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Frage von Benjamin K. •

Frage an Jan Mücke von Benjamin K. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Guten Tag Herr Mücke,

ich habe eine Frage zur Jungen- und Mädchenförderung.

Seit vielen Jahren zeigt sich immer deutlicher, wie unter den
Bildungsverlierern in unseren Schulen massiv die Jungs überrepräsentiert sind. Sie brechen wesentlich häufiger die Schule ab, bekommen laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums im Durchschnitt für die gleiche
Leistung schlechtere Noten als Mädchen und werden oft fast nur von Frauen unterrichtet, die mit der Energie und dem anderen - eher auf Konkurrenz und Rangordnungsklärung ausgerichtetem - Verhalten von Jungs oft überfordert sind. Sie sind in der Entwicklung oft etwas langsamer als Mädchen. Sie begehen in der Pubertät 8-12 mal häufiger Selbstmord als Mädchen. Auf
Sonderschulen sind überwiegend Jungs. Die Anzahl der männlichen Pädagogen sinkt in vielen Bildungsebenen seit Jahren.

Quellen:
Eine allgemeine Übersicht:
http://www.manndat.de/index.php?id=511
Zur Notendiskriminierung in der Schule:
http://www.manndat.de/index.php?id=517

Hier eine Rezension des neuesten Buches zur Jungenkrise:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/943749/

Hier eine allgemeine Zusammenfassung mit weiteren Literaturangaben:
http://www.az-web.de/news/familie-detail-az/883684?_link=&skip=&_g=Wie-aus-kleinen-Helden-echte-Kerle-werden-Maennliche-Bezugsperson-sorgen-fuer-Balance.html

Männlichkeit wird teilweise per se als schlecht dargestellt: Die SPD sagt in Ihrem Hamburger Grundsatzprogramm: "Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden."

Meine Frage: Wie ist Ihre Position zu dieser Frage und was unternehmen Sie und Ihre Partei, um diesen sich seit Jahren verschärfenden Missstand bei den Jungs zu beheben?

Mit freundlichen Grüßen aus dem Dresdner Hechtviertel in Ihrem
Wahlkreis,
Benjamin Krohn

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Krohn,

vielen Dank für Ihre Zuschrift. Ich halte die Aussage "Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden", die die SPD in ihr Grundsatzprogramm aufgenommen hat, für geradezu grotesk. Natürlich ist er vordergründig im Zusammenhang mit gesellschaftlich immer noch vorhandenen Benachteiligungen von Frauen in verschiedenen Bereichen zu sehen, doch die Formulierung ist sehr verräterisch. Die Liberalen lehnen Gleichmacherei ab - egal, in welche Richtung sie geht. Der Staat hat nicht zu bestimmen, ob eine Gesellschaft weiblich oder männlich geartet sein soll. Das Individuum steht bei der FDP im Vordergrund. Jeder Einzelne soll sich frei entfalten und sein Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten können.

Um diese freie Entfaltung des Einzelnen zu gewährleisten, setzt die FDP auch in der Bildungspolitik auf eine individuellere Förderung. Zum einen fordert die FDP bessere Rahmenbedingungen für die Hochbegabtenförderung, zum anderen aber auch die bessere Förderung von Begabungen von Kindern aus bildungsfernen Schichten oder von Kindern mit Migrationshintergrund. Dies ist so auch im Deutschlandprogramm der Liberalen verankert.

Dass heute eher Jungs ins Hintertreffen zu geraten scheinen, ist ein gewichtiges Problem, auf das mit intelligenter, passgenauer Förderung des Einzelnen reagiert werden muss. Gerade Jungs, die Studien zufolge schon deswegen eine weitaus heterogenere Leistungsgruppe bilden als Mädchen, weil sich unter ihnen häufiger als unter Mädchen Personen mit extrem hoher und solche mit extrem niedriger Intelligenz befinden, leiden unter der Gleichmacherei in der Bildungspolitik.

Pauschalisierende, vereinfachende Bilder, die darauf abzielen, Rollenbilder des "typischen" Jungen bzw. Mädchen entweder zu verstärken oder ihnen entgegenzutreten, sind jedoch unangebracht. Jeder Junge und jedes Mädchen sollte ermutigt werden, seinen oder ihren eigenen Weg zu gehen.

Forderungen wie die der SPD nach einer "Überwindung der männlichen Gesellschaft" sind daher kontraproduktiv. Die FDP begreift seit vielen Jahren Geschlechterpolitik nicht nur als Frauenpolitik. Wir haben beispielsweise bereits in der letzten Legislaturperiode in einem Antrag zum Ausdruck gebracht: "Nicht nur Frauen haben ein Recht, ohne Diskriminierung Führungs- und Entscheidungspositionen einzunehmen, auch Männern müssen Chancen zur Erweiterung ihres Rollenspektrums gegeben werden."

Vor diesem Hintergrund hat die FDP-Bundestagsfraktion am sog. "Girls Day", der bundesweit jedes Jahr im April stattfindet und an dem sich Mädchen jenseits traditioneller Rollenbilder über die ganze Bandbreite ihrer Berufsmöglichkeiten informieren sollen, dieses Jahr einen "Boys and Girls Day" veranstaltet und auch Jungs eingeladen, sich über die Arbeit eines Abgeordneten zu informieren.

Die Berücksichtigung der spezifischen Belange von Jungen im Bildungsbereich ist den Liberalen ein Anliegen, das sehr ernst genommen wird. Die FDP hat in ihrem Wechsel-Lexikon bereits 2005 dazu ausdrücklich im Zusammenhang mit frühkindlicher Bildung klar gestellt:

"Besonderes Augenmerk ist auf eine gendersensible Pädagogik zu legen, die auf die unterschiedlichen Lernweisen und Interessen von Mädchen und Jungen adäquat eingeht. ... Der frühkindlichen Bildung kommt darüber hinaus, wie anderen Bildungsinstanzen, die Aufgabe zu, gleichberechtigte Lebensmuster für Mädchen und Jungen zu vermitteln. Dazu gehört, dass mehr Männer für dieses Arbeitsfeld gewonnen werden, damit Jungen in Kindergärten männliche Identifikationsfiguren erleben."

Wie aus der Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion "Bildungs- und Entwicklungschancen von Jungen" vom 17.12.2008 (beigefügt) deutlich wurde, ist im vorschulischen Bereich, also an Kindertagesstätten und Kindergärten, immer noch nur ein verschwindend geringer Anteil der Pädagogen männlich. Insbesondere in Grundschulen und Kindergärten gibt es viel zu wenige. Daher sollte bei Männern intensiv für diese Berufe geworben werden. So wie es zum Beispiel im technischen Bereich verschiedene Initiativen dafür gibt, Frauen in Männerberufe zu bringen, sollten auch umgekehrt Männer für Frauenberufe begeistert werden.

Aus dieser Anfrage wird auch der bemerkenswerte Umstand deutlich, dass männliche Erzieher besonders häufig in Elterninitiativen und großstädtischen Kinderhäusern in freier Trägerschaft beschäftigt werden. Eine heterogene Struktur des Bildungsumfelds, wie sie die FDP-Bundestagsfraktion u.a. in ihrem Positionspapier "Mehr Freiheit für Schulen in Freier Trägerschaft" vom 26. Mai 2009 fordert, wäre also auch in dieser Hinsicht vorteilhaft. Unter anderem heißt es dort: "Bildungseinrichtungen sollen auf die individuellen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler eingehen. Gerade die Vielfalt an Schulen und deren Träger trägt dazu bei, die Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu fördern und das Bildungssystem insgesamt zu stärken."

In der Jugend liegt unsere Zukunft. Die Jungs und ihre individuellen Bedürfnisse dürfen wir dabei nicht vernachlässigen. Ich hoffe, aus all diesen Initiativen wird deutlich, wie sehr der FDP die individuelle Förderung der männlichen wie weiblichen Jugendlichen am Herzen liegt.

Mit freundlichen Grüßen

Jan Mücke