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Jan Mücke
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Frage von Axel L. •

Frage an Jan Mücke von Axel L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Herr Mücke!

Mir fehlen eigentlich die Worte aber ich will es trotzdem probieren!

Vom 28. auf den 29.06.12 wurde beschlossen das die angeforderten Gelder des ESM nicht mehr an die Staaten selbst gegeben werden müssen sondern direkt an die Banken gehen können, es also keine weitere Verschuldung für die angeschlagenen Staaten stattfindet. Es gibt keine Auflagen die mit den "Rettungsgeldern" verbunden sind also wird alles beim alten bleiben, bzw Europa wird noch grausiger in eine Rezession rutschen da die Ratingagenturen eine "Vergemeinschaftung der Schulden" dazu veranlassen wird Deutschland seine Bonität herabzusetzen. So werden auch wir als "Schuldnerstaat" schneller als wir glauben in große Schwierigkeitenn kommen, denn Deutschland wird natürlich den Hauptteil der Last tragen und das bei offiziell zugegeben 2 Billionen Euro Schuldstand. Wie konnte Merkel so einknicken, nachdem sie 2 Tage vorher geagt haben soll "das es mit ihr, so lange sie lebe keine Vergemeinschaftung der Schulden Europas geben wird!"
Ich bin einfach Platt wie nach so einer gravierenden Änderung über Nacht der Bundestag ein paar Stunden später diese Entscheidung treffen kann. Wußten sie über was sie abstimmten? Ich kann es mir nur so "rechtsstaatlich erklären" das sie und der absolute Großteil der Pro -Abstimmer nicht recht wußte - nicht informiert wurde- über was er da abstimmen sollte. Stimmt das?
Sind sie sich der Folgen die durch ihr Abstimmungsverhalten entstehen werden bewußt?
Einerseits wünschte ich es mir das sie nicht wußten, andererseits wäre auch das ein traurig wenn sie nicht die Zeit hätten sich zu informieren!
Da ich immer noch so Naiv bin, wünschte ich mir das sie es auch sind!

Mit freundlichen Grüßen

Axel Leßmann aus Hellerau DD

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Leßmann,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage vom 30. Juni 2012, in der Sie mich um eine Erklärung für meine Zustimmung zum Europäischen Stabilisierungs-Mechanismus (ESM) bitten. Ihre Ausführungen habe ich mit großem Interesse gelesen. Denn auch für mich sind die Bestimmungen und Garantiesummen, die der ESM beinhaltet nur schwer zu verdauen. Nichtsdestotrotz habe ich in der Sitzung des Deutschen Bundestages am 29. Juni für die Einrichtung des ESM gestimmt. Gerne werde ich Ihnen hierzu meine Gründe darlegen und auf Ihre Ausführungen eingehen.

Zunächst möchte ich Ihnen versichern, dass es entgegen Ihren Ausführungen keine auflagenfreie Bankenlizenz für den ESM geben wird. Die verkürzte mediale Darstellung der Brüsseler Gipfelergebnisse hat hier leider Verwirrung gestiftet, die ich gerne ausräumen möchte.

In Brüssel wurde nicht die direkte und bedingungslose Mittelvergabe an finanzschwache Banken vereinbart, sondern die Errichtung einer gemeinsamen europäischen Bankenaufsicht. Dieses Aufsichtsgremium ist unbedingt notwendig, um die katastrophalen Finanz- und Immobilienspekulationen zahlreicher europäischer Banken zukünftig zu verhindern. Dadurch werden auch finanzielle Schieflagen der Banken durch Anlagen mit zu hohem Risiko verhindert. Sobald die Bankenaufsicht ihre Arbeit aufgenommen hat, wird auf europäischer Ebene erneut über die weiteren Schritte zur Stabilisierung der europäischen Banken- und Finanzindustrie beraten. Ein möglicher Weg um kurz- und mittelfristige Finanzstabilität zu gewährleisten kann dann auch die Übernahme von Garantien für angeschlagene Banken sein. Diese Garantien wären dann allerdings an strenge Auflagen der europäischen Bankenaufsicht gebunden, die darüber hinaus auch prüft, ob die Bereitstellung von Geldern für das Geldinstitut oder die Abwicklung der Bank Sinn macht. In jedem Fall muss die betroffene Bank empfindliche Auflagen erfüllen und Restrukturierungsmaßnahmen umsetzen.

Über diese Regelung wurde ich gemeinsam mit meine Fraktionskollegen auf einer Sondersitzung der FDP-Bundestagsfraktion vor der Abstimmung zum ESM und zum Fiskalpakt detailliert informiert. In diesem Sinne habe ich bewusst und informiert für ESM und Fiskalpakt gestimmt. Gerne möchte ich hierauf noch etwas ausführlicher eingehen.

Der ESM ist ein Nothilfeinstrument, welches durch seine am konkreten Einzelfall angepassten Eingriffsmöglichkeiten maßgeblich zur Stabilisierung der Eurozone beitragen wird. Fiskalvertrag und ESM bilden dabei zwei Seiten einer Medaille ab. Der ESM dient zur kurzfristigen Stabilisierung von in Not geratenen Staaten zur Bewahrung der Stabilität in der Eurozone insgesamt. Der Fiskalvertrag gewährleistet, dass es in Zukunft nur noch

tragfähige Staatshaushalte in der Eurozone und damit letztlich keine Notfälle für den ESM mehr geben wird. Dabei sind beide Verträge als Einheit zu betrachten. Staaten, die den Fiskalvertrag nicht umsetzen, erhalten keine neuen Hilfsprogramme.

Mit dem Fiskalvertrag errichten wir verbindliche Regelungen zur Erreichung fiskalpolitischer Solidität. Sie ist die Basis, von der aus das Vertrauen in unsere

Gemeinschaftswährung wieder wachsen kann. Wesentliche Regelung des Fiskalvertrages ist die Verpflichtung aller unterzeichnenden Staaten, eine Schuldenbremse in ihre nationalen Rechtsordnungen zu verankern. Die Umsetzung der Vorgaben für innerstaatliche Schuldenbremsen wird durch ein sanktionsbewehrtes Klageverfahren beim Europäischen Gerichtshof sichergestellt. Darüber hinaus werden zukünftig Verfahren im Falle eines übermäßigen Defizits quasi automatisiert eingeleitet und durchgeführt.

Mitgliedstaaten, die sich in einem Defizitverfahren befinden, müssen ein Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramm mit konkreten Strukturreformen auflegen, das von Rat und Europäischer Kommission genehmigt und überwacht wird.

Alle wesentlichen Entscheidungen, die der ESM treffen kann, einschließlich der Gewährung von Finanzhilfen oder Änderungen am Ausleihvolumen und Stammkapital, müssen einstimmig durch die Finanzminister des Euro- Währungsgebiets getroffen werden, womit Deutschland jederzeit ein Vetorecht zukommt. Mit dem ESM-Finanzierungsgesetz haben wir dieses Vetorecht dem Deutschen Bundestag übertragen, indem dem Abstimmungsverhalten des deutschen Vertreters im Gouverneursrat ein umfangreicher Parlamentsvorbehalt vorgeschaltet wurde. Dieser umfangreiche Parlamentsvorbehalt geht auf Initiative und Drängen der FDP zurück und setzt sich aus dem bisherigen Rettungsschirm EFSF fort.

Sehr geehrter Herr Leßmann, sehr oft erreichen mich zur EU-Staatsschuldenkrise die Sorgen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland. Nicht nur weil ich seit nunmehr fast vier Jahren in zahlreichen Bürgergesprächen und durch zahlreiche Zuschriften erst zur amerikanischen Bankenkrise und dann zur europäischen Schuldenkrise im Austausch mit den Menschen in unseren Land stehe, sondern, weil auch ich mir vor jeder europa- und finanzpolitischen Entscheidung die Frage stelle, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Meine Antwort lautete bislang bei jeder Abstimmung „Ja“. Denn ich bin mir sicher, dass es zu Europa, zu unserer gemeinsamen Währung und vor allem zu unserem gemeinsamen Binnenmarkt keine Alternative gibt – auch nicht von den zahlreichen Gegnern dieser Maßnahmen. Ein Scheitern der Europäischen Union – und nicht anderes wäre beim Auseinanderbrechen der Eurozone zu erwarten – würde uns in eine ungewisse Zukunft tragen, bei der vor allem Deutschland als europäischer Wirtschafts- und Exportmotor nur verlieren könnte. Auch unseren eigenen Schuldenstand können wir im Übrigen nur dann abbauen, wenn unsere Wirtschaft erfolgreich ist und der deutsche Staat dadurch von Einnahmen profitieren kann.

In diesem Sinne stehe ich zu meiner Entscheidung für den ESM und den Fiskalpakt. Ich bin zuversichtlich, dass auch das Bundesverfassungsgericht bei seinem für den 12. September angekündigten Urteilsspruch die Verfassungsmäßigkeit von ESM und Fiskalpakt untermauen wird.

Mit meinen besten Grüßen

Jan Mücke