Frage an Jan-Marco Luczak von Ulli D. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Luczak,
ich habe Fragen zum Thema CETA /TTIP.
Die geheimen Verhandlungen zum „Freihandelsabkommen“ sind weder transparent noch demokratisch. Demokratische Rechte und Pflichten werden mit den Füßen getreten, auch die der Abgeordneten.
Wie stehen Sie dazu, dass die Verhandlungen dazu geheim stattfinden, Sie als Entscheidungsträgerin, die für die Interessen der Bürger/innen handeln sollen, ausgeschlossen werden? Welchen Einfluss wollen Sie geltend machen, damit Vertrauen in die Politik nicht weiter schwindet?
Freihandel ist gut, wenn er allen Menschen nützt, doch ich fürchte, dass die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinandergeht. Er sollte nicht nur Konzerne mächtiger machen. In Mexiko, Afrika etc. haben Freihandelsabkommen meines Wissens zu größerer Armut, Machtkonzentration, größerer Ungerechtigkeit sowie Gewalt geführt. Für viele Menschen scheint Flucht der einzige Ausweg zu sein.
Schiedsgerichte entsprechen nicht den Maßstäben funktionierender, rechtsstaatlicher Demokratien. Auch hat man als Bürgerin den Eindruck, Politiker lassen sich stärker von Lobbyisten leiten als vom Wähler-Auftrag.
Wie stehen Sie dazu? Welche Interessen vertreten Sie?
Der Mittelstand, Kernstück einer gesunden Volkswirtschaft, wird doch den Kürzeren ziehen. TTIP/CETA hätten immense Auswirkungen auf kleinere Betriebe, den Zusammenhalt der Gesellschaft.
Erkämpfte Rechte für ArbeitnehmerInnen gelten nicht mehr für alle (Post, Amazon, …). Welche Auswirkungen wird TTIP/CETA auf deren Rechte haben? Werden sie noch stärker beschnitten, Gewerkschaften noch stärker ausgebremst, als es derzeit schon der Fall ist.
Werden Umweltschutz und Lebensmittelstandards noch stärker verwässert?
Ich bitte Sie, sich für transparente und faire Abkommen einzusetzen, die allen BürgerInnen nützen und uns nicht vor vollendete, nicht wiedergutzumachende Tatsachen setzt.
Wie stehen Sie dazu? Was werden Sie tun? Verlangen Sie Einsicht in die Verträge, Mitbestimmung für die Verhandlungen.
Sehr geehrter Herr Domahs,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 20. September 2015 zum geplanten Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP.
Die Europäische Union und Deutschland profitieren in hohem Maße von international frei handelbaren Gütern und Dienstleistungen sowie von grenzüberschreitenden Investitionen. Die EU ist der weltweit größte Exporteur und Importeur von Waren und Dienstleistungen sowie einer der wichtigsten Investoren und Empfänger von Investitionen. Ihr Handelsvolumen mit dem Nicht-EU-Ausland hat sich allein zwischen 1999 und 2010 verdoppelt. Deutschland als größte Volkswirtschaft in der EU und drittgrößter Exporteur weltweit profitiert von dieser Entwicklung in besonderem Maße.
Diese Zahlen belegen eindrucksvoll, dass der freie weltweite Handel mit Waren und Dienstleistungen für Europa nicht nur wünschenswert ist. Er ist vielmehr Grundvoraussetzung für unsere wirtschaftliche Prosperität und damit für den Erhalt von Lebensqualität, hohen sozialen Standards und kultureller Vielfalt in der EU.
Der internationale Handel und grenzüberschreitende Investitionen unterliegen umfassenden multilateralen und bilateralen Handels- und Investitionsschutzregeln, die im Laufe der Jahre und Jahrzehnte ständig weiter entwickelt wurden und werden. So befindet sich die EU nicht nur in laufenden Verhandlungen mit den USA zu TTIP, sondern beispielsweise auch mit Kanada („CETA“) oder den Mitgliedern der Welthandelsorganisation WTO („TiSA“).
Gerade auch in der deutschen Öffentlichkeit werden derzeit vielfach Befürchtungen laut, dass die laufenden Verhandlungen zu internationalen Handelsabkommen (z. B. TTIP, CETA, TiSA) zu sehr im Geheimen geführt und bewährte Standards etwa in den Bereichen Arbeitnehmer-, Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz, kommunale Daseinsvorsorge und kulturelle Vielfalt gefährdet würden.
Tatsache ist jedoch, dass gerade im Gegenteil Abkommen wie TTIP Europa und seinen Verhandlungspartnern die – möglicherweise letzte – Chance bieten, auch im 21. Jahrhundert hohe Standards in wichtigen Bereichen zu setzen. Angesichts aufstrebender Mächte wie China, Indien oder den ASEAN-Staaten wird dies für die westlichen Demokratien im globalen Maßstab zusehends schwieriger. Mit TTIP und CETA können die EU, die USA und Kanada ihre – im weltweiten Vergleich nach wie vor sehr hohen – Standards z.B. beim Umwelt-, Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutz zum Maßstab für spätere internationale Abkommen bzw. für ein globales Freihandelsregime machen. Nutzen wir diese Chance als Europäer nicht, so werden andere Länder diese Standards setzen – dann aber ohne jede Einflussmöglichkeit für Europa oder Deutschland.
Deutschland setzt sich erfolgreich dafür ein, dass die ambitionierten Ziele des Freihandelsabkommens nicht auf Kosten der Souveränität der Staaten gehen. Das Recht, auch in Zukunft im Sinne des Allgemeinwohls zu regulieren, darf nicht angetastet werden. Der jeweilige Gesetzgeber soll das Schutzniveau (etwa im Bereich des Umwelt- oder Verbraucherschutzes) selber festlegen. TTIP etwa dient dazu, gemeinsame Prinzipien zu vereinbaren, damit die konkrete Ausgestaltung von Schutzstandards möglichst geringe handelsbeschränkende Auswirkungen hat.
Das bestehende hohe europäische Schutzniveau in verschiedenen Bereichen steht nicht zur Disposition. Die EU wird keines ihrer Gesetze zum Schutz von Menschen, Tieren oder der Umwelt aufheben. Die Gesundheit der EU-Bevölkerung und der notwendige Umweltschutz sind nicht verhandelbar. Dies sollte uns aber nicht vom Ziel abbringen, Handel und Investitionen transatlantisch möglichst weitgehend zu erleichtern und unnötige Hemmnisse, wie etwa doppelte Zulassungs- und Zertifizierungsverfahren, abzuschaffen. Das ist im Interesse der deutschen Wirtschaft.
Insgesamt ist die einer möglichen Einschränkung der gesetzgeberischen Spielräume der Parlamente oder von demokratischen Rechten unbegründet. Zunächst einmal ist grundsätzlich darauf hinzuweisen, dass TTIP ein Abkommen zwischen zwei Demokratien ist, die gemeinsame Werte (z.B. Achtung der Grund- und Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit etc.) teilen. Schon aus diesem Grund ist der Vorwurf, die Demokratie könne durch ein Freihandelsabkommen mit den USA ausgehöhlt werden, nicht nachvollziehbar. In den laufenden Verhandlungen ist gewährleistet, dass alle demokratisch legitimierten Institutionen über aktuelle Entwicklungen umfassend informiert werden. Die EU-Kommission informiert regelmäßig das Europäische Parlament sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten (d.h. auch die Bundesregierung) über den Verhandlungsprozess. So sind auf der Website der EU-Kommission unter http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1252&langId=de die Verhandlungstexte der EU, Faktenblätter mit deutlichen Aussagen zu TTIP sowie eine Übersicht der einzelnen Kapitel des Abkommens für die Öffentlichkeit zugänglich. Die Bundesregierung gibt wiederum regelmäßige Informationen an den Deutschen Bundestag. Zudem tritt das Abkommen nach Abschluss der Verhandlungen nur in Kraft, nachdem das Europäische Parlament, die nationalen Parlamente sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zugestimmt haben. Auch dadurch ist eine umfassende parlamentarische Kontrolle sichergestellt.
TTIP wird auch Regelungen zu den Themen Investitionsschutz und Schiedsverfahren beinhalten. Da die Verhandlungen zu diesen komplexen Fragen derzeit laufen, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch keine weitere inhaltliche Bewertung möglich. Ich möchte aber gerne darauf hinweisen, dass die EU-Handels-Kommisssarin Malmström eine umfangreiche Reform des aktuellen Schiedsgerichtssystems vorgeschlagen hat. So soll unter anderem ein neuer „Investitionsgerichtshof“ geschaffen werden, bei dem es auch eine zweite Instanz geben soll. Diese würde es den Parteien erlauben, gegen Urteile Einspruch zu erheben. Fest steht aber, dass es die Position der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bleibt, dass Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, nicht unterwandert werden dürfen. Nur Investitionen, die im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des Gaststaats stehen, sind durch Investitionsschutzverträge geschützt.
TTIP bietet die Chance zur Verbesserung des Investitionsschutzrechts, die wir ergreifen sollten. So werden verschiedene Modernisierungsvorschläge diskutiert, u.a. klarere Regeln für die Zusammensetzung und Funktionsweise der Schiedsgerichte, die Qualifikation und Unabhängigkeit der Richter, das Verhältnis zum nationalen Rechtsweg und die Frage von Revisionsmöglichkeiten. Darüber müssen und werden wir weiter mit unseren transatlantischen Partnern sprechen.
Erlauben Sie mir abschließend darauf hinzuweisen, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu TTIP einen breit angelegten Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern, der EU-Kommission, der Bundesregierung, der Wirtschaft, Gewerkschaften, Forschungseinrichtungen sowie Nicht-Regierungsorganisationen durchführt, u.a. in Fachveranstaltungen, Anhörungen und bilateralen Gesprächen. Überdies berät eine Arbeitsgruppe der CDU/CSU-Fraktion über die verschiedenen Themenbereiche von TTIP, CETA und anderen Handelsabkommen unter Einbeziehung von Vertretern der verschiedenen gesellschaftlichen Organisationen. Im Ergebnis wird TTIP nur gelingen, wenn eine breite Öffentlichkeit dies unterstützt. Dafür wird sich die CDU/CSU-Fraktion auch weiterhin einsetzen.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort meine Sicht der Dinge näher gebracht zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Jan-Marco Luczak