer verfassungsmäßig ausreichend bestimmten Trennlinie zwischen Interessenwahrnehmung im Wählerauftrag einerseits und korrumptivem Verhalten im engeren Sinne andererseits ist aus unserer Sicht noch nicht gelungen.

Herr Neubert, als nächstes möchte ich mich zu Ihrer Frage bezüglich der Veröffentlichung aller Nebeneinkünfte äußern.

Die FDP-Bundestagsfraktion unterstützt die Forderung nach Transparenz. Die Wählerinnen und Wähler wollen wissen, wen sie wählen. Sie haben ein berechtigtes Interesse, zu erfahren, für welche Tätigkeiten die Abgeordneten neben der Wahrnehmung ihres Mandats Zeit einsetzen und in welchem Konflikt diese Tätigkeiten möglicherweise mit dem Mandat stehen.

Andererseits gibt es aber keinen Grund, aufgrund des Fehlverhaltes einzelner Abgeordneter alle unter einen Generalverdacht zustellen. Es gibt auch keinerlei Erkenntnisse, dass Regelverstöße bei Politikern häufiger vorkommen als in der Wirtschaft, im öffentlichen Dienst oder in anderen Bereichen. Ein anderer Eindruck entsteht bei Politikern deshalb, da sie unter ständiger öffentlicher Beobachtung stehen.

Bei der Offenlegung von Einkünften aus einer Nebentätigkeit ist eine Abwägung zwischen der Transparenz und den kollidierenden Rechten der Abgeordneten zu treffen. Die größte Unabhängigkeit haben Abgeordnete, die eine abgeschlossene Berufsausbildung haben und einen Beruf ausüben oder selbständig sind, weil sie materiell nicht auf den Abgeordnetenstatus angewiesen sind. Während Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst leicht in ihren Beruf zurückkehren können, darf von Freiberuflern und Selbständigen, die vielleicht auch gerade wegen ihres Berufs gewählt worden sind, nicht verlangt werden, dass sie ihren Beruf und damit ihre Existenzgrundlage außerhalb des Abgeordnetenmandats aufgeben. Die durchschnittliche Mitgliedschaft von Abgeordneten im Deutschen Bundestag beträgt nämlich nur zwei Legislaturperioden, also acht Jahre.

Zur Bewertung der Arbeit der Abgeordneten, die die Wähler regelmäßig bei der nächsten Wahl vornehmen, kann daher eine Rolle spielen, ob die Nebeneinkünfte aus einer schon vor der ersten Wahl ausgeübten Berufstätigkeit stammen oder aufgrund der Abgeordnetentätigkeit erzielt wurden. Bei Peer Steinbrück ist letzteres der Fall. Es ist auch falsch anzunehmen, dass eine Abhängigkeit, durch die sich der Abgeordnete von sachfremden Erwägungen leiten ließe, nur aufgrund einer bezahlten Nebentätigkeit entstehen könnte. Mitgliedschaften in Vereinen, bessere Wahlchancen bei Unterstützung eines populären Anliegens einer Personengruppe oder andere Faktoren können ebenfalls eine Rolle spielen.

Die FDP hält daran fest, dass den Abgeordneten auch weiterhin die Möglichkeit gegeben werden muss, neben der Ausübung des Mandates einer beruflichen Tätigkeit ob als Selbständige, Freiberufler oder eben auch als abhängiger Beschäftigter nachgehen zu können.

Der Deutsche Bundestag hat in der letzten Wahlperiode eine Verschärfung der Verhaltensregeln für Abgeordnete beschlossen. Die Änderungen sehen u. a. vor, dass die Nebeneinkünfte von Abgeordneten veröffentlicht werden müssen. Das alte Recht sah eine Anzeigepflicht gegenüber dem Bundestagspräsidenten vor.
Die FDP-Bundestagsfraktion sieht in den erweiterten Veröffentlichungspflichten eine Verletzung der Privatsphäre der Abgeordneten und ihrer grundrechtlich geschützten Interessen. Eine Klage einiger Abgeordneter gegen die Änderung der Verhaltensregeln hat das Bundesverfassungsgericht verworfen. Das Gericht hat entschieden, dass die Verhaltensregeln und die entsprechenden Änderungen des Abgeordnetengesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Damit besteht Rechtsklarheit. Die Abgeordneten, die an Recht und Gesetz gebunden sind, müssen sich jetzt rechtstreu verhalten und die Verpflichtungen aus den Verhaltensregeln erfüllen.

Herr Neubert, weiterhin interessieren Sie sich für meine Position zur Offenlegung aller Parteispenden über 10.000 €.

Die Transparenz der Parteienfinanzierung ist bereits im Grundgesetz verankert. In Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG ist die Pflicht Rechenschaftslegung der Parteien geregelt. Damit steht die Transparenz im Vordergrund: Bürgerinnen und Bürger müssen Kenntnis darüber erhalten, wie sich die Parteien finanzieren. Dazu bestehen bereits Veröffentlichungsvorschriften: Spenden, die 50.000 Euro übersteigen, müssen nach dem Parteiengesetz dem Präsidenten des Deutschen Bundestages unverzüglich angezeigt werden. Dieser veröffentlicht die Spende unter Angabe des Zuwenders zeitnah in einer Bundestagsdrucksache. Spenden an eine Partei, deren Gesamtwert in einem Kalenderjahr 10.000 Euro übersteigt sind unter Angabe des Namens und der Anschrift des Spenders sowie der Gesamthöhe der Spende im Rechenschaftsbericht zu verzeichnen. Die Rechenschaftsberichte können unter:
http://www.bundestag.de/bundestag/parteienfinanzierung/rechenschaftsberichte/index.html eingesehen werden.

Ein Verbot von Parteispenden, wie es zum Teil vorgeschlagen wird, lehnen wir ab. Bewusst hat der Gesetzgeber sich entschieden, dass die Parteifinanzierung nicht nur von staatlicher Seite erfolgen soll. Parteien sollen keine "Staatsparteien" sein, sondern aus der Mitte der Gesellschaft geformt und finanziert werden. Auch das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die Selbstfinanzierung der Parteien Vorrang vor der Staatsfinanzierung hat.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meinen Ausführungen weiterhelfen und stehe Ihnen gerne für weitere Fragen zur Verfügung.

Mit meinen besten Grüßen

Jan Mücke