Frage an Iris Fischer von Fritz H. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Die Knappheit an Wohnraum wird zunehmend ein ernstes Problem. Mit welchen Konzepten planen Sie und „mut“ dieser Krise und der vielerorts herrschenden Wohnungsnot entgegen zu wirken? Und wie sehen Sie die immer mehr in die Diskussion geratene Thematik der „Zuzugsbegrenzung“?
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre Frage bzw. Fragen!
Meine und unsere grundsätzliche Haltung dazu in einem Satz: Wohnen ist ein Grundrecht, bezahlbares Wohnen ist Daseinsfürsorge, die der Staat für seine BürgerInnen leisten muss. Wohnen darf nicht Gegenstand von Spekulationen und marktgesteuerter, rein an Profit orientierter, Spielball der finanziell Stärkeren sein.
Die Knappheit an für Normalverdiener, Familien, Singles und Rentner bezahlbarem Wohnraum spitzt sich seit Jahren in erschreckendem Ausmaß zu. Gleichzeitig ist weiterhin zu beobachten, dass immer noch städtisches Eigentum (= eigentlich Eigentum der BürgerInnen einer Stadt, verwaltet von der Stadtverwaltung) an Investoren verkauft wird, die dort zwar für Bauherren finanzierbare Steuerminderungsobjekte aber für „Otto-Normal-Mensch“ nicht mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen. Zusätzlich stehen Wohnungen und Häuser in aktuell weniger attraktiveren Regionen leer und verkommen, da es hier wegen fehlender Arbeitsplätze oder Attraktivität der Region zu keinerlei Zuzug mehr kommt.
Deshalb setzen wir auf vielfältige Maßnahmen, die in der Gesamtheit die aktuelle „Wohnungswirtschaft“ nachhaltig verändern, sozialer und zukunftstauglicher gestalten werden:
- Vergabe von kommunalem und staatlichem Grund nur noch in Erbpacht-Verfahren an Genossenschaften und sozial- / gemeinwohlorientierte Bauherren. Dies senkt die Baukosten, schafft bezahlbaren Wohnraum und behält Grund & Boden bzw Immobilien im Eigentum der Kommunen.
- Förderung von Genossenschaften, gemeinwohlorientierten Bauvorhaben, Mieterinitiativen
- Vorkaufsrechte von Kommunen und MieterInnen-Zusammenschlüssen zu adäquaten Preisen nach Wegfall der Sozialbindung bei bestehenden Wohnungen und bei künftigem sozialem Wohnungsbau: kein Auslaufen der Sozialbindung
- Fehlbelegungsabgaben sind zu erhöhen
- wir wollen kluge Raumplanungskonzepte für landesweit verteilte Entwicklung, durch gezielte Ansiedlung von Unternehmen, Infrastruktur, Behörden, Schulen und kulturellen Einrichtungen in aktuell strukturschwächeren Gebieten
- wir wollen ein Register von Baulücken und Nachverdichtungsoptionen anlegen und damit dann achtsam und umgebungssensibel planen
- Quartiersmanagement mit Beratungsstellen für Wohnraummieter oder Besitzer bei Veränderung des Bedarfs (z.B. bei Familienzuwachs, nach Auszug der Kinder, nach Trennung oder bei Verlust des Partners)
Ich möchte darüber hinaus weitere Ideen vorantreiben:
- Lernen an vorbildlichen Modellen wie z.B. den Wiener Stadtbaukonzepten
- Ideen wie „Pflege gegen Wohnen“ fördern und durch gute Rahmengestaltung ermöglichen
- generationsübergreifendes Wohnen mit Rückzugsoptionen, Selbstversorgergärten als Gartenringe zwischen und um Wohnlagen
- bevorzugte und höhere Förderung aller Projekte und Konzepte, die anstelle von Gewinnmaximierung nach sozialer, ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit streben
- Milieuschutz vor Luxussanierung: in interessensgemischten Gruppen aus Bewohnern, Eigentümern, kommunalen Planern in agilen Formaten Ideen zur Erstellung von nachhaltigen gemeinwohlorientierten Quartiersentwicklungen entwickeln
- Entwicklung modularer Baukonzepte, die eine flexible Andersnutzung von Wohnungen, Gemeinschaftseinrichtungen und öffentlichen Gebäuden ermöglichen (umbau- und umnutzungsfähig bei Mehr- oder Minderbedarf)
- Vergabe von Nutzungsrechten an Böden ausschließlich nach Gemeinwohlkriterien: die Projekte mit dem höchsten Gemeinwohl- und Nachhaltigkeitsgrad erhalten den Zuschlag
- baurechtliche Regelungen für Wohnquartiere überarbeiten (z.B. keine Stellplatzvorschriften mehr, um autofreies Wohnen zu ermöglichen und die üblicherweise für Garagen geplanten Flächen zu sparen, dafür ÖNV verbessern)
- bei kommunalen Planungen würde ich die Bürgerbeteiligung dahingehend erhöhen, dass diese bereits vor einer Planung stattfindet und in repräsentativ-besetzten Großgruppenworkshops erarbeitet wird, wie ein Areal bedarfsorientiert unter Beachtung ökologischer Nachhaltigkeit und ökonomischer Faktoren entwickelt werden soll.
Und zu Ihrer zweiten Frage:
Ja, ich befürworte die Erstellung von Best Case und Worst Case Szenarien für Stadt- und Kommunenentwicklung und plädiere bei Bedarf tatsächlich für die Ableitung von unpopulären Konsequenzen wie Zuzugsstopps angesichts drohender Resourcenknappheit (z.B. Wasserversorgung in München).
Mit herzlichen Grüßen
Iris Fischer