Frage an Jan-Marco Luczak von Sebastian J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Luczak,
In der letzten Legislaturperiode hat die Bundesregierung die anlasslose Vorratsdatenspeicherung beschlossen – mittlerweile vom EUGH als ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte bewertet.
Seit August wird am Bahnhof Südkreuz ein Test des Bundesinnenministeriums und der Bundepolizei durchgeführt, bei dem 3 Systeme zur Gesichtserkennung evaluiert werden.
Mir geht es um die Frage, ob all diese Techniken überhaupt zum Einsatz kommen sollten. Von Seiten der Union wird gerne für die Sicherheit der Bürger argumentiert. In letzter Zeit wird dabei gerne auch Bezug auf den Fall Anis Amri genommen. Gerade dieses Beispiel finde ich zynisch, da hier mittlerweile dokumentiert ist, dass es sich um ein Versagen der staatlichen Behörden und eben nicht um ein „zu wenig“ an Überwachung gehandelt hat.
Ich möchte Sie daher fragen, wie Sie sich in Zukunft zu den Bürgerrechten positionieren werden? Werden Sie weiterhin für mehr Überwachung der Bürger und für mehr Befugnisse der Sicherheitsbehörden stimmen oder werden Sie sich für den Schutz der Bürger vor dem Staat einsetzen?
Ich möchte anfügen, dass ich Ihnen und der Union keine Böswilligkeit unterstelle, aber gerade mit Blick auf die dt. Vergangenheit, mir mehr Sensibilität was staatliche Überwachung betrifft wünsche. In diesem Zusammenhang fände ich es auch gut, wenn Sie die Frage von Herrn Beeß zur Kontrolle der Geheimdienste doch noch beantworten würden. Anders als von Ihnen behauptet, konnte ich im Wahlprogramm keine konkreten Aussagen dazu finden.
Die Idee dieser Seite ist doch, den Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich über die einzelnen Kandidaten und deren Positionen zu informieren ohne an Wahlkampfveranstaltungen teilnehmen zu müssen oder das direkte Gespräch zu suchen. Denn nicht jeder hat dafür die Zeit. Ich hoffe Sie nutzen diese Chance, geben so jedem Bürger die Möglichkeit sich umfassend zu informieren und tragen damit zur gesunden Demokratie bei.
Vielen Dank
S. J.
Sehr geehrter Herr J.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht. Mit dem Spannungsfeld zwischen der Sicherheit der Bürger einerseits und den Kontrollmöglichkeiten durch Sicherheitsbehörden andererseits sprechen Sie ein wichtiges Thema an, das auch mir am Herzen liegt.
Ich bin davon überzeugt, dass eine effektive Videoüberwachung – wie sie zurzeit auch am Bahnhof Südkreuz getestet wird – einen immensen Sicherheitsgewinn für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet. In Zeiten zunehmender Bedrohungslagen müssen wir unsere Gesellschaft besser schützen und unsere Freiheit aktiv verteidigen. Die Videoüberwachung ist ein wirksames Instrument, das seit Langem erfolgreich zur Aufklärung von Straftaten eingesetzt wird. Es ist ein echter Sicherheitsgewinn, wenn Kriminelle so (schnelller) gefasst und inhaftiert werden – weitere Straftaten können sie nicht mehr begehen. Ich finde daher, wir sollten die Chancen nutzen, die der technologische Fortschritt mit sich bringt und so unsere Werte, wie auch unsere Sicherheit und damit letztlich unsere Freiheit, verteidigen.
Gerade das Beispiel des Attentats vom Breitscheidplatz, das auch Sie ansprechen, hat uns Berlinern bzw. uns Deutschen gezeigt, dass die Bedrohung durch Terrorismus real ist. Der Anschlag hätte zwar auch mit der neuen Technik nicht verhindert werden können; der Attentäter hätte aber schneller gefasst und zur Verantwortung gezogen werden können.
Natürlich muss die Videoüberwachung verhältnismäßig sein und die Grundrechte der Bürger, insb. das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, müssen gewahrt werden. Insofern kann ich Ihre Bedenken nachvollziehen. Jedoch wird in der öffentlichen Debatte oft vergessen, dass die Bewegungsdaten, die anhand der Gesichtserkennung erfasst werden, nur dann überhaupt gespeichert werden, wenn die betroffene Person schon vorher in den einschlägigen Fahndungsregistern registriert war. Die Daten aller anderen Personen werden im gleichen Moment wieder gelöscht. Auch muss stets ein Richter darüber entscheiden, ob gespeicherte Daten im konkreten Einzelfall verwendet werden dürfen. Die Schranken hierfür sind hoch, ich habe Vertrauen, dass hiermit verantwortungsvoll umgegangen wird.
Ich hoffe, ich konnte meine Position verdeutlichen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Jan-Marco Luzcak