Frage an Jan Mücke von Oliver K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Mücke,
könnten Sie bitte Ihre Gründ darlegen, warum Sie gegen den Antrag der Grünen - „Keine Privatisierung der Wasserversorgung | Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen | Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür | (Drucksache 17/12394)” als auch gegen den Antrag "Wasser als Menschenrecht | Antrag der Fraktion Die Linke | Wasser ist Menschenrecht – Privatisierung verhindern (Drucksache 17/12482)” gestimmt haben?
MfG
Sehr geehrter Herr Kowalke,
haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben vom 10.März 2013, in welchem Sie mich fragen, warum ich am 28.2.13 im Bundestag gegen den Antrag der Grünen „Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür (Drucksache 17/12394)” als auch gegen den Antrag der Fraktion Die Linke "Wasser ist Menschenrecht – Privatisierung verhindern (Drucksache 17/12482)” gestimmt habe. Gerne werde ich Ihnen hierzu meine Position darlegen.
Lassen Sie mich zunächst auf die Konzessions-Richtlinie im Allgemeinen eingehen. Sie ist ein wichtiger Beitrag zu mehr Wettbewerb und Rechtssicherheit. Ziel der geplanten Richtlinie zur Vergabe von Konzessionen ist es, mehr Rechtssicherheit und einen besseren Zugang zu den Konzessionsmärkten zu schaffen. Diese Ziele sind ordnungspolitisch sinnvoll. Denn Konzessionen sind meist Vorhaben mit erheblichem wirtschaftlichen Potenzial. Es ist wichtig, dass Konzessionen – wie öffentliche Aufträge auch – in einem transparenten und wettbewerblichen Verfahren vergeben werden. Denn ein Auswahlwettbewerb kann zu einer breiteren Angebotspalette und damit zu einem besseren Preis-Leistungsverhältnis der Güter führen. Ein wichtiger Faktor für mehr und bessere Angebote ist ein effektiver Rechtsschutz. Denn wenn Bieter die Vergabeentscheidung rechtlich überprüfen lassen können, sind sie eher bereit, sich dem Wettbewerb zu stellen und ein Angebot abzugeben. Ein transparentes Vergabeverfahren leistet darüber hinaus auch einen Beitrag zur Korruptionsbekämpfung.
Auch im Wassersektor bleibt die Entscheidungsfreiheit der Kommunen gewahrt. An weiteren Erleichterungen für Stadtwerke und kommunale Kooperationsformen wird derzeit intensiv gearbeitet. Die Bundesregierung nimmt die Bedenken vieler Marktteilnehmer im Zusammenhang mit der geplanten Konzessionsrichtlinie sehr ernst. Wasser ist ein lebenswichtiges Gut, dessen Qualität und Verfügbarkeit für alle und zu fairen Preisen auch künftig sicher gestellt sein muss. Die Bundesregierung hat sich deshalb in Brüssel mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass die Organisation der Wasserversorgung auch weiterhin in kommunaler Hand bleiben kann. Wir werten es als positives Signal, dass Kommissar Barnier den besonderen Strukturen der deutschen Wasserwirtschaft Rechnung tragen will. Die Bundesregierung unterstützt grundsätzlich vergaberechtliche Erleichterungen im Wassersektor, sofern dabei auch berechtigte Interessen privater Unternehmen an einem transparenten und diskriminierungsfreien Marktzugang hinreichend gewahrt bleiben.
Sehr geehrter Herr Kowalke, es gibt auch künftig keinen Zwang zur Privatisierung der Wasserversorgung. Die Bundesregierung hat in den bisherigen Verhandlungen durchgesetzt, dass Kommunen auch künftig alleine entscheiden können, ob sie öffentliche Aufgaben wie z.B. die Wasserversorgung selbst wahrnehmen oder den Markt einschalten wollen. Von einer „drohenden Zwangsprivatisierung“ kann keine Rede sein.
Außerdem wird die interkommunale Zusammenarbeit keineswegs eingeschränkt. Weiterhin gilt: Städte und Gemeinden können auch im Wasserbereich grundsätzlich frei zusammenarbeiten. Es bleibt also weiterhin möglich, die Wasserversorgung gemeinsam durch verschiedene Kommunen zu organisieren, ohne die Pflicht private Wasserversorger einschalten zu müssen. Der Richtlinienentwurf schafft Klarheit, welche Rahmenbedingungen für diese kommunale Zusammenarbeit gelten und überführt damit die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs in geschriebenes Recht. Nur wenn Kommunen entscheiden, private Anbieter einzubeziehen, ist eine öffentliche Ausschreibung erforderlich. Ist dieses Unternehmen allerdings weit überwiegend für diese Kommune tätig, kann in vielen Fällen gleichwohl auf eine Ausschreibung verzichtet werden.
Soll ein privates Unternehmen mit der Wasserversorgung beauftragt werden, muss dies nach transparenten und diskriminierungsfreien Regeln geschehen. Schon heute müssen Konzessionen in einem durchschaubaren und jedem zugänglichen Verfahren vergeben werden. Selbstverständlich können öffentliche Auftraggeber dabei hohe Anforderungen etwa an die Qualität der Leistungen, an Innovationen oder Umweltstandards stellen. Die Versorgungssicherheit sowie die Investition in Netze können ebenfalls vertraglich sichergestellt werden. Darüber hinaus ist die Qualität des Trinkwassers in Deutschland gesetzlich in der Trinkwasserverordnung geregelt. Dies gilt unabhängig davon, ob Wasserversorgung privat oder durch kommunales Unternehmen erfolgt. Ein wichtiger Fortschritt durch die Konzessionsrichtlinie ist der Rechtschutz, den die neue Konzessionsrichtlinie eröffnet. So sollen Bieter, die ihre Rechte verletzt sehen, künftig eine formale Nachprüfung einfordern können. Das erhöht die Rechtsicherheit und stärkt den Wettbewerb.
Der Neue Kompromissvorschlag von Kommissar Barnier schafft Erleichterungen für Stadtwerke und kommunale Kooperationsmodelle im Wasserbereich. Der im EP-Binnenmarktausschuss am 21. Februar 2013 angekündigte Vorschlag von Kommissar Barnier könnte die besondere Situation von vielen Stadtwerken und Zweckverbänden in Deutschland entschärfen: Er bringt z.B. ein Stadtwerk 80 % seines Umsatzes im Wasserbereich für die Heimatkommune, so soll nach dem Vorschlag von Barnier diese Wasserkonzession auch künftig nicht EU-weit ausgeschrieben werden. Das Stadtwerk muss lediglich bis 2020 seine Wassersparte von den übrigen Aktivitäten (z.B. im Energiebereich) organisatorisch, zumindest aber buchhalterisch trennen. Sobald konkrete Textvorschläge vorliegen, wird die Bundesregierung diese genau prüfen. Entscheidend ist, eine Lösung zu finden, die sowohl Erleichterungen für die besonderen Strukturen im Wassersektor bringt, anderseits aber den berechtigten Interessen privater Unternehmen an einem transparenten und diskriminierungsfreien Marktzugang hinreichend Rechnung trägt.
Sehr geehrter Herr Kowalke, ich bin dafür, dass eine öffentliche Aufgabe auch privatwirtschaftlich organisiert werden kann, wenn damit eine höhere Kosteneffizienz und vor allem Versorgungssicherheit und Preisstabilität verbunden ist. Für Liberale ist eine Privatisierung kein Selbstzweck, es macht keinen Sinn, ein staatliches Monopol durch ein privates zu ersetzen. Sinn einer Privatisierung muss immer die Herstellung eines Wettbewerbs sein, damit die kosteneffiziente Aufgabenerledigung im Vordergrund steht. Es ist aufgrund der Wassererzeugungsstrukturen (Trinkwasserzweckverbände, Talsperrenverwaltungen etc.) sehr zweifelhaft, ob hier in ein öffentliches Trinkwassernetz verschiedene Anbieter einspeisen und damit ein Wettbewerb entstehen würde. Deshalb wird in aller Regel eine Privatisierung keinen Sinn machen.
Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meinen Ausführungen weiterhelfen und stehe Ihnen gerne für weitere Fragen zur Verfügung.
Mit meinen besten Grüßen
Jan Mücke