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Frage von Detlef W. •

Frage an Jan Mücke von Detlef W. bezüglich Wirtschaft

Die FDP und Sie lehnen einen Mindestlohn ab und begründen dieses mit daraus resultierenden Arbeitsplatzverlusten und steigenen Preisen.
Wenn diese Aussage richtig wäre müßten in 20 EU Ländern, in denen es bereits Mindestlöhne gibt, Arbeitsplätze abgebaut worden sein und die Preise gestiegen sein. Dieses ist aber nicht so. Wie erklären Sie sich diesen Wiederspruch?

Wie kann die FDP Steuersenkungen versprechen wenn doch offensichtlich ist dass auf Grund der schlechten Haushaltslage wichtige Investitionen unterbleiben und der Bürger für die eigentlichen Aufgaben des Staates zusätzich zur Kasse gebeten werden (ich stelle hier u.a. auf die Erhebung von Studiengebühren ab).

Des weitern befürwortet die FDP sogenannte PPP-Projekte. Dabei wird immer wieder die Behauptung aufgestellt dass diese kostengünstiger für den Staat sind als wenn dieser das Projekt selbst durchführt. Als Betriebswirt kann ich nur sagen dass diese Aussage auf keinen Fall stimmt, ungeachtet der Tatsache das die dazugehörigen Verträge nicht durch die notwendigen Gremien geprüft werden (diese werden den Gremien grundsätzlich in wichtigen Teilen vorenthalten), da private Unternehmen z.B. höhere Darlehenszinsen zahlen müssen und natürlich auch noch einen "ordentlichen" Gewinn erzielen wollen. Dieser wird den privaten Gesellschaften teilweise auch noch garantiert und überschreitet in den bekannt gewordenen Projekten die 10% Marge. Wie begründen Sie diese Unterstützung, zumal die Abgeordneten dem Allgemeinwohl dienen sollten.

Will die FDP die Bundesrepublik nach dem Vorbild von Amerika und Großbritannien umbauen?

Mit freundlichem Gruß

Detlef Winkler

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Winkler,

vielen Dank für Ihre vier Fragen, die ich gern beantworte.

1. Der Zusammenhang von Mindestlöhnen und verlorenen Arbeitsplätzen lässt sich in der Tat empirisch schwer beweisen, da die Wirkung der Festlegung eines Mindestlohns von allen anderen Einflüssen auf die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt zu isolieren wäre. Dies bedarf eines höchst komplexen dynamischen Modells, das es bisher schlicht nicht gibt. Die empirische Forschung kann daher höchstens Tendenzen aufzeichnen, diese deuten aber durchaus einen positiven Zusammenhang von Mindestlöhnen und Arbeitsplatzverlust an. Einen Beleg hierfür gibt eine Synopse der vorhandenen empirischen Untersuchungen. In der größten mir bekannten aktuellen Literaturstudie wurde gezeigt, dass von den 86 erfassten neueren Untersuchungen zwei Drittel "relativ konsistente - aber nicht immer statistisch signifikante - Anzeichen für negative Beschäftigungseffekte" lieferten. Die wenigsten lieferten dagegen positive Beschäftigungseffekte. Hierzu würde ich Sie gern an das Papier von D. Neumark und W. Wascher: Minimum Wages and Employment. (IZA Discussion Paper 2 570, Bonn 2007) verweisen.

Ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern hinkt ferner dahingehend, dass wir gerade in Deutschland eine mangelnde Lohnspreizung im unteren Lohnbereich haben. Ein Beleg dafür ist die unter den Industriestaaten sonst unerreichte Arbeitslosigkeit von Geringqualifizierten. Zum Vergleich: UK/ Schweden: 7%, Italien/ Dänemark: 8%, Frankreich: 12%, EU-Durchschnitt: 9%, USA: 11%, Deutschland: 21% (Stand 2006, Quelle: OECD).

Genau diesen Leuten nehmen wir mit Mindestlöhnen jede Chance, in Lohn und Brot zu kommen, da niemand bereit ist, diesen Lohn für ihre Arbeit zu bezahlen. Natürlich ist es nicht in Ordnung, wenn ein Friseur in Sachsen für 4 Euro die Stunde arbeitet. Die Lösung liegt aber nicht darin, einen höheren Lohn zu erzwingen, das würde nur noch mehr Arbeitslosigkeit erzeugen. Stattdessen müssen Voraussetzungen geschaffen werden, damit die entlohnte Beschäftigung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber wieder attraktiv werden. Die einzige Möglichkeit, dies zu erreichen, ist neben der allgemeinen Liberalisierung des Arbeitsmarktes ein Konzept degressiv gestalteter staatlicher Lohnkostenzuschüsse im unteren Lohnbereich.

Die FDP hat nach dem Prinzip der negativen Einkommensteuer das sogenannte liberale Bürgergeldmodell entwickelt. Darin werden alle steuerfinanzierten sozialen Hilfen des Staates pauschaliert und in einen Universaltransfer, dem Bürgergeld, zusammengeführt. Das Bürgergeld wird dabei mit der Einkommensteuer zu einem Steuer-Transfer-System aus einem Guss verbunden. Steuern und soziale Hilfen werden im Finanzamt miteinander verrechnet. Geringverdiener bekommen so eine negative Einkommensteuer ausbezahlt, Gutverdiener bezahlen Einkommensteuer. Dadurch würde das Leistungsprinzip auch im Niedriglohnbereich wieder in Kraft gesetzt und das Sozialsystem wieder überschaubar und transparent. Löhne, die nicht Existenz sichernd sind, wären dadurch nicht mehr möglich. Arbeit würde finanziert, nicht die Arbeitslosigkeit.

2. Die derzeitige Haushaltslage, die sich durch die Finanz- und Wirtschaftskrise und die zum großen Teil unsinnigen Konjunkturpakete der Bundesregierung weiter verschärft hat, ist kein Grund, die Steuerreform abzusagen. Im Gegenteil - die Steuerreform erleichtert den Weg aus der Rezession, weil sie die Wirtschaft ankurbelt. 90 Prozent der Wertschöpfung unserer Volkswirtschaft werden im privaten Sektor erbracht. Entlastungen und Erleichterungen für Bürger und Unternehmen sorgen für mehr Konsum und Investitionen, so dass Wachstum und Beschäftigung steigen. Kein staatliches Ausgabenprogramm kann diesen Effekt ersetzen.

Trotz Krise werden die Steuereinnahmen bis 2013 Jahr für Jahr 40 Milliarden Euro über den Durchschnittseinnahmen der vergangenen vier Jahre liegen. Das zeigt: Der Staat hat kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabenproblem. Zunächst müssen die öffentlichen Ausgaben durchforstet werden. Dazu hat die FDP-Bundestagsfraktion in den letzten Jahren jeweils ein "Liberales Sparbuch" vorgelegt. Darin können Sie über 400 Posten im Umfang von gut 10 Milliarden Euro finden, die direkt in eine umfassende Steuerreform gesteckt werden könnten. Dazu kommen Mittel in zweistelliger Milliardenhöhe, die mittelfristig durch Strukturreformen frei werden. Darunter fallen unter anderem die effektive Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs, die Neustrukturierung der höchstgradig ineffizienten Bundesagentur für Arbeit, die stärkere Bündelung öffentlicher Einkäufe und der Wegfall des Umsatzsteuerprivilegs der Deutschen Post.

Durch eine grundlegende Steuerstrukturreform könnte auch das Volumen der Schwarzarbeit deutlich reduziert werden. Bei sinkender Arbeitslosigkeit infolge niedrigerer Steuern geht die Schwarzarbeit automatisch zurück. Im Jahre 2008 lag ihr Volumen bei rund 350 Milliarden Euro. Sinkt es um lediglich 20 Prozent, ergäben sich daraus etwa 20 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Flankiert werden soll dies mit zusätzlichen Maßnahmen wie Änderungen beim Umsatzsteuerrecht (Ist-Versteuerung) oder der Absetzbarkeit der Betreuungskosten.

Das alles zeigt, dass die Situation der öffentlichen Haushalte durch eine gerechte Steuerreform auf Dauer besser statt schlechter wird.

Durch den in ihrer ersten Frage bereits angesprochenen Mindestlohn würde dagegen die Schwarzarbeit weiter erhöht und ein zusätzlicher Steuerausfall generiert: Wenn z.B. das Haareschneiden durch die teilweise Verdopplung der Löhne der Friseure plötzlich spürbar mehr kostet, überlegt man als Geringverdiener schon, ob man nicht einen Bekannten hat, der es auch machen könnte.

3. Die FDP sieht PPP-Projekte im Bereich der Verkehrsinfrastruktur nicht als Allheilmittel. Der größte Nutzen dieser Finanzierungsform geht davon aus, dass dringend benötigte Verkehrswege zu einem deutlich früheren Zeitpunkt realisiert werden können. Dies darf aber nicht um jeden Preis geschehen. Es muss sich durch die PPP-Finanzierung ein volkswirtschaftlicher Vorteil ergeben. In diese Betrachtung muss insbesondere die inhaltliche Ausgestaltung des Vertrages zwischen dem Bund und dem Privaten einbezogen werden. Aus Sicht der FDP ist es notwendig, dass die Verträge nicht einheitliche Formulierungen enthalten, sondern auf das konkrete Projekt zugeschnitten sind. Nützliche Unterschiede können bespielsweise im Bereich der Laufzeit oder des Mauthöhenrisikos liegen. Auf meine Initiative hat die FDP-Bundestagsfraktion eine Kleine Anfrage zum "Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zu ÖPP im Bundesfernstraßenbau" aus dem Januar 2009 in den Deutschen Bundestag eingebracht, in der die bisherige Vergabepraxis im Bereich von Öffentlich Privaten Partnerschaften kritisch hinterfragt wurde. Die Antwort der Bundesregierung (Drucksache 16/12378) füge ich bei.

4. Es kann in einzelnen Teilbereichen richtig sein, von anderen Ländern zu lernen, insbesondere um die gleichen Fehler, die anderswo bereits gemacht wurden, nicht zu wiederholen. Die FDP will die Bundesrepublik jedoch keineswegs nach dem Vorbild der USA oder Großbritanniens umbauen.

Mit freundlichen Grüßen

Jan Mücke