Frage an Jan Mücke von Thomas K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Mücke,
das Thema Abgeordnetenbestechung, bzw. Korruption, ist ein wichtiges Thema. Meinem Verständnis nach ist es schlecht für eine Gesellschaft und die Demokratie im Allgemeinen, wenn z.B. politische Entscheidungsträger (Abgeordnete, Minister, Staatssekretäre) nach ihrer Amtszeit in Unternehmen wechseln, denen sie während ihrer Amtszeit Aufträge, oder sonstige Vorteile, verschafften (Wolfgang Clement - Energiewirtschaft, Leiharbeit, Otto Schily - Biometrieindustrie, Roland Koch - Flughafenbau). Es gibt seit 2005 eine UN Konvention gegen Korruption. Diese wurde bisher von Deutschland nicht ratifiziert. Deutschland steht somit in einer Reihe mit Ländern wie Nord Korea, Saudi Arabien, Sysien). Im August haben sich Manager von den meisten DAX Konzernen ebenfalls für die Ratifizierung ausgesprochen.
Ich hätte gern Ihre Meinung zum Thema gewusst. Desweiteren wüßte ich gern ob Sie sich bei einer Abstimmung im BT, in dieser Sache, dem Fraktionszwang beugen würden?
Vielen Dank
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Kenne
Sehr geehrter Herr Kenne,
vielen Dank für Ihre Frage vom 11. Oktober 2012, in der sie mich bitten Ihnen meine Meinung zum Thema Abgeordnetenbestechung und Deutschlands fehlender Ratifizierung der UN Konvention gegen Korruption zu schildern. Gern werde ich Ihnen hierzu meine Position darlegen.
Zunächst möchte ich Sie darauf hinweisen, dass es sich bei den von Ihnen angesprochenen Themen, um zwei Problematiken handelt. Diese gilt es voneinander zu trennen. Bei der Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption geht es vor allem um strafrechtliche Fragen. Bei der Diskussion um Nebenverdienste und Nebentätigkeiten von Abgeordneten geht es um den Anspruch nach mehr Transparenz.
Nebenverdienste, wie zum Beispiel Honorare für Beratungen, Reden oder ähnliche Leistungen, sind als solche rechtlich nicht zu beanstanden. Nebenverdienste können sich auch aus der beruflichen Tätigkeit eines Abgeordneten, die er während der Mandatsausübung nicht völlig ruhen lassen muss oder als Standbein für die Zeit nach seinem politischen Mandat behalten möchte, ergeben. Da der Deutsche Bundestag einen Querschnitt der Gesellschaft abbildet und die Parlamentarier aus unterschiedlichen Berufen ein Mandat annehmen, bleibt ihnen nichts übrig, als diese Tätigkeit einzuschränken. Dazu zählen auch viele Selbständige wie z.B. Handwerker, Juristen oder Ärzte. Dem Wähler sind sie diese Einschränkung schuldig, um das Mandat in angemessener Art und Weise auch auszufüllen. Von einem Abgeordneten aber zu fordern, dass dieser seine vorher selbständige Tätigkeit völlig aufgibt, ist in der Realität nicht vermittelbar, da Selbständige - im Gegensatz zu beispielsweise Beschäftigen des öffentlichen Dienstes - keine Rückkehrgarantie in ihren alten Beruf bzw. auf ihre alte Stelle haben.
Am Ende würde ein striktes Verbot von Nebenverdiensten dazu führen, dass der Großteil von Selbständigen in Deutschland das Wagnis, sich in ein Parlament wählen zu lassen, einfach nicht mehr eingehen können und wollen, weil eine erfolgreiche Wahl ihre berufliche Existenz gefährden würde. Damit würden wirtschaftsnahe, praxisorientierte Experten dem Deutschen Bundestag völlig fern bleiben, während einzig und allein Berufspolitiker ohne Praxiserfahrung über die Politik entscheiden.
Mir ganz persönlich ist daher wichtiger, die Amtsverhältnisse so zu gestalten, dass es keine Möglichkeit und auch keinen Anreiz für Bestechung im Deutschen Bundestag gibt. Die Sicherheit und Garantie, das ihre Zukunft nach ihrer Tätigkeit im Parlament nicht gefährdet ist und die Abgeordneten in ihren alten Beruf zurückkehren können, scheint mir hierbei ein wichtiger Baustein. Damit bleibt auch gewährleistet, das die Abgeordneten allein ihrem Gewissen und keinen finanziellen Anreizen oder Ängsten unterworfen sind.
Im Übrigen erfolgt die Kontrolle der Abgeordneten vorrangig über die Öffentlichkeit und die Medien. Wenn die Erwartungen des Volkes nicht erfüllt oder verletzt werden, erfolgt keine Wiederwahl der Partei bzw. der Abgeordneten. Denn im Gegensatz zu üblicherweise auf Lebenszeit ernannten Beamten muss sich ein Abgeordneter nach vier bzw. fünf Jahren wieder dem Votum der Bürgerinnen und Bürger stellen.
Gleichzeitig können Abgeordnete offen als ganz klare Interessenvertreter in ein Parlament gewählt werden. Sie dürfen es dann als ihre Aufgabe ansehen, die Interessen ihrer – womöglich stark abgegrenzten – Gruppe von Wählern zu vertreten. Beispiele für solch eine direkte Interessenvertretung haben Sie in Ihrem Schreiben mit Namen wie Wolfgang Clement oder Otto Schily selbst geliefert. In diesem Sinne stimme ich Ihnen zwar zu, dass der Wechsel eines Politikers in ein Unternehmen – zumal direkt im Anschluss an sein politisches Mandat – durchaus kritisch betrachtet werden kann, gegen das Gesetz verstößt diese neue Aufgabe aber nicht. An dieser Stelle würde ich es allerdings sehr begrüßen, wenn einige ehemalige Parlamentarier zumindest einige Zeit vergehen lassen würden, bevor sie in die private Wirtschaft wechseln.
Was die Frage nach der Transparenz der Nebeneinkünfte von Politkern angeht so verweise ich auf die erst in der letzten Sitzungswoche des Deutschen Bundestages von der CDU/CSU- und FDP-Mehrheit in der Rechtsstellungskommission des Bundestages verabschiedeten Regularien für die Offenlegung aller Nebeneinkünfte. In Zukunft sollen die Parlamentarier verpflichtet werden, viel detaillierter darüber Auskunft zu geben, wie viel sie neben ihrem politischen Mandat verdienen. Geplant ist ein 10-Stufenmodell, in dem ausführlich über die Höhe der Nebeneinkünfte berichtet werden muss. Der Bundestag wird dieses Modell in den kommenden Wochen beraten. Ich bin zuversichtlich, dass damit Vertrauen und Transparenz gestärkt werden.
Was die Ihre Frage nach der bislang ausstehenden Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption so ist der Grund hierfür die nach unserer Auffassung nicht zufriedenstellende rechtliche Status des Abgeordneten. Die UN-Konvention sieht keine Differenzierung zwischen frei gewählten Abgeordneten und Beamten oder beamtenähnlichen Personen vorsieht. Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 9. Mai 2006 (Aktenzeichen: 5 StR 453/05) noch einmal ausdrücklich klargestellt, dass Abgeordnete keine Amtsträger sind. Frei gewählte Abgeordnete können nämlich nicht mit Beamten oder beamtenähnlichen Personen gleichgesetzt/ verglichen werden. Denn anders als bei Beamten besteht kein klarer Pflichtenkreis für Bundestagsabgeordnete. Somit ist es auch strafrechtlich sehr schwierig konkrete Diensthandlungen zu bestimmen bzw. Verletzungen von Dienstpflichten festzustellen.
Zudem kann und darf der Abgeordnete nach dem Grundgesetz im Gegensatz zu einem Beamten auch völlig einseitig Interessen vertreten. Regelmäßig setzen sich Abgeordnete in ihrem Wahlkreis konkret für die Belange der Wähler ein (z.B. Erhalt einer öffentlichen Einrichtung oder Verkehrsprojekte im Wahlkreis). Nach der UN-Konvention würden sich die Abgeordneten dann strafbar machen, wenn ihm die Bürger dafür ihre Stimme versprechen. Das ist mit der politischen Realität nicht vereinbar.
Dies liegt insbesondere daran, dass anders als bei Beamten, ist es die ureigene Aufgabe eines Abgeordneten, bestimmte Interessen zu vertreten und in das Parlament zu tragen. Dazu muss es ihm auch weiterhin möglich sein, sich mit einzelnen Interessensgruppen zu treffen. Eine mögliche Strafbarkeit, der sich Abgeordnete etwa durch das Folgen einer Einladung zu einem gemeinsamen Essen aussetzen würden, halten wir Liberale für nicht zumutbar.
Zudem ist auch ohne Ratifizierung der UN Konvention gegen Korruption Abgeordnetenbestechung in Deutschland nicht erlaubt und wird seit 1994 strafrechtlich geregelt durch § 108e Strafgesetzbuch, welcher den Stimmenkauf und -verkauf von Mandatsträgern in parlamentarischen Gremien unter Strafe stellt. Dabei wurde schon in der Begründung des Gesetzesentwurfs von Union und FDP verdeutlicht, dass "[d]er Tatbestand der Abgeordnetenbestechung […] nicht dem der Beamten-und Richterbestechung nachgebildet werden [kann].
Außerdem verhindert eine Ratifizierung der UN Konvention noch lange keine Korruption. So lag Deutschland im von Transparency International 2009 herausgegebenen Index der im Bereich der Politik am wenigsten von Korruption betroffenen Staaten auf Platz 6 und damit in positiver Hinsicht vor 174 anderen Staaten – von denen etliche die UN-Konvention unterzeichnet haben. Staaten wie Frankreich, Südafrika und China liegen auf Platz 24 bzw. Platz 55 bzw. Platz 79, Russland gar auf Rang 146.
Aus diesem Grund ist die FDP der festen Überzeugung, dass es Deutschland wegen seines ausgeprägten Rechtsstaats, der nicht etwa mit der Lage in Saudi-Arabien, Sudan oder gar Syrien verglichen werden kann, gelingt, auch ohne Ratifikation der UN-Konvention weiterhin international glaubwürdig für die Bekämpfung von Korruption einzutreten.
Seien Sie versichert, dass die FDP-Bundestagsfraktion sich dennoch weiterhin in die Debatte um eine rechtsstaatlich und verfassungsrechtlich saubere Lösung der Umsetzung der Antikorruptionskonvention aktiv einbringen und weiter nach sachgerechten Vorschlägen suchen wird.
Mit meinen besten Grüßen
Jan Mücke