Frage an Jan Mücke von Andreas W. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Mücke,
wie ist Ihre persönliche Meinung zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG? Für Ihre kurzfristige Stellungnahme bedanke ich mich im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Wirsik
Sehr geehrter Herr Wirsik,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Bahnprivatisierung und dem darin gezeigten Interesse für die politische Arbeit der FDP.
Die FDP-Bundestagsfraktion setzt sich für ein klares Strukturkonzept für den Bahnsektor ein, das auf Attraktivitäts- und Effizienzsteigerung durch Wettbewerb und Privatisierung setzt. Mit dieser Strategie werden weiter die Ziele der Bahnreform von 1994 verfolgt: Mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen und den Staatshaushalt spürbar zu entlasten. Zur Privatisierung haben wir seit vielen Jahren eine eindeutige Position. Wir sind für die Privatisierung der Verkehrssparten der Deutschen Bahn, jedoch gegen eine Privatisierung als integrierter Konzern mit Schienennetz.
Vor diesem Hintergrund begrüßen wir es, dass die Bundesregierung den im September 2007 eingebrachten Gesetzentwurf zur Neuordnung der Eisenbahnen des Bundes nicht mehr weiterverfolgt. Dieser Gesetzentwurf beinhaltete eine Teilprivatisierung der Deutschen Bahn mit integriertem Schienennetz, was ordnungs-, verkehrs- und industriepolitisch kontraproduktiv gewesen wäre. Das am 28. April vom Koalitionsausschuss beschlossene Privatisierungsmodell ist demgegenüber ein Fortschritt, weil das Netz nicht integriert teilprivatisiert wird und weil die Trennung von Netz und Betrieb bereits strukturell angelegt ist. Allerdings kann dieses Modell aus unserer Sicht nur ein Einstieg in die Privatisierung sein, keinesfalls der Endzustand. Die von der Koalition gewollte Beschränkung der Beteiligung Privater auf 24,9 % und der Ausschluss des unternehmerischen Einflusses privater Investoren haben mit einer echten Privatisierung wie etwa bei der Deutschen Telekom AG oder der Deutschen Post AG nichts zu tun. Die Deutsche Bahn AG als dauerhafter Staatskonzern ist für den Steuerzahler hochriskant. Im Bankenbereich musste der Steuerzahler in den letzten Wochen mit etwa 30 Milliarden Euro für Misswirtschaft von Unternehmen geradestehen, die sich im Eigentum oder Miteigentum des Staates befinden. Niemand kann ausschließen, dass ähnliche Risiken auch im internationalen Logistikmarkt auftreten können. Verkehr und Logistik sind keine Aufgaben der staatlichen Daseinsvorsorge. Die FDP-Bundestagsfraktion lehnt es ab, dass ein Staatskonzern - abgesichert auf Kosten des Steuerzahlers - echten Privatunternehmen Konkurrenz macht.
Hingegen muss der Bund gemäß Artikel 87e Absatz 3 Grundgesetz dauerhaft Mehrheitseigentümer der Infrastrukturgesellschaften bleiben. Das ist auch sinnvoll, da die Infrastruktur - also vor allem das Schienennetz - dauerhaft nur mit hohen Zuschüssen des Bundes unterhalten werden kann. Eine Privatisierung würde dazu führen, dass die Zuschüsse letztlich in Aktionärsdividenden verwandelt würden, was selbstverständlich nicht Sinn der Sache sein kann. Außerdem muss auch berücksichtigt werden, dass die Infrastruktur als Drehscheibe des Verkehrs auch das Schlüsselinstrument ist, um Wettbewerb auf der Schiene zu behindern. Aus diesem Grunde wollen wir, dass die Infrastruktur vom restlichen DB-Konzern getrennt wird und vollständig im juristischen und wirtschaftlichen Eigentum des Bundes verbleibt.
Dies sieht das aktuelle Privatisierungsmodell nicht vor. Zwar wird das Schienennetz - im Gegensatz zur Transportsparte - nicht kapitalprivatisiert, jedoch verbleibt es im Eigentum des DB-Konzerns. Um so wichtiger ist eine sachgerechte Ausgestaltung der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV), die in Kürze zwischen Bund und Deutscher Bahn angeschlossen werden soll. Diese schreibt insbesondere fest, in welchem Zustand die Bahn das Schienennetz erhalten muss, um Anspruch auf den jährlichen Infrastrukturbeitrag des Bundes von 2,5 Mrd. Euro in voller Höhe zu haben. Vor diesem Hintergrund ist der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf einer LuFV völlig unzureichend und mangelhaft.
So ist nicht einzusehen, warum die Bahn berechtigt sein soll, fünf Prozent (nach neueren Angaben aus Koalitionskreisen zwei Prozent) des Schienennetzes stillzulegen, ohne dass sich der Beitrag des Bundes reduzieren würde. Diese Regelung gibt geradezu einen Anreiz zu Streckenstilllegungen.
Ebenso zu überarbeiten sind die Qualitätsparameter, nach denen sich bestimmt, ob eine Strecke dem Soll-Zustand entspricht bzw. inwieweit sie davon abweicht. Der vorliegende LuFV-Entwurf lässt die Kapazität einer Strecke als Kriterium völlig außer Betracht. Dies birgt die Gefahr, dass durch die Vereinfachung der Streckenausrüstung (z.B. durch Verlängerung der Blockabstände) deutlich weniger Züge verkehren können, ohne dass dies einen Mangel im Sinne der LuFV darstellen würde. Ebenfalls nicht hinnehmbar ist die Ermittlung des sog. theoretischen Fahrzeitverlustes. In die Berechnung gehen keine Brems- und Beschleunigungsphasen ein, so dass sich gerade auf Strecken, auf denen die zulässige Höchstgeschwindigkeit häufig wechselt, sich berechnete Fahrzeiten ergeben, die mit der Realität nichts mehr zu tun haben.
Wir glauben an eine Zukunft des Verkehrsträgers Schiene. Hierfür ist jedoch ein fairer Wettbewerb mit gleichen Zugangsvoraussetzungen zum Schienennetz unabdingbar.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Mücke